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Einsatz für Mütter

Im Dienst der Familien

Einsatz für Mütter - Im Dienst der Familien
Robert Zinser bedankt sich für die Glückwünsche zu seinem 90. Geburtstag und zum 20-jährigen Jubiläum von RFPD. © Foto: Bastian Frank

Rotarys Aktionsgruppe RFPD feiert doppelt: Sie wird 20 und ihr Mitgründer Robert Zinser 90. Er kam gerade aus Nigeria zurück und schmiedet schon neue Pläne.

01.11.2016

Der Kampf gegen die Überbevölke­rung begann in der Kaffeepau­se. „Da bin ich auf die Rotarier aus den Entwicklungslän­dern zuge­gangen“, erinnert sich Robert Zinser. „Ich habe sie gefragt: By the way, was ist euer größtes Problem? Ist es das Bevölkerungs­wachstum? Of course, haben sie gesagt.“

Das war 1994, Zinser ließ sich in den USA damals von Rotary International für das Amt des District Governors schulen. Zuvor schon hatte er in seinem Club Ludwigshafen-Rheinschanze über das Aus­ufern der Städte in den ärmeren Regionen der Welt gesprochen. Als Asien-Leiter des BASF-Konzerns hatte er Städte wie Delhi gesehen, die Slums, die verarmten Kinder und die hungernden Mütter. „Wir haben im Club beschlossen: Da muss man was machen“, sagt Zinser.

Und Zinser machte. Er bat die Rotarier der Kaffeerunde, ihm Vorschläge für Projekte zu schicken. Projekte für eine Familienplanung und für eine bessere medizinische Betreuung der Säuglinge und ­Mütter in Entwicklungsländern.

Spontane Zusagen in Dakar
Wie dringend das ist, zeigte sich noch im selben Jahr auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo, zu der die UNO rund 11 000 Experten eingeladen hatte. In ihrer Abschlussresolution forderten sie, weltweit müsse jeder Mensch freien Zugang zur Familienplanung bekommen. Ein Jahr spä­ter, 1995, traf sich in Dakar, der Hauptstadt Senegals, die Rotary Conference for Population & Development.

„Da bin ich hin“, sagt Zinser. „Wir waren schnell 2 000 Leute, die das Problem angehen wollten.“ Sie waren dieKeimzelle der Rotarian Action Group for Population & Development (RFPD), die sich 1996 gründete. Vor genau 20 Jahren. Noch im selben Jahr entstand ihre deutsche Sektion. Beides im Wesentlichen auf Betreiben Zinsers, sodass die RFPD-Mitglieder im Oktober jetzt doppelten Grund zum Feiern hatten: RFPD wurde 20 und Zinser 90. Mehr als 120 Gäste ließen ihn und RFPD hochleben, natürlich in Ludwigshafen, wo er mit seiner Familie seit 45 Jahren wohnt, im Stadtteil Oggersheim, in derselben Stra­ße wie Helmut Kohl. Rheinland-Pfalz’ stell­vertretender Ministerpräsident Volker Wissing überreichte Zinser im Auftrag des Bundespräsidenten das Große Bundesverdienstkreuz. Monsignore Obiora Ike, einer von Zinsers ersten Helfern in Nigeria, hielt den Festgottesdienst, und der Rotary Chor sang Mozarts Krönungsmesse.

Das passte. Denn die Rheinpfalz, die Lokalzeitung Ludwighafens, hatte Zinser gerade als „königlichen Berater“  bejubelt. Im weitesten Sinne stimmt das ja. 2008 hatte ihn der Emir von Zaria, einer Großstadt im Norden Nigerias, zum Berater für Müttergesundheit und Familienplanung ernannt.

Suche im Koran
In Nigeria hatte Zinser sein erstes Projekt gestartet. Warum ausgerechnet in Afrika, obwohl er 15 Jahre durch Asien getourt war, sich dort auskannte? „Von den Vorschlägen, die die Rotarier der Kaffeerunde präsentierten, war der nigerianische der aussichtsreichste.“ Noch bevor Zinser dafür Geld einsammelte, fuhr er selbst nach Nigeria. „Man muss die Menschen, die Region kennenlernen. Mein erster Weg führte zur Gesundheitsministerin, eine Muslimin.“ Sie musste er zuerst über­­zeugen, in einem Krankenhaus Familienplanung anzubieten, Verhütungsmittel zu ver­teilen und Mütter und deren Babys me­di­zinisch zu betreuen. „Da sagte die Ministerin: Gucken wir erst einmal, was der Koran dazu meint.“ Ihre Erkenntnis: „Alles ist zu machen, was der Familie dient.“ Und wenn eine arme Mutter weniger Kinder gebäre, diene das dem Wohl der Familie.

Zinser legte los. Seither fliegt er jedes Jahr mindestens einmal nach Nigeria, bis heute das bevölkerungsreichste Land Afri­kas. 183 Millionen Menschen leben in dem Land, das so groß ist wie Deutschland und Frankreich zusammen. 5,8 Kinder be­kommt im Durchschnitt jede Nigerianerin. „In Großstädten gibt es auch Familien mit einem Kind“, sagt Zinser. „Da kann man sich vorstellen, was in den Dörfern los ist, wenn der Schnitt landesweit bei 5,8 Kindern liegt.“ Vor 50 Jahren gebar eine Frau in Nigeria noch durchschnittlich 6,6 Kinder. Ein kleiner, mühsamer Erfolg also. Die Müttersterblichkeit sank seit der Initiative von RFPD um 30 Prozent. Zudem sterben weniger Säuglinge. 2005 waren es noch 97 von 1 000 lebendgeborenen Babys, im vergangenen Jahr 65. „Eine Frau will so lange viele Kinder, so lange sie befürchten muss, dass viele sterben“, erklärt Zinser.

Größtes Programm
RFPD engagiert sich nicht nur in Nigeria. Aber das Land treibt Zinser am meisten um. Im Juni startete das jüngste Projekt.  900.000 Dollar stehen dafür bereit, inklusive des Zuschusses des Bundes­ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Damit will RFPD die Familien­planung in 65 Hospitälern professionalisieren. „Es ist das größte Programm dieser Art, das wir je gemacht haben“, sagt Zinser. „Wir dürfen die Frauen nicht alleine lassen, wenn sie flehen: Helfen Sie mir, ich will kein Kind mehr bekommen.“


Weltweite Herausforderung
RFPD  Vor genau 20 Jahren, 1996, hat Robert Zinser die Rota­rian Action Group for Population & Development (RFPD) mitgegrün­det und gleichzeitig die deutsche Sektion aufgebaut.

Ihr Programm: In Entwicklungs- und Schwellenländern eine selbst­bestimmte ­Familienplanung aufbauen und die medi­zinische Betreuung von Babys und deren Müttern verbessern. Denn das beschleunigte Wachstum der Weltbevölkerung gefährdet oder verhindert sogar Wohlstand. Heute hat RFPD knapp 20.000 Mitglieder in rund 60 Ländern, allein der deutschen Sektiongehören rund 7000 ­Rotarier an. Sie finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.