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Kolumbus und die wahren Entdecker Amerikas

Forum - Kolumbus und die wahren Entdecker Amerikas
Landung von Christoph Kolumbus in der Neuen Welt. Neue Erkenntnisse lassen vermuten, dass er nicht der erste Europäer in Amerika war © Mauritius Images

1492 hat Christoph Kolumbus Amerika entdeckt. So heißt es. Doch er war nicht der Erste. Und es gibt sichere Hinweise, dass er es wusste und davon profitierte. Durch Karten, Berichte und Gerüchte war die Neue Welt der Alten längst bekannt

01.05.2019

In der Kathedrale von Sevilla, eine der noch heute größten Kirchen der Welt, steht das monumentale Grabmal des Mannes, der angeblich für die spanische Krone einen neuen Erdteil entdeckte. Bis heute wird Christoph Kolumbus (1451– 1506) als Entdecker Amerikas gefeiert. Doch war er das wirklich?

Ebenfalls in der Kathedrale hinter dem Chor ruht unter einer einfachen Grabplatte Kolumbus’ unehelicher Sohn Fernando, einer der angesehensten Kosmografen seiner Zeit. Ihm verdanken wir die bisher weitgehend unbekannten Informationen über den berühmten Vater. Er erbte dessen Bücher, Karten und persönliche Aufzeichnungen und stellte eine Bibliothek von angeblich 15.000 Bänden zusammen, mehrere Tausend Bände sind noch heute im Besitz des Domkapitels der Kathedrale. Sie wird heute gleich neben der Kathedrale in der Institución Colombina aufbewahrt.

Die Vinland-Sagas
Christoph Kolumbus hatte vor seiner gefeierten Entdeckungsfahrt fast die gesamte damals bekannte Welt bereist. In der Biblioteca Colombina erfahren wir von seiner Seereise in den hohen Norden nach Thule im Februar 1477. Mit Thule ist, so glauben Historiker heute, Island gemeint.

Kolumbus, der begierig alle Informationen sammelte, wird bei seinem Aufenthalt auf Island mit Sicherheit entweder die Handschriften selbst gesehen oder durch mündliche Berichte über die Heldentaten der Isländer erfahren haben. Die beiden Vinland-Sagas – die Saga von Erik dem Roten und die Grönländer-Saga – schildern detailliert die Fahrt ihres größten Helden Leif Eriksson gen Westen und seine Entdeckung Amerikas: Im Jahre 1000, als in Europa und Teilen Asiens die Welt ihrem Ende entgegenzitterte, betrat er als erster Europäer die neue Welt, die er Vinland nannte. Bis heute ist die genaue Lage umstritten. Dass die Nordmänner Amerika erreichten, beweisen die Überreste einer Wikingersiedlung in L’ Anse aux Meadows auf Neufundland, datiert um das Jahr 1000. Damit waren die Sagas als historische Quelle anerkannt und konnten nicht länger als bloße Mythen und pure Legenden abgetan werden.

Das in den Sagas beschriebene Vinland könnte den 26-jährigen Kolumbus bei seinem Aufenthalt auf Island auf die Idee gebracht haben, die sein weiteres Leben bestimmen sollte: ebenfalls die Fahrt über den Atlantik nach Westen zu wagen.

Doch vielleicht kam ihm die Vision schon im Jahr zuvor, 1476, als er in der Hafenstadt Bristol im Südwesten Englands weilte, wie wir aus Fernandos Bibliothek wissen. Bristol war der Ausgangspunkt für Fahrten nach Island und Grönland. In den Hafenkneipen trafen sich Seeleute aus der ganzen Welt und werden von zwei Atlantikfahrern geschwärmt haben: Schon im sechsten Jahrhundert soll der irische Mönch Brendan mit zwölf Gefährten ein mysteriöses Land weit im Westen erreicht haben. 1460 – also vor Kolumbus Aufenthalt in Bristol – erschien ein Bericht über seine Fahrt mit Illustrationen der Überfahrt.

Und eine weitere Überlieferung war damals in aller Munde: Der walisische Prinz Madoc soll um 1170 Amerika erreicht haben. Madoc war ein Sohn des historisch belegten Königs Owein Gwynedd. Madoc soll durch die Irische See über den Atlantik Kurs Südwest bis zur Mobile Bay in Alabama gefahren sein. Hier münden mehrere große Flüsse. Auf einem davon könnte er bis tief ins Innere des amerikanischen Kontinents vorgedrungen sein.

Der amerikanische Präsident Thomas Jefferson glaubte der Legende und ließ nach Spuren der Madoc-Expedition suchen: Angeblich wurde auf Hinweis eines Indianerhäuptlings am Ohio River ein Grabstein mit dem Datum 1186 entdeckt. Ein Skelett soll eine Brustplatte mit walisischem Wappen getragen haben. Doch sind weder Skelett noch Platte erhalten.

Die Waliser waren wohl vorher da …
Auch die Berichte von Reisenden aus dem frühen 19. Jahrhundert, die von einem Indianerstamm namens Mandan in der Gegend berichten, mit denen sie sich auf Walisisch unterhalten konnten, und Zeichnungen von Malern, die die ungewöhnlich helle Hautfarbe und die blauen Augen der Mandan hervorheben, können heute nicht mehr nachvollzogen werden, da der Stamm inzwischen praktisch ausgelöscht ist.

Ein unbestrittenes Indiz jedoch liefert ein Aquarell des Schweizer Malers Karl Bodmer, der 1832 die Mandan besuchte. Es zeigt ihre Boote, die auffällig nicht den Kanus anderer nordamerikanischer Ureinwohner ähnelten, sondern Coracles, einfachen runden Booten aus geteerter Tierhaut, wie sie noch heute in Wales zum Fischen verwendet werden.

Ihren größten Trumpf sehen die Wissenschaftler in Madocs Heimat in großen Steinblöcken, die überwuchert in den Wäldern von Tennessee und Ohio liegen. Bearbeitet mit Metallwerkzeugen, wie sie im Mittelalter in Europa gebräuchlich und den Ureinwohnern unbekannt waren. Auch die Lage der Ruinen spricht für typische europäische Höhenburgen: Strategisch günstig auf den Anhöhen von Ohio und Tennessee River gelegen, konnten sie die Flusstäler kontrollieren.

Ob es stimmt, dass 300 Jahre vor Kolumbus ein walisischer Prinz in Amerika war? In der englischsprachigen Literatur und im Netz wird es kontrovers diskutiert: Vielleicht sei die Legende nur ein Wunschdenken Großbritanniens, das mit Madoc seinen Anspruch auf die amerikanischen Kolonien begründen wollte.

Tatsache ist aber, dass Kolumbus von dem irischen Mönch und dem walisischen Prinzen in Bristol gehört haben wird. In der Biblioteca Colombina gibt es noch einen weiteren Hinweis auf eine Atlantiküberquerung. Eine arabische Chronik berichtet von einer Äußerung des malischen Königs Mansa Musa über die Fahrt seines Vorgängers Abubakari II. zum anderen Ufer des großen Meeres. Mit 2000 Schiffen sei er 1310 aufgebrochen, aber nie zurückgekehrt.

… und der König von Mali auch
1483 reist Kolumbus auf einem Handelsschiff zur Goldküste, dem heutigen Ghana. Die Straßensänger erzählen über Abubakaris Expedition. Eine auf den ersten Blick völlig unglaubwürdige, fantastische Geschichte, die aber immer mehr auch seriöse Anhänger gewinnt.

Das Großreich von Mali umfasste damals fast ganz Westafrika, besaß einen großen Atlantikhafen und war durch seine Goldvorkommen unfassbar reich. Die Universität in der Königsresidenz, der berühmten Oasenstadt Timbuktu, war das Zentrum arabischer Gelehrsamkeit. Abubakari besaß also die Mittel und seine arabischen Gelehrten das Know-how zur Atlantiküberquerung. Zudem kamen ihm nicht nur die Meeresströmungen, sondern auch die Passatwinde zu Hilfe. Kolumbus selbst beschreibt in seinem Bordbuch, wie er in der Karibik auf Stoffe und metallene Speerspitzen stieß, wie er sie aus Westafrika kannte, und dass ihm von schwarzen Bewohnern berichtet wurde.

Beweisen können wir zurzeit nur die Anwesenheit der Wikinger in Amerika, zu Madoc und Abubakari gibt es nur Indizien. Aber mit großer Sicherheit wird Kolumbus von den drei Atlantikfahrten und dem Land im Westen gehört haben. Er ist nicht naiv drauflosgesegelt, er fuhr nicht ins Ungewisse. Doch als er die Nachricht von der Existenz der Neuen Welt nach Europa brachte, läutete er mit der folgenden Erkundung, Eroberung und Ausbeutung einen Wendepunkt der Menschheitsgeschichte ein. Und deswegen gelangte er zu unsterblichem Ruhm.


Tv-Tipp
Die TV-Produktion „Kolumbus und die wahren Entdecker Amerikas“ von Gisela Graichen wird im Rahmen der Serie „Terra X“ am Sonntag, 2. Juni, um 19.30 Uhr im ZDF ausgestrahlt.