Standpunkt
„Lieber Freund, bleib auf absehbare Zeit zu Hause“
Wie sollte der Umgang mit Impfgegener und -skeptikern sein?
Wie sollen Rotarierinnen und Rotarier mit Covid-Impfgegnern und -skeptikern umgehen? Die Frage ist brisant, weil wir uns als Freunde verstehen, die fair miteinander umgehen wollen – nicht ausgrenzen, aber unsere Interessen, unsere Gesundheit wahren.
Auf beiden Seiten führt die Angst das Wort: Wer keine Impfung möchte, begründet dies mit seiner Furcht vor einem genetisch hergestellten Vakzin und eventuellen Spätfolgen. Ich glaube nicht, dass im rotarischen Kreis einer behauptet, Bill Gates habe Chips im Impfstoff versteckt, oder dass Rotarier Aluhüte tragen. Impfgegner passen auch gar nicht in eine Organisation, deren weltweit wichtigste Kampagne eine Impfkampagne ist. Das Unbehagen der Impfskeptiker, von denen viele nur auf andere Impfstoffe warten, ist zu respektieren. Wir vermeiden genetisch veränderte Lebensmittel, sollen uns aber genetisch hergestellte Impfstoffe spritzen lassen?
Auf der anderen Seite herrschen Vertrauen in die Vakzine mit minimalen Nebenwirkungen und die Angst vor einer Ansteckung. Unter Geimpften fühlen sich viele Clubmitglieder sicherer, zumal die häufiger notwendigen und teuren Schnelltests augenscheinlich unzuverlässig sind. Auch Impfungen schützen nicht sicher vor Ansteckung. Eine Momentaufnahme: Von den 260 Lübeckern, die Anfang September an Covid litten, waren 218 nicht oder nicht vollständig geimpft, 42 aber doch. Geimpfte infizieren sich also in nennenswerter Quote.
Was ist das Wohl aller Beteiligten und wem dient was?
In einigen Clubs kam es zu unschönen Szenen. Diskussionen gleichen oft dem missionarischen Austausch von Glaubensbekenntnissen. Angst ist mit Argumenten kaum beizukommen. Vielmehr ist Einfühlungsvermögen gefragt. Beide Seiten müssen anerkennen, dass wir noch zu wenig über Covid wissen. Statistiken über die Zahlen der vollständig Geimpften erweisen sich als ebenso schwammig wie die über die Wirksamkeit der Vakzine gegen die Delta-Variante und die über die Notwendigkeit einer Drittimpfung. In dieser Diskussion gibt es keine Sicherheit. Versuche, Impfgegner zu überzeugen, sind meiner Erfahrung nach meist fruchtlos. Doch
darum kann es gar nicht gehen. Es geht vielmehr darum, guten Gewissens sagen zu können: Lieber Freund, bleib auf absehbare Zeit zu Hause.
Ein Impfskeptiker beklagte sich darüber, dass Freunde nicht fair mit ihm umgingen, wenn sie ihn vom Kaminabend ausschlössen. Damit verstießen sie gegen eine der vier rotarischen Fragen. Doch auch die Gegenseite ist fit im Fragen: Wird es wohl dem Wohle aller Beteiligten dienen, sich nicht impfen zu lassen? Da ist die Rede vom „Gefährder“ und davon, dass jeder sich schon aus allgemein ethischen Gründen so zu verhalten habe, dass er niemanden anstecken könne. Und natürlich möchte sich kein Geimpfter tumbe Wissenschaftshörigkeit vorwerfen lassen.
Zurzeit wird darüber diskutiert, ob Veranstalter oder Gastronomen die 2G- oder die 3G-Regel anwenden sollen. 2G heißt, Zutritt haben nur nachweislich Geimpfte oder Genesene, 3G meint, dass zudem Getestete in Restaurants oder zu Veranstaltungen dürfen. Mag sein, dass im ein oder anderen Fall der Wirt sagt, nur Genesene oder Geimpfte dürfen ins Meeting- Lokal, dann sind Ungeimpfte außen vor.
Doch das löst nur einen Teil des Problems: Sollen wir diejenigen aus unseren Clubs, die ganz genau wissen können, wie sehr sie andere gefährden, im Auto mitnehmen, mit ihnen Ausstellungen besuchen, gemeinsam essen, sie zu Kaminabenden begrüßen? Schließlich pflegen wir ja auch private Kontakte über die rotarische Freundschaft hinaus.
Impfskeptiker stellen die Clubs vor unangenehme Entscheidungen. Eine allzu forsche Ordre du Mufti schließt womöglich gerade engagierte jüngere Clubmitglieder aus. Die unter 50-Jährigen stellen die größte Gruppe sowohl der Impfskeptiker als auch der Covid-Kranken. Scheuen die Präsidenten eine klare Ansage, riskieren sie Alarm im Club.
Ich kann allen Clubs nur dringend empfehlen, dieses Thema offen kontrovers zu diskutieren und klare Regeln aufzustellen. Dazu gehört auch die Erwartung, dass Rotarier, die sich bewusst den eindringlichen Empfehlungen aus Medizin, Politik, Kirchen und Wirtschaft verschließen, von sich aus ihren Freundeskreis auf absehbare Zeit meiden.
Die Gesellschaft hat zum Schutz ihrer Bürger allen ein Angebot gemacht. Wer dies ablehnt, dem kommt die Verpflichtung zu, durch eigenes Zutun seine Mitmenschen, erst recht seine Freunde, vor gesundheitlichem und wirtschaftlichem Schaden zu bewahren.
Gerade Rotarier und Rotarierinnen sollten diese Einsicht wenn schon nicht erwarten, so doch einfordern können.
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