Titelthema
Mangas, Mode und Sushi

Japan erfreut sich in Deutschland und Europa wachsender Beliebtheit. Dabei weiß kaum jemand um die alten Verbindungen. Über eine erfolgreiche Vergangenheit und hoffnungsvolle Zukunft
Die deutsch-japanischen Beziehungen haben eine lange Geschichte mit Licht und Schatten. Bereits vor der Öffnung Japans Mitte des 19. Jahrhunderts nach der selbst gewählten Isolation berichteten Engelbert Kaempfer (1651–1716) und Philipp Franz von Siebold (1796–1866) durch ihre wissenschaftlichen Schriften über Japan. 1861 wurden durch einen (ungleichen) Handels- und Freundschaftsvertrag zwischen Japan und Deutschland offizielle Beziehungen aufgenommen. Da die Modernisierung in beiden Ländern etwa zur gleichen Zeit begann (Japan 1868, Deutschland 1871), war Deutschland für Japan ein gutes Vergleichsmodell für den westlichen Modernisierungsprozess. Dies führte dazu, dass viele wichtige Bereiche wie Recht, Medizin, Militär und Ingenieurwesen, aber auch viele wissenschaftliche und kulturelle Bereiche wie Philosophie, Literatur, Sprache und Musik stark von Deutschland beeinflusst wurden und zahlreiche Experten aus Deutschland nach Japan eingeladen wurden.
Geistiger Austausch

Nicht nur viele deutsche Experten sind nach Japan gekommen, sondern auch viele Japaner haben in Deutschland studiert und geforscht. In verschiedenen Bereichen der Wissenschaft leisteten japanische Wissenschaftler bemerkenswerte Beiträge wie Kitasato Shibasaburô in der Tetanus-Forschung (1890). Der spätere oberste Militärarzt und bedeutende Schriftsteller Mori Ôgai (1862–1922) forschte in Berlin, Leipzig und München bei Robert Koch unter anderem auf dem Gebiet der Hygiene und fertigte neben dieser Tätigkeit zahlreiche literarische Übersetzungen an (etwa Goethes Faust) und öffnete den Japanern damit einen Zugang zur deutschen Kultur. In einer Debatte im Jahr 1886 mit dem Geologen Edmund Naumann, der als Experte lange in Japan war und der einen herabsetzenden Artikel über Japan schrieb und die Japaner vor einer kritiklosen Übernahme der europäischen Zivilisation warnte, rechtfertigte Ôgai die Europäisierung mit dem Hinweis auf die Überlegenheit der europäischen Kultur. Japan gilt als eine Nation, die eine eigene Modernisierung vollzogen hat in Balance zwischen der Verwestlichung und der eigenen Tradition. Und deshalb – so kann man aus heutiger Sicht sagen – gehört Japan zu den ganz wenigen nicht westlichen Ländern, die nie von den Europäern kolonialisiert wurden.
Die deutsch-japanischen Beziehungen waren nicht nur eine einseitige Beziehung, in der Deutschland immer die Rolle des Lehrers spielte. Als die deutsche Wissenschaft nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wegen der hohen Reparationszahlungen und der internationalen Isolation in eine Notlage geriet, gab es von japanischer Seite, insbesondere von Ärzten und medizinischen Organisationen, große Spendenaktionen, obwohl Japan im Krieg aufseiten der Alliierten gekämpft hatte. Unter anderem der Pharmaindustrielle Hoshi Hajime (1873–1951), der damals in ganz Asien als Pharmakönig bekannt war, finanzierte und spendete große Summen an die „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ (die heutige Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG) und förderte bedeutende Wissenschaftler wie Otto Hahn und Lise Meitner. Dies trug zur Entwicklung neuer Forschungsprojekte bei, die vor allem in den Bereichen Physik, Chemie und Ingenieurwissenschaften bahnbrechend waren. Hoshi setzte die versprochenen Spendenzahlungen über fünf Jahre fort, auch nachdem er und sein Unternehmen in eine Notlage geraten waren. Hoshi, der nicht einmal in Deutschland war, wollte damit der deutschen Wissenschaft, die einen großen Beitrag zum Aufbau der Wissenschaften in Japan geleistet hatte, seine Anerkennung und Dankbarkeit erweisen.
Mangas erobern die Welt
Nach dem für Deutschland und Japan verlorenen Krieg nahmen beide Länder 1952 ihre Beziehungen auf neuer Grundlage wieder auf. 1957 wurde ein Kulturabkommen geschlossen und seit 1974 bildet das Abkommen über die Zusammenarbeit in wissenschaftlicher Forschung und technischer Entwicklung die Grundlage für die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit. Im Jahr 2000 haben sich beide Länder in der „Agenda für die deutsch-japanische Partnerschaft“ darüber verständigt, in sieben wichtigen Bereichen der internationalen Politik eng zusammenzuarbeiten. Daneben gibt es viele bilaterale Dialog- und Kooperationsformate, bei denen sich beide Länder als Wertepartner verstehen, die gemeinsam das digitale Zeitalter mitgestalten wollen. In vielen wichtigen Zukunftsbereichen und Schlüsseltechnologien wie nachhaltige Energie, KI, Telekommunikation und anderen sehen sie sich als starke Partner, die sich gut ergänzen durch viele Synergiepotenziale.

Seit den 1990er Jahren gilt Japan als Soft Power in der Welt. Selbst die Regierung betreibt Nation-Branding und Werbung unter dem Motto „Cool Japan“, um ein positives Japan-Bild für das Land selbst zu nutzen. Mangas, Animes, Games und Ähnliches sind zu einem weltweiten Boom geworden. Junge Menschen auf der ganzen Welt lieben all diese Produkte, die durch ihre komplexen Handlungen und Charaktere ein tiefgreifendes Verständnis für die japanische Kultur und Gesellschaft ermöglichen. Nicht nur in der Populärkultur, sondern auch in vielen anderen Bereichen wie japanischem Essen und Mode ist Japan heute als Verkörperung eines besonderen Lifestyles und Lebensgefühls außerordentlich populär. Manche sprechen daher von einem Post-Japonismus, ähnlich dem Japonismus um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, der berühmten westlichen Künstlern wie van Gogh, Monet, Manet und vielen anderen zum Durchbruch ihrer Kunst in die Moderne verhalf und die „Revolution des Sehens“ hervorbrachte. Die japanische Kunst wurde zu einer der wichtigsten Quellen der westlichen Moderne. Der Jugendstil war von japanischen Stilelementen beeinflusst, die Expressionisten bekamen wichtige Anregungen, und auch Mitglieder der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ beschäftigten sich mit der japanischen Kunst. Der Architekt Bruno Taut, der selbst einige Jahre in Japan lebte, war ein großer Bewunderer der traditionell japanischen Architektur als Vorbild der modernen westlichen Architektur. Aber der Japonismus reichte weit über die Kunst und Ästhetik hinaus bis zu einem „Japonismus der Philosophie“, etwa bei Heidegger.
Gemeinsame Werte
Im Zuge des Post-Japonismus gibt es in Deutschland inzwischen junge Künstler, die von der japanischen Populärkultur inspiriert ihre eigenen innovativen Manga-Werke schaffen. Es gibt viele junge Menschen, nicht nur Studierende, sondern auch Kinder, die von japanischen Populärkulturmedien begeistert sind und manchmal aus eigenem Antrieb Japanisch lernen, um ihre Lieblingsgeschichten auf Japanisch lesen und erleben zu können. Ihre Ernsthaftigkeit und Leidenschaft sind nicht zu unterschätzen als Grundlage für eine zukünftige deutsch-japanische Beziehung. Den Austausch von Jugendlichen und jungen Menschen zwischen Japan und Deutschland zu fördern, wäre für eine gemeinsame Zukunft wichtig.
Japan und Deutschland befinden sich heute in einem weltweiten Technologiewandel und in der KI-Revolution. Darüber hinaus erleben wir weltpolitisch in vielerlei Hinsicht eine Regression. Statt in kollektive Depression zu verfallen, sind Stärke und Qualität gefragt. Deutschland und Japan können auf verschiedenen konkreten Feldern zusammenarbeiten und ihre jeweiligen Stärken verbinden. Vor allem aber für die Neuordnung der Weltpolitik, in der wir unter der Bedrohung durch Russland und China leben und uns nicht mehr auf die USA verlassen können, wäre eine stärkere weltpolitische Rolle und ein stärkeres weltpolitisches Engagement Deutschlands und Japans auf der Grundlage einer demokratischen Neuordnung notwendig. Die gemeinsamen Werte von Menschenrechten, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Vielfalt müssen in unseren freiheitlich-demokratischen Rechtsstaaten Japan und Deutschland aufrechterhalten bleiben. Auf diese Qualität und Innovationskraft gilt es jetzt zu setzen und positiv in die Zukunft zu blicken. Ich glaube an diese Qualität und an die Zukunft, die Deutschland und Japan durch eine verstärkte Zusammenarbeit erreichen können.
Galerie Buchkunst Berlin
Die Galerie präsentiert klassische und zeitgenössische Positionen der Fotografie und fotobasierender Kunst. Die 2021 von Ana Druga und Thomas Gust gegründete Galerie organisiert vier bis sechs Ausstellungen pro Jahr. Die Publikation künstlerischer Fotobücher ist Teil ihrer DNA. 2018 wurde dafür der Fotobuchverlag „Buchkunst Berlin“ gegründet.
