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Standpunkt

„Nur mit spitzen Fingern“

Standpunkt - „Nur mit spitzen Fingern“
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Viele Gründe, warum Journalisten – mal abgesehen von Berichten über Clubaktionen in kleinen Lokalzeitungen – eher selten über Rotary schreiben, sind hausgemacht.

01.01.2020


Zur Person
Axel Schuller, RC Bremen-Bürgerpark, war bis 2015 Chefredakteur des Weser Report und ist heute freier Journalist.


Es gibt Themen, die fassen Journalisten nur mit spitzen Fingern an. Dazu gehört Rotary. Das liegt zum Teil an uns selbst und unserem Image – wobei es einen Unterschied zwischen Land und Großstadt gibt.

In kleineren Städten und insbesondere auf dem Land verstehen sich Rotary Clubs vorrangig als Freundeskreise mit Serviceanspruch. Sie sind Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, bei Festen präsent. Darüber berichten Lokalzeitungen nahezu automatisch. In Großstädten mit mehreren Clubs tritt dieser Aspekt in den Hintergrund. Dort geht es häufig mehr um das Netzwerk als um den Servicegedanken – obwohl Spenden zum Glück reichlich fließen. Gleichwohl: Dort ist Rotary eher ein elitärer Kreis. Beispiel: Zieht eine neue Führungskraft in die Großstadt, rangeln Clubs schon mal um die Aufnahme dieser Persönlichkeit. Die rotarische Idee der Service-Institution spielt dabei keine Rolle.

Vor diesem Hintergrund, geschlossener Kreis und dazu die Problematik, dass es in der Großstadt nicht den Rotary Club, sondern mehrere gibt, werden wir als indifferent wahrgenommen.

Standesdünkel kommt nicht gut an
Extrem negativ kommt in Redaktionen an, dass sich einige Clubs bis zum heutigen Tag Frauen verschließen. So gelten wir schon mal gerne als Ansammlung „alter, weißer Männer mit viel Geld“. Ein Bild von uns, das – befürchte ich – nicht nur in Redaktionsstuben existiert. Drei Viertel der Allgemeinheit haben schon mal von Rotary gehört. Aber nur eine Minderheit hat eine vage Vorstellung von dem, was uns antreibt und was wir machen. Journalisten sind da auch nicht besser (informiert). Frei nach dem Motto „Wir haben keine Vorurteile, aber wir pflegen sie“ hört man selbst heute noch aus Mündern von Medienvertretern ein verwundertes „Ach, Frauen werden auch aufgenommen“.

Standesdünkel bleiben engagierten Journalisten nicht verborgen. Sie sind von Berufs wegen darauf geeicht, den Mächtigen – und dazu gehören nun mal einige Rotarier und Rotarierinnen – besonders auf die Finger zu schauen.

Wer als Rotarier „Chef“ ist und damit bestimmt viel Geld verdient, kann sich natürlich die paar Euro als Spende locker erlauben. So eine weitere Denke in einigen Journalistenköpfen.

Forscher der Uni Mainz rechnen übrigens einen bedeutenden Teil der deutschen Journalisten dem grün-roten Gedanken­spektrum zu. Unabhängig davon, ob dies nun stimmt: Rotarys Ruf ist alles andere als grün-rot!

Wie kann Rotary besser nach außen wirken?
Wenn wir das überwiegend selbst erschaffene Image der Elite abstreifen wollen – um für neue Mitglieder, beispielsweise auch für Handwerker ohne Cheftitel attraktiv zu werden –, dann sollten wir uns öffnen. Statt ausschließlich Projekte mit Geld zu unterstützen, können wir Rotary ein Gesicht verleihen. Auch in größeren Städten.

Wie wäre es, wenn wir mehr Hands- on-Projekte anpackten und uns dabei für die Öffentlichkeit erlebbar machten? Schöner Nebeneffekt: Clubfreunde, die – gerne unter Einbe-ziehung ihrer Familien – miteinander handwerkern oder auch Selbstgemachtes auf einem Fest verkaufen, können Spaß zusammen haben und dabei Gutes tun. Rotaract ist auf diesem Feld ein sehr guter Lehrmeister.

Apropos Rotaract: Der bislang eher verschmähende Umgang – sprich kaum Beachtung – mit den Rotaractern nach deren Ausscheiden mit 32 (demnächst 36 Jahren) spricht Bände. Wenn wir Rotaract gegenüber zu lange reserviert bleiben, wollen die Jungen womöglich gar nicht mehr zu Rotary wechseln!
Die offizielle Nicht-Zugehörigkeit von Inner Wheel zur rotarischen Familie wiegt mindestens ebenso negativ. Statt die Frauen von Rotariern, die im Krieg Rotary Clubs in Gang hielten und auch heutzutage häufig zum Gelingen der Hands-on-Aktivitäten beitragen, außen vor zu lassen, plädiere ich für den umgekehrten Weg: Holt die Inner Wheelerinnen in die Rotary Clubs. Sie kennen das Clubleben ohnehin und können uns bereichern.

Noch mal zur Außenwirkung: Ein Rotary, das sich mehr in der Öffentlichkeit zeigt, wird für diese interessanter. In Anlehnung an einen Ford-Claim: „Die tun ja was!“ An diesem Rotary könnten Medien nicht so leicht vorbeischauen. Und: Wenn mehr über Rotary als zupackende Clubs berichtet würde, könnten wir eher neue Mitglieder gewinnen.

Über allem aber schwebt die Kernfrage: Versteht sich Rotary weiter als berufliche Elite-Ansammlung, deren Mitglieder vor der Berufsbezeichnung ein „Chef-“ tragen müssen? Oder sollen auch sozial engagierte Menschen sowie „Spät-Rotaracter“ und Inner Wheelerinnen aufgenommen werden? Und: Was spricht dagegen, dass sich Menschen um eine Mitgliedschaft bewerben, weil sie der Allgemeinheit dienen wollen? Wir sollten das nicht länger als Tabubruch empfinden.

Selbstloses Dienen hängt nicht von der beruflichen Hierarchiestufe eines Menschen, sondern einzig von dessen Charakter ab.

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