https://rotary.de/gesellschaft/ohne-satelliten-kein-krieg-a-24662.html
Titelthema

Ohne Satelliten kein Krieg

Titelthema - Ohne Satelliten kein Krieg
2024: Vater und Sohn beobachten den vierten Teststart der Starship-Rakete von SpaceX im Isla Blanca Park im US-Bundesstaat Texas. Ein paar Meilen nördlich befindet sich der Startplatz der SpaceX-Starbase in Cameron County © Meridith Kohut/nyt/redux/Laif

In der Ukraine offenbaren sich die frappierenden Abhängigkeiten der beiden Kriegsparteien vom Weltraum – dort entscheidet sich die Verteidigungsfähigkeit.

Juliana Süß01.01.2025

Die Dimension Weltraum ist ein wesentliches Element der modernen Verteidigung. Berühmte Beispiele sind unter anderem der Cyberangriff auf den Satelliten-InternetAnbieter Viasat am Morgen der groß angelegten Invasion der Ukraine. Kurz darauf die Lieferung von Starlink-Terminals, die den Drohnenkrieg in der Ukraine mit ermöglichen. Doch wie sehr sind Weltraum und Verteidigung bereits verwickelt, und wie abhängig ist die moderne Verteidigung von Satelliten? Kurzum: sehr.

Moderne Heere verlassen sich auf den Weltraum für Navigation, Kommunikation sowie Aufklärung. Das britische Militär gibt bereits an, dass die Mehrheit von Kommunikationen außerhalb der Sichtlinie, man denke an Schiffe und Flugzeuge, über Satelliten abgewickelt wird – darüber hinaus, dass die Mehrheit von militärischen Operationen ohne den Weltraum nicht aufrechtzuerhalten sei. Deutschland gibt sich da noch etwas zurückhaltender, auch wenn die Nationale Sicherheitsstrategie bereits angibt, dass „die freie und ungehinderte Nutzung des Weltraums […] für unsere Sicherheit unverzichtbar ist“.

Fallbeispiel Ukraine

Satellitendienste sind aus dem Krieg in der Ukraine nicht mehr wegzudenken. Die Satellitenbilder von russischen Truppen beim Einmarsch in die Ukraine gingen um die Welt. Dabei waren auch die Bilder vom militärischen Aufbau russischer Truppen an der Grenze in den Wochen zuvor entscheidend: Die US-Regierung kaufte Satellitenbilder aus der Region auf dem kommerziellen Markt und spielte diese direkt an das eigene Europa-Kommando, die Nato und die Ukrainer weiter. Zudem waren es Satellitenbilder, die es ermöglichten, die Gräueltaten von russischen Truppen in Butscha aufzudecken. Die Ukraine erhält Informationen über den Aufenthalt von russischen Truppen in Echtzeit – Teil dieser Informationen sind auch Satellitenbilder, welche für die Zielerfassung genutzt werden.

Russland benutzt auch Satellitenbilder – es ist bekannt, dass es diese bereits seit April 2022 auf dem kommerziellen Markt einkauft. Zudem wurde eine chinesische Firma sanktioniert, da diese angeblich Radaraufnahmen an die paramilitärische Organisation Gruppe Wagner weiterreichte. Dies lässt darauf schließen, dass Russland es trotz Sanktionen schafft, sich mit kommerziellen Satellitenbildern auszustatten. Aufgrund der eigenen relativ veralteten Flotte von Erdbeobachtungssatelliten dürfte es Russland schwerfallen, Satellitenbilder von den eigenen Kapazitäten effektiv einzusetzen.

Satellitennavigation ist ein anderes entscheidendes Element. Russland hat hier ein eigenes System namens Glonass, welches ähnlich wie das amerikanische GPS funktioniert. Russland scheint auch hier Probleme zu haben, die Konstellation zu erhalten – Korruption, Sanktionen und die Abwanderung von Fachkräften zerrüttet die Weltraumindustrie im Land schon seit Längerem. Es gibt anekdotische Hinweise darauf, dass russische Truppen sich nicht gänzlich auf das eigene System verlassen können. Zum Beispiel wurden russische Fighterjets gefunden, auf deren Armaturenbretter zivile GPS-Receiver geklebt waren.

Auch Waffensysteme, die in die Ukraine abgefeuert werden, sind zum Teil von GPS abhängig. So wird auch das Stören von GPS-Signalen, betrieben vom russischen Militär, kurz vor Luftangriffen aufgehoben, um den Flugkörpern die Zielerfassung zu ermöglichen. Auch westliche Waffensysteme benötigen GPS. Der Marschflugkörper Storm Shadow zum Beispiel verlässt sich ebenso auf Satellitennavigation durch GPS wie ein inertiales Navigationssystem und die Terrain Referenced Navigation. Mehrere Systeme dienen dazu, die Steuerung zu erhalten, auch wenn eines der Systeme ausfällt oder gestört wird. Ein inertiales Navigationssytem ist hierbei hilfreich, da es sich nicht auf externe Signale verlässt und somit resilienter ist. Jedoch können sich leichte Abweichungen einschleichen, wodurch so ein System über lange Strecken nicht ausreicht.

Kommunikationsfähigkeit ist entscheidend

Zuletzt ist da die Satellitenkommunikation. Bereits am Morgen der groß angelegten Invasion am 24. Februar 2022 wurde der Internetanbieter Viasat, dessen Dienste sich auf Satelliten verlassen, durch einen Cyberangriff massiv beeinträchtigt. Das Ziel hierfür war vermutlich, die Kommunikationsdienste des ukrainischen Militärs, eines Viasat-Kunden, zu beeinträchtigen. Wie schwer deren Kommunikationsfähigkeit hiervon eingeschränkt war, ist jedoch nicht gänzlich klar. Kurz danach kam Starlink ins Spiel: ebenfalls ein Internetanbieter, dessen Dienste von mehr als 7000 Satelliten gestützt werden. Dies ermöglichte unter anderem den Einsatz von Drohnen, welche bereits eine entscheidende Rolle im Krieg gespielt haben. Das russische Militär kann sich womöglich nur wenig auf die Satellitenkommunikation stützen – das liegt an der Verfügbarkeit von Satellitendiensten, die veraltet und somit vermutlich nur schwer taktisch einsetzbar sind, sowie an der Hierarchiestruktur des russischen Militärs, in dem die Kommunikation einer vertikalen Führungsstruktur unterliegt, welche die Agilität der Truppen beeinträchtigt.

Der Weltraum als Schlachtfeld?

So nützlich die Dimension Weltraum im militärischen Bereich ist, so sehr wird sie selbst zur Zielscheibe. Denn Satelliten wie Bodenstationen und die Signale dazwischen sind allesamt angreifbar. Keine zwei Jahre vergingen zwischen dem erfolgreichen Start des ersten Satelliten und dem erfolgreichen Test einer Anti-SatellitenRakete. Die ersten Waffen gegen Satelliten waren hier noch Raketen, die von der Erde aus gestartet wurden, um dann einen Satelliten in der erdnahen Umlaufbahn zu treffen. Die USA, Russland, China und Indien verfügen über diese Kapazität – und alle haben sie getestet. Zudem hat Russland bis in die 1990er Jahre auch co-orbitale Waffen getestet – also Satelliten, die sich in der Umlaufbahn befinden und von dort aus anderen Satelliten schaden können. Bisher gab es jedoch noch keinen kinetischen Angriff auf den Satelliten eines anderen Landes.

Doch tatsächlich muss ein Akteur keine Weltraummacht sein, um einen Satelliten lahmzulegen – und auch kein Raketenprogramm ist dringend notwendig. Denn auch Bodenstationen können durch Cyberangriffe gehackt und somit angegriffen werden. Im Extremfall könnten die Angreifer sogar die Kontrolle eines Satelliten übernehmen. Die Signale, die zwischen Satelliten und Bodenstationen bestehen, können außerdem gestört oder gar ersetzt werden – zum Beispiel durch Falschinformationen. Das Stören von Satellitensignalen, das sogenannte Jamming, soll verhindern, dass Signale empfangen werden können – GPS-Signale zum Beispiel, wie bereits im Ukraine-Krieg beobachtet werden konnte. Zudem kommt das „Spoofing“, also das Ersetzen des Signals. Auch das konnten wir im Nordosten Europas erkennen – der zivile Luftraum wurde hierdurch beeinträchtigt. So kam es dazu, dass der Receiver angab, dass das Flugzeug über dem Flughafen Kreise dreht, auch wenn dies gar nicht der Fall war.

Der Weltraum ist bedeutend – als Ermöglicher von militärischen Diensten wie Kommunikation, Navigation und Aufklärung. Durch den Nutzen jedoch wird der Weltraum auch selbst zur Zielscheibe. Es gilt daher, Satelliten und ihre Dienste zu schützen, um den Weltraum nicht zu einer Schwachstelle werden zu lassen, denn die moderne Verteidigung ist ohne den Weltraum schlicht und einfach nicht mehr denkbar.

Juliana Süß

Juliana Süß ist Wissenschaftlerin im STAND-Team (Strategic Threat Analysis and Nuclear (Dis-)Order) in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zuvor war sie Research Fellow für Weltraumsicherheit am Royal United Services Institute in London.