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Kenia

Rotarier adoptieren 36 Dörfer

Das Global-Grant-Projekt des RC Neunkirchen/Saar, eines der ersten Future-Vision-Projekte, ist ein Paradebeispiel für moderne Entwicklungszusammenarbeit. Bereits nach einem Jahr können bemerkenswerte Erfolge verzeichnet werden

Michael Finkler07.11.2012

Der Rotary Club Neunkirchen/Saar hat im August 2011 ein umfangreiches Global-Grant-Hilfsprojekt im Westen von Kenia gestartet. Dabei „adoptiert“ der Club im Distrikt Rarieda eine Gemeinde (Central Uyoma) mit 36 Dörfern, 3500 Haushalten und 12.000 Menschen. Die Hilfsmaßnahmen konzentrieren sich auf die Eindämmung von Krankheiten, die medizinische Versorgung, die gezielte Förderung notleidender Familien, die Aufklärung in Schulen sowie den Aufbau der Eigenversorgung der Familien. Gemeinsam mit dem rotarischen Partnerclub Nairobi Utumishi in Kenias Hauptstadt, der Rotary Foundation sowie der kleinen in der Region ansässigen Hilfsorganisation „RAFIKI wa maendeleo“ werden diese Hilfsleistungen organisiert und ausgeführt.

Leben unter der Armutsgrenze

Der Distrikt Rarieda, am Viktoriasee gelegen, gehört zu den ärmsten Regionen Kenias. 70 Prozent der Menschen haben weniger als einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung und leben somit unter der Armutsgrenze. Die HIV- und Malariaraten sind die höchsten im Land. 24 Prozent der Menschen sind mit HIV infiziert. 35 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind Waisen. Viele Menschen sind  notleidend und durch Krankheiten geschwächt. Das Global-Grant-Projekt basiert auf einigen Grundphilosophien und ist beispielhaft für moderne Entwicklungszusammenarbeit. So wurden die Bevölkerung, die Dorfkomitees, die Dorfältesten und die kenianischen Behörden von Anfang an aktiv eingebunden. Das daraus resultierende Engagement der Menschen und die entstehende Eigendynamik ermöglichen nachhaltige Veränderung und aktive Mitarbeit.
Weiterhin steht die Prävention von Krankheiten anstelle der Behandlung erkrankter Menschen im Vordergrund. Das Projekt zielt primär auf die Stärkung, Ausbildung und Betreuung von Frauen und Mädchen, da sie meist das Rückgrat der Dorfökonomie bilden. Mit der gezielten Auslieferung von Pflanzen und Tieren zum Aufbau der Eigenversorgung in besonders notleidenden Familien wird die Armut der Menschen bekämpft. Die betreuten Familien müssen dabei Engagement und Verantwortung übernehmen. „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist das Ziel.

Hilfe zur Selbsthilfe

Zu Beginn des Projektes wurden 42 meist einheimische Mitarbeiter eingestellt, die größtenteils von der Bevölkerung ausgewählt wurden. Dieses Rotary-Projektteam hat die Betreuung der 3500 Familien mit mehr als 12.000 Einwohnern und der zwei Krankenstationen übernommen. Diese beiden Krankenstationen werden renoviert und funktionsbereit aufgebaut. Das Personal der Krankenstationen wird intensiv geschult. 4800 Kinder und Jugendliche werden in den Schulen und Waisenhäusern in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Verhütung und Hygiene unterrichtet und regelmäßig untersucht. 800 besonders notleidende Familien erhalten Nutzpflanzen, Bienenvölker, Ziegen und Hühner sowie gezielte Ausbildung und Betreuung beim Aufbau der Eigenversorgung.

Das Projekt hat, bei einer Laufzeit von zwei Jahren, ein Gesamtvolumen von beträchtlichen 440.000 Dollar. Der rotarische Anteil daran beträgt 261.000 Dollar. Der RC Neunkirchen übernahm 121.000 Dollar zuzüglich Sonderzahlungen in Höhe von 30.000 Dollar. Die Finanzierung gestaltete sich einfacher als erwartet. In anderthalb Jahren konnte der Club 146.000 Euro an Spendengeldern einwerben. Damit erzielte der RC Neunkirchen/Saar die höchste Spendenleistung aller deutschen Rotary Clubs. Zahlreiche Nachbar- und Partnerclubs halfen, mit teils beträchtlichen Spenden, die Finanzierung sicherzustellen.

Beachtliche Ergebnisse

Nach einem Jahr Laufzeit ist die Bilanz sehr zufriedenstellend. Die Zusammenarbeit mit der kleinen, vor Ort ansässigen Hilfsorganisation RAFIKI, die geleitet wird von der Rotarierin Michele Ostertag, ist effizient und verlässlich. Regelmäßige Aufenthalte und Arbeitseinsätze der Freunde des RC Neunkirchen in der Hilfsregion sind hilfreich und sichern den Projekterfolg. „Die bisherigen Problemstellungen konnten gemeinsam gelöst werden“, so Axel von Bierbrauer, der Leiter des medizinischen Projektteils.  
Mittlerweile wurden im Rahmen des Projektes drei Motorräder, 37 Fahrräder und ein Allrad-Geländefahrzeug ausgeliefert. Die Krankenstationen wurden renoviert. Die Seefracht eines Containers mit medizinischen Geräten ist vorbereitet. Bienenvölker, Ziegen und Hühner sowie zahlreiche Nutzpflanzen wurden den Familien zur Verfügung gestellt. Ausbildungen zu Näherinnen, Schreinern und Maurern wurden durchgeführt. 3500 Familien werden regelmäßig besucht und betreut. Die Gesundheitserziehung an 16 Schulen und fünf Waisenhäusern findet nach Plan statt.

Bereits nach zwölf Monaten ist die Anzahl von Malariainfektionen, Durchfallerkrankungen und geburtsbedingten Mutter-/Kindestodesfällen deutlich rückläufig. Die Notwendigkeit zur Malariabehandlung von Kindern unter fünf Jahren konnte um 82 Prozent verringert werden, die zur Behandlung von Malaria während der Schwangerschaft konnte um 68 Prozent gesenkt werden. Die Impfungen von Kindern haben um 88 Prozent zugenommen. 81 Prozent der Haushalte haben mittlerweile zur Prävention von Durchfallerkrankungen die Toiletten entfernt von den Häusern errichtet. 75 Prozent der Schwangeren nehmen mittlerweile an der Vorsorge in den Krankenstationen teil. Nach der Instandsetzung der Krankenstationen stieg die Anzahl der betreuten Geburten um 87 Prozent. Die Zahl der Teenagerschwangerschaften sank in den ersten drei Quartalen um beträchtliche 29 Prozent. Die Lehrer in den betreuten Schulen bescheinigen gestiegene Schulbesuche und merkliche Verhaltensänderungen. Kinder und Jugendliche entwickeln Eigeninitiative und tragen das Wissen in ihre Familien und Dörfer. Aufgrund der gestiegenen Eigenversorgung konnten 70 Prozent der betreuten Haushalte die Kosten für Käufe am Markt reduzieren. 48 Prozent der Familien können drei Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen. 64 Prozent der Kinder verzeichnen mittlerweile ein Normalgewicht.

Effiziente Abwicklung

Nach diesen ermutigenden Erfahrungen blickt der Club positiv in die Zukunft. Um eine hohe Nachhaltigkeit und Kontinuität zu gewährleisten, diskutiert der RC Neunkirchen/Saar bereits die Durchführung eines Nachfolge-Global-Grants. Die Beantragung und die Administration eines Global Grant ist durch die Online-Plattform der Rotary Foundation einfach und transparent. Die Zusammenarbeit mit der Foundation und Rotary Deutschland Gemeindienst (RDG) war flexibel und effizient und macht gleichzeitig allen rotarischen Clubs Mut, auch größere Global-Grant-Projekte zu starten.