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Spiegel der Ottonen-Zeit
Im Merseburger Dom erinnert eine Ausstellung an den großen Zeugen des Mittelalters Bischof Thietmar von Merseburg und an dessen Chronik
Bischof Thietmar von Merseburg (976–1018) hat mit seiner Chronik eines der bedeutendsten Geschichtswerke des Mittelalters hinterlassen. Für das Zeitalter der Ottonen stellt sein Werk die wichtigste erzählende Quelle dar. Als Reichsbischof hat Thietmar von Merseburg nicht nur die politischen Vorgänge seiner Zeit beobachtet, sondern vielmehr auch religiöse, kulturelle, wirtschaftliche und ethnologische Beobachtungen mitgeteilt.
Der 1000. Todestag Bischof Thietmars von Merseburg gibt Anlass, sich im Rahmen einer kulturhistorischen Ausstellung dem Menschen Thietmar, seinem Werk sowie der darin geschilderten Welt vor 1000 Jahren zu widmen. Den Raum dafür geben Thietmars Wirkungsstätte, der Merseburger Dom, sowie die gegenüber des Doms gelegene Domherrenkurie „Curia Nova“ (Willi-Sitte-Galerie) ab.
Nähe zu Heinrich II.
Thietmar entstammte der weit verzweigten Familie der Grafen von Walbeck. Seine Ausbildung erhielt er im Stift Quedlinburg sowie an der Magdeburger Domschule, wo er auf Brun von Querfurt traf. Nach 1004 gewann er schnell das Vertrauen des Magdeburger Erzbischofs Tagino und suchte die Nähe zu König Heinrich II., der ihm anlässlich seiner Priesterweihe 1004 in Allstedt eine Kasel schenkte. Es war Taginos Einfluss zu verdanken, dass Thietmar 1009 Merseburger Bischof wurde. Hartnäckig stritt er in geistlicher und weltlicher Hinsicht für seine Merseburger Kirche und konnte König Heinrich II. zu zahlreichen Zugeständnissen bewegen.
1012 begann Thietmar von Merseburg mit der Niederschrift seiner Chronik, wobei er das Ziel verfolgte, die Geschichte Merseburgs in Erinnerung zu rufen und die ottonischen Herrscher mit ihrem Wirken vor Augen zu führen. Unter Thietmars Ägide wurde das Totengedenken der Ottonen von Quedlinburg nach Merseburg verlagert. 1015 legte Thietmar die Grundsteine zum Neubau des Merseburger Doms, dessen Weihe 1021 er nicht mehr erleben sollte.
Stationen eines Lebenswerks
Die Ausstellung bietet einen Gang durch die Chronik Thietmars und geht dabei auf die Wesensmerkmale dieses mittelalterlichen Lebenswerks ein: die Entstehung des christlichen Europa, die Kraft der Memoria und die Bedeutung der Tugenden für das mittelalterliche Menschenbild. Akribisch zeichnet Thietmar den Übergang der großen Reiche und Stämme des Mittelalters zum Christentum auf: Slawen, Dänen, Polen, Böhmen und Ungarn. Dabei hebt er immer wieder die Leistung der Ottonenherrscher als Könige und Kaiser hervor.
Die Erzbischöfe, Bischöfe, Herzöge und Grafen als „Säulen des Reiches“ werden als tugendhafte Berater und Helfer des Königs dargestellt, die jedoch auch in Gegensatz zu diesem geraten konnten. So schildert Thietmar zahlreiche Konflikte und deren Beilegung, wobei er stets seine Meinung äußert – ein Novum in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung. Wie im Merseburger Totenbuch hielt Thietmar in seiner Chronik die Todesdaten zahlreicher Personen fest, die zur Führungsschicht des Reiches gehörten und setzt ihnen damit ein ewiges Denkmal. Geschickt webt der Chronist immer wieder alltägliche Szenen, wie Gefahren durch wilde Tiere, Hungersnöte, Reisen mit dem Schiff, Sitten und Gebräuche verschiedener Völker, aber auch Geistererscheinungen, Sonnenfinsternisse und Traumbilder ein.
Leihgaben aus ganz Europa
Dieses farbige Bild der Chronik vermag die Ausstellung durch aussagekräftige Objekte wie wertvolle Handschriften, prachtvolle Goldschmiede- und Elfenbeinarbeiten sowie eindrucksvolle archäologische Funde widerzuspiegeln. Leihgeber sind u.a. das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle, die Sächsische Landesbibliothek Dresden, die Staatsbibliothek zu Berlin, das Dänische Nationalmuseum in Kopenhagen, das Norwegische Nationalmuseum in Oslo, das Domschatzmuseum in Mailand, die Tschechische Nationalbibliothek in Prag, das Domschatzmuseum in Mainz sowie das Kunsthistorische Museum in Wien.
Anhand herausragender Leihgaben werden die Erzählungen Thietmars lebendig und können dem Besucher Schritt für Schritt in der Ausstellung näher gebracht werden. So sind erstmals alle mittelalterlichen Textzeugnisse der Thietmar-Chronik (aus Dresden, Gotha, Brüssel) in Merseburg versammelt.
Schmuckstücke der Ausstellung
Die Breite der Leihgeber spiegelt die Vielfalt der in der Chronik Thietmars gebotenen Nachrichten wieder. So verweist eine Nachbildung der Reichskrone auf die Kaiserkrönung Ottos I. in Rom 962, während ein polnischer Helm die Kriegszüge Heinrichs II. gegen Boleslaw Chrobry illustriert. Eine unscheinbare Vogelfigur kündet von dem Bericht Thietmars, wonach sich zu seiner Zeit unheilbringende Vögel zeigten, die den Tod eines Menschen ankündigten. Damit vermag die Ausstellung nicht nur die große Reichspolitik zu zeigen, sondern auch die regionale Geschichte bis hin zu den Vorstellungen und Nöten einfacher Menschen wie slawischer Höriger, freier Bauern und der Priester im jungen Merseburger Bistum.
So verdanken viele Orte im Saalekreis ihre Ersterwähnung der Chronik Thietmars, wie z.B. Korbetha und Geusa (Spergau kurze Zeit später, 1040, durch eine Schenkung an Thietmars Amtsnachfolger). Diese Spannbreite der Chronik vermag die Ausstellung anschaulich zu vermitteln, da sie ihren besonderen Reiz aus der Verbindung von Chroniktext und Ausstellungsobjekt bezieht. Durch einen Katalog mit zahlreichen Essays erhält die Ausstellung einen dauerhaften Platz in der Forschungswelt sowie der kollektiven Erinnerung.
So soll für die Ausstellung dasselbe Motto gelten, das Thietmar von Merseburg vor 1000 Jahren seiner Chronik vorangestellt hat: „Wer immer mit einem bedeutenden Werke hervortritt, erhofft sich davon Nutzen für Gegenwart und Zukunft, je nach Geschick und Begabung möglichst große Verbreitung der ihm anvertrauten Dinge und ihre Überlieferung zu immerdar lebendigem Erinnern.“
Der Merseburger Dom bildet zusammen mit dem Naumburger Dom und dem Kollegiatstift Zeitz die Vereinigten Domstifter (siehe Rotary Magazin 12/2017). Am 30. Juni 2018 wurde der Naumburger Dom von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.
Die Kathedrale wurde im 13. Jahrhundert errichtet und zählt zu den bedeutendsten Gotteshäusern des europäischen Hochmittelalters. Berühmt ist der Dom vor allem für die von dem unbekannten „Naumburger Meister“ geschaffenen zwölf Stifterfiguren (u.a. Uta und Ekkehard von Meißen), die zu den wichtigsten Kunstwerken der Epoche gehören.
Auszeichnung auch im Norden
Ebenfalls in die Reihen der Welterbestätten aufgenommen wurde von der UNESCO der WikingerHandelsplatz Haithabu und die Festungsanlage Danewerk in Schleswig-Holstein.
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