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Titelthema

Toskanisches Kleinod mit Ausblick

Einst Schutz für Zitronen im Winter – nun ein besonderes Quartier. Über den Umbau einer sanierungsbedürftigen Limonaia in Florenz

Klaus Froboese 01.08.2017

Die Geschichte unserer Limonaia begann, als zwei Schweizer En­trepreneurs unserer Familie im 19. Jahrhundert mehr oder minder freiwillig nach Italien auswanderten, um in Florenz die Strohindustrie voranzutreiben und „Florentiner Hüte“ zu produzieren. Zu den Fabrikgebäuden gehörten auch ein hübscher Palazzo für die Familie – und eben eine Limonaia. In diesem Ge­bäude überwinterten die in großen Kübeln gehaltenen „Agrumi“ (Gattungsbegriff für Zitruspflanzen), sie waren damit vor der auch in Florenz gelegentlich schneidenden Winterkälte geschützt.  

Nach dem Zweiten Weltkrieg brach der Ab­satz von Strohhüten nahezu vollkommen ein und erholte sich auch nicht wie­der. Dann kam die Zeit, wo sich die inzwischen ver­größerte Familie einer Erbteilung zuwenden musste. So entstand ein Grundstück mit dem ziemlich großen, aber völ­lig lee­ren und unwirtlichen Gebäude, in dem nur mein Schwiegervater gewisse Chancen für den Gebrauch witterte. 

Aus seinen ori­­gi­nel­len Ideen entstand mit um­fangreicher Un­ter­stützung eines italienischen Ar­chi­tekten der Plan für einen Aus­bau des herun­ter­ge­kommenen Gebäude­kastens, der außer einem Kaltwas­ser­anschluss eigentlich nichts bot. 

Das abgeschrägte Dach musste erhalten bleiben und ebenso die hohen, großzü­­gigen Fenster. Andererseits war ein weiteres Stockwerk im Hause unverzichtbar. So ent­­stand ein Grundriss, der im Erd­geschoss den Salon und eine Küche von italienischen Ausmaßen bietet. Sie ist ­offen zum Wohnraum, hat jeden Komfort, birgt auch die Therme für Heizung und heißes Wasser. Darüber hinaus fanden auch ein Bad und das für Schweizer unabdingbare „Reduit“ einen Platz. Da das Haus nicht unterkellert ist, übernimmt das Reduit die Anforderungen eines Kellers: Weinlager, kleine Werkstatt, Garderobe, Waschzuber und -maschine etc.

 

Materialien aus der Toskana 

Eine Überraschung bietet der erste Stock. Mit schwerem Gerät wurde im Haus ein Stahlgeflecht zusammengeschweißt, das nur an der fensterlosen Gebäuderückwand und zwischen den Fenstern verankert wurde. Sehr raffiniert ausgedachte Winkelführung ermöglichte die Einrichtung eines großen Schlafzimmers mit raumhohen Schiebefenstern, die den Blick in den Garten ermöglichen, sowie ein größeres Büro mit ebenso schönem Ausblick. Ein weiteres kleines Büro wurde durch ein Klavier zum Musikzimmer aufgewertet. Für ein Duschbad war auch noch Platz. Von außen ist das alles kaum zu sehen.

Dieser ganze Stockwerkseinbau wird zusätzlich durch Säulen gestützt, die in Zweiergruppen nur zwischen den Fenstern eingesetzt wurden. Damit ist das Gebäude, so wie es die italienische Vorschrift verlangt, erdbebensicher geworden. Verbunden werden die beiden Etagen durch eine mehrfach geknickte Treppe, die man gerne nutzt, weil sie einen Blick auf die ge­samte Anlage gestattet.

Die Materialien kommen aus der Toskana: in der Küche der rote Cotto für den Boden, im Wohnzimmer Schiffsbodenpar­kett. Die Fenster und die torähnlichen Ein­­gangstüren aus sehr festem Zypressenholz sind schalldicht und einbruchsicher. Der Blick unters Dach zeigt die unverputzten roten Ziegel und große Bohlen, teilweise aus der Zeit des Hausbaues.

 

Granatäpfel und Oliven 

Der parkähnliche Garten wurde ebenfalls angepasst. Die drei eindrucksvollen, wohl  15 Meter hohen  Zypressen markieren das optische Zitat „Toskana“, weiterhin spendet eine inzwischen riesige Linde Schatten. Dazu kommen eine Steineiche (gibt es nur südlich der Alpen), eine früchtetragen­de Mispel, ein Granatapfelbaum, mehrere Oleander und der in diesen Breiten geschätzte Olivenbaum. Natürlich dürfen zwei in großen winterfesten Terrakottatöpfen aus Impruneta wachsende Zitronenbäume nicht fehlen. Da die Pflanzen die freundliche Eigenschaft haben, gleichzeitig Blüten und Früchte hervorzubringen, haben wir das ganze Jahr über aromatische Zitro­nen in der Küche, herrlich!  Es reicht, die Agrumi über den Winter mit einfachem Material einzuhüllen – in der Limonaia ist ja kein Platz mehr. 

Die üblichen Gartenpflanzen, darunter zwei schöne Kamelien, und Grünflächen  sowie eine ebenfalls mit rotem Cotto gepflasterte Terrasse vervollständigen die Außenanlage. Der Clou: Das ganze ist prak­tisch uneinsehbar und sehr ruhig. Dabei wohnen wir in der Stadt, aber nicht im centro storico, sondern gleich hinter der Porta al Prato, einem Gebiet, das ab etwa 1850 bebaut wurde. Die ganze Anlage wird von unseren überraschten Besuchern gerne als „Firenze nascosta“ also „versteck­tes Florenz“ bezeichnet, was die Atmosphäre recht gut beschreibt.

Für mich war dieses Stückchen Florenz sozusagen „Liebe auf den ersten Blick“. Unter der Linde zu sitzen, bei etwas Weißwein, toskanischer „Finocchiona“ (einer mit Fenchelsamen gewürzter Salami), luftgetrocknetem Schinken, vielleicht noch ein paar eingelegten Artischocken – ein Jugendtraum. Vor zehn Jahren ergab sich die Gelegenheit: Meine Schwiegereltern kehrten in die Schweiz zurück, meine Intendanz an der Oper neigte sich dem Ende zu und meine Frau war schließlich auch einverstanden. 

Sie hat auch alle Vorbereitungen durchgeführt, die zur Übersiedelung nötig waren, und die Limonaia nochmals ganz und gar fit gemacht: Außenanstrich, farbliche In­nengestaltung, Dekostoffe, Möblierung. Es lebt sich wunderbar in Florenz, wenn man einmal von den zu hohen Sommertemperaturen absieht. Deswegen verbringen wir die heißen Monate in Berlin, übrigens die einzige europäische Hauptstadt, die auch in der Sommersaison ein reiches Kultur­angebot bietet und nicht schnarcht.

Allem Gerede zum Trotz erleben wir die Florentiner als überaus freundlich und zugänglich. Überhaupt ist der tägliche Um­gang von Umsicht und Entgegenkommen geprägt. Das Wort „maleducato“, nämlich „schlecht erzogen“, ist in Italien immer noch ein übles Schimpfwort. Man kommt mit weniger Stress durch den Tag, der Umgang scheint mir zivilisierter als an manchem anderen Ort in Europa.

 

Besuch ist stets willkommen

Auch unsere Handwerker sind wahre Per­len, pünktlich und ordentlich. Immer wird ein Schutz gegen den Schmutz ausgelegt und nach Fertigstellung der Aufgabe zumindest grob geputzt. Wer allerdings in Italien längerfristig leben möchte, sollte sicherstellen, familiäre oder über sehr gute Freunde funktionierende Verbindungen zu einem Arzt, einem Notar, einem Steuerberater etc. zu bekommen. Alle diese Insti­tutionen funktionieren dann recht zufriedenstellend. Die ärztliche Versorgung ist ausgezeichnet.

Zu unserer großen Freude hat eine größere Zahl rotarischer Freunde den Weg zu uns gefunden. Nach kurzem Kontakt steht immer ein Campari bereit und es kommt gelegentlich zu ausgelassenen Gesprächen. Der Leser dieser Zeilen möge sich also bei uns willkommen fühlen.

Klaus Froboese

Klaus Froboese (RC Halle/Saale) arbeitete als Opernregisseur
und Dramaturg an verschiedenen deutschen Opernhäusern und war von 1991 bis 2008 Intendant des Opernhauses Halle.