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USA und Europa als Partner auf Augenhöhe?

Titelthema - USA und Europa als Partner auf Augenhöhe?
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Europa wird im Spiel der Kräfte ein größeres Gewicht auf die Waage bringen müssen – und Deutschland muss vorangehen.

01.10.2021

Die die absolute Mehrheit der deutschen Bevölkerung habe ich die Wahl Joe Bidens nach vier langen Jahren der Präsidentschaft Donald Trumps als große Erleichterung empfunden. Präsident Biden hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er uns Europäer als echte Partner will, die sich eigenständig und auf Augenhöhe in die transatlantischen Beziehungen einbringen.

In zentralen Bereichen ist diese Partnerschaft wechselseitig unverzichtbar. Wir brauchen die USA als Rückgrat unserer Sicherheit. Aber die USA brauchen auch uns im Wettbewerb mit China. Diesen Wettbewerb haben die USA umfassend angenommen, im vollen Bewusstsein, dass China den Willen und die Fähigkeiten hat, die internationale Ordnung auf der Basis chinesischer Interessen fundamental zu verändern. In dieser Zeit zwischen untergegangener alter und noch nicht entstandener neuer Ordnung sind Europa und die USA nur gemeinsam wirklich stark.

Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass eine echte Partnerschaft zustande kommt. Dabei sind unsere Interessen nicht immer deckungsgleich mit den amerikanischen, wie in Afghanistan deutlich wurde. Das Selbstverständnis der USA hat sich verändert, daran hält auch Joe Biden fest: Ein amerikanisches Engagement in Regionen, die nicht unmittelbar mit amerikanischen Interessen verbunden sind, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Der Nahe und Mittlere Osten hat für die USA an Bedeutung verloren, weil die neue amerikanische Agenda vor allem nach innen gerichtet ist. Das oberste Ziel besteht darin, das eigene Land voranzubringen. Außenpolitisch konzentriert sich Präsident Biden daher auf China als wichtigsten Wettbewerber und Rivalen.

Joe Biden möchte zwar mit Europa zusammenarbeiten, aber auch er ist nicht mehr bereit, die gesamte Last zu tragen. Amerikanische Ressourcen sollen nur dann eingesetzt werden, wenn die Ziele der eigenen Agenda entsprechen. Damit müssen wir lernen umzugehen und Konsequenzen ziehen.

Wir müssen auch dann handlungsfähig sein, wenn die Amerikaner unsere Interessen nicht teilen. Auf uns allein gestellt, sind wir bisher außenpolitisch schwach und ohnmächtig. Diese Ohnmacht müssen wir überwinden. Wir müssen ein gemeinsames Verständnis unserer Interessen entwickeln und den politischen Willen aufbringen, als Europäer außenpolitisch zu handeln.

Brücke zwischen Ost- und Westeuropa

Zu europäischer Handlungsfähigkeit gehört auch eine einsatzfähige militärische Komponente. Ohne die nimmt uns in Washington, Moskau und Peking niemand ernst. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik werden wir auf absehbare Zeit nicht mit allen 27 EU-Mitgliedsstaaten erreichen, dafür sind die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Europäischen Union zu groß. Daher plädiere ich dafür, dass Deutschland zusammen mit europäischen Partnern vorangeht, die bereit und fähig sind, mit uns gemeinsame europäische Außenpolitik zu machen. Dieser Ansatz sollte offen sein für alle und als Brücke zwischen Ost- und Westeuropa dienen, indem wir auch zentral- und ost-europäische Staaten als Partner gewinnen.

Denn unser Ziel ist nicht, die Nato zu schwächen, indem wir neue, parallele Strukturen in Europa schaffen. Wir wollen vielmehr unsere eigenen Fähikeiten verbessern und damit den europäischen Pfeiler innerhalb der Nato stärken. In den USA stößt dieser Ansatz bisher auf Widerstand. Sie befürchten, dass die Rolle der USA innerhalb der Allianz geschwächt werden könnte. Ganz rational ist diese Haltung nicht, denn von vergleichbaren Fähigkeiten sind wir in Europa weit entfernt. Der Widerstand der USA wird dann zu einem echten Problem, wenn sie unsere europäischen Interessen nicht teilen und uns eine Unterstützung im Rahmen der Nato verwehren. Über diesen Konfliktfall müssen wir mit den Amerikanern reden, denn nur wenn die Nato europäischen und amerikanischen Interessen dient, werden Doppelstrukturen auch langfristig obsolet bleiben.

Dr. Norbert Röttgen