Editorial
Wie einsam ist Deutschland?
Die Rolle der deutschen Politik in Europa - das aktuelle Rotary Magazin fasst Meinungen und Eindrücke kluger Köpfe aus Europa zusammen.
„Die Macht in der geographischen Mitte eines politischen Raumes trägt eine gesteigerte Verantwortung. Diese drückt sich unter anderem darin aus, dass Fehler, die von ihr gemacht werden, sehr viel folgenreicher sind, als das bei Akteuren an der Peripherie dieses Raumes der Fall ist.“ Mit diesen Worten beschrieb der Politologe Herfried Münkler vor etwas mehr als zwei Jahren im Rotary Magazin die Rolle der deutschen Politik in Europa. Seitdem ist eine Menge geschehen. Im Frühjahr 2014 landeten russische Soldaten auf der Krim, und im Osten der Ukraine erklärten Freischärler ihre Unabhängigkeit von Kiew. Die griechischen Staatsschulden drohten gleich mehrfach, die Europäische Währungsunion in den Abgrund zu reißen. Frankreich wurde wiederholt von fürchterlichen Terroranschlägen heimgesucht – während die politische Führung des Landes kaum noch wahrgenommen wird. Die Polen wählten Ende 2015 eine Regierung, die verstärkt auf nationalkonservative Alleingänge setzt. Und in wenigen Wochen droht mit dem Volksentscheid der Briten über ihren Verbleib in der EU erstmals der Austritt eines Mitgliedslandes aus der Union. Zur wichtigsten Herausforderung wurde freilich die Flüchtlingskrise,
die im vergangenen Jahr zahlreiche EU-Staaten dazu veranlasste, einseitig ihre Grenzen gen Südosten abzuriegeln. Selten waren die Probleme so komplex.
Die deutsche Politik hat sich der Lage – das wird ihr niemand absprechen können – unter Führung der Kanzlerin mit großem Engagement gestellt. Gedankt wurde ihr das selten, im Gegenteil: Die Kritik am Verhalten Russlands in der Ukraine, die harte Haltung bei den Verhandlungen diverser „Rettungspakete“ für die Griechen, die Schelte für die einseitigen Grenzschließungen der Ungarn, Österreicher und Slowenen sowie die Mahnungen an die neue polnische Regierung werteten zahlreiche Kommentatoren als Zeicheneines neuen deutschen Strebens nach Vorherrschaft. Seitdem die Kanzlerin aus humanitären Erwägungen heraus die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge ohne Rücksprache mit den Partnern nach Deutschland einlud, macht gar das böse Wort von der „Isolation“ der europäischen Zentralmacht die Runde. Die Partner, so der Vorwurf, werden nicht mehr mitgenommen. Vielmehr würde Berlin nur noch versuchen, seine Vorstellungen zu diktieren.
Die Völkerverständigung ist eine der vornehmsten Aufgaben Rotarys. Aus diesem Grunde bat die Redaktion des Rotary Magazins kluge Köpfe aus verschiedenen europäischen Ländern um eine Antwort auf die Frage, wie Deutschland derzeit in ihrem Lande gesehen wird. Die Antworten lesen Sie im Rotary Magazin 4/2016.