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Fokus Oktober

Impfen – die Sicht des Kinderarztes

Fokus Oktober  - Impfen – die Sicht des Kinderarztes
Der Kinderarzt Christian Schleuss sagt, aktuelle Impfungen seien hochsicher und sehr wirksam. © Marcus Simaitis

Der Autor, Dr. med. Christian Schleuss (RC Hagen), ist Kinderarzt in eigener Praxis und Beauftragter für die Polio-Kampagne im Distrikt 1900.

01.10.2019

Eltern wünschen sich für ihr Kind eine optimale Behandlung. Dabei ist Impfen das Beste, was ich als Kinderarzt in meiner Praxis tun kann. Mit vielen Milliarden Impfungen wurden Wirksamkeit und Sicherheit nachgewiesen. Viele schwere Infektionskrankheiten kennt selbst der Fachmann in Deutschland nur noch aus dem Lehrbuch. Trotzdem bleiben komischerweise immer noch Verunsicherungen. Was tun wir unseren Kindern mit der Impfung an? Gibt es Nebenwirkungen oder Schäden? Selbst unter einigen Ärzten wird das Thema diskutiert, allerdings bei wenigen. Eine kleine, aber sehr laute Impfgegnerschaft macht vielen Eltern Angst.

Ständige Impfkommission gibt Empfehlungen
Also eine individuelle Impfung für jedes Kind? Darauf gibt es zwei Antworten:
Ja! Der Impfplan wird für jedes Kind entsprechend angepasst: Kinder mit Grunderkrankungen erhalten andere Impfungen (zum Beispiel Meningokokken B, 4 x Pneumokokken). Frühgeborene werden schon in der Klinik geimpft. Bei Hepatitis der Mutter wird bereits im Kreißsaal geimpft. Viele Kinder kommen zurzeit aus Osteuropa, Syrien, Iran und aus afrikanischen Staaten zu uns in die Praxen. Diese benötigen individuelle Lösungen, um möglichst schnell unseren Impfstandard nachzuholen. Bei Unverträglichkeiten können wir Hersteller und damit Zusatzstoffe wechseln. Auch Reiseimpfungen und Anpassungen des Impfplans an persönliche Bedürfnisse gehören dazu. Das Ziel ist aber immer ein kompletter Impfschutz mit circa 15 Monaten.
Nein! Als langjährig impfender Kinderarzt mit mehr als 150.000 verabreichten Impfdosen maße ich mir nicht an, alle Studien zu kennen und eine hundertprozentige Entscheidung über die nötige Impfdosis, Verabreichung etc. festzulegen. Das brauche ich auch nicht, denn beim Robert Koch-Institut arbeiten Experten, um genau solche Daten zu finden und zu bewerten. Diese werden dann durch 18 ehrenamtliche Fachleute der Ständigen Impfkommission (STIKO) in einer möglichst fundierten Empfehlung regelmäßig veröffentlicht. Ärzte haben Therapiefreiheit und müssen sich nicht an solche Empfehlungen halten. Sie dürfen empfehlen, was immer sie meinen. Das allerdings birgt die Gefahr der Selbstüberschätzung! Die ärztliche Beratung hat eine hohe Verantwortung, da sie größtenteils befolgt wird. Wer in einem gut geimpften Umfeld von bestimmten (bewährten) Impfungen abrät, muss sich fragen lassen, ob er seiner sozialen Verantwortung gerecht wird.
Die Risikowahrnehmung der eigentlichen Erkrankungen ist bei Ärzten und Patienten häufig zu gering. Das vermeintliche Risiko der Impfung wird dagegen massiv überschätzt. Auch bei den sehr seltenen, gerichtlich anerkannten Impfschäden wird oft nur die Impfung als Auslöser des Fiebers anerkannt, das dann zu Krampfanfällen und Folgeerkrankungen geführt hat. Ob die gleiche Problematik beim nächsten Virusinfekt auch gekommen wäre, wird jedoch nicht thematisiert.
Immer noch sterben in Deutschland Menschen an Erkrankungen, die durch Impfen hätten vermieden werden können. Dabei sind die aktuellen Impfungen hochsicher und sehr wirksam. Viele Länder beneiden uns um diese Chance. Das ist es, was ich täglich meinen Patienten-Eltern bei der Impfaufklärung klarmachen darf, und die allermeisten Eltern nehmen den Impfschutz dankbar an. Einzelne Eltern, die ihr Kind partout nicht impfen lassen wollen, bitte ich, sich einen anderen Arzt zu suchen. Das passiert sehr selten, bringt mir dann aber im Internet die Bewertung „mangelhaft“. Damit kann ich leben.