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Nature Writing

Andrea Grill: Schmetterlinge

Nature Writing - Andrea Grill: Schmetterlinge
© Matthes & Seitz Berlin

"Psyche" war das altgriechische Wort für Schmetterling. Heute verbinden wir mit den mehr als 170.000 bekannten Arten von Schmetterlingen vor allem Lebensfreude und Unbeschwertheit. Eine Leseprobe

22.04.2016

Andrea Grill, Judith Schalansky (Hg.): Schmetterlinge, Matthes & Seitz Berlin, 2016, 159 Seiten, 18 Euro

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Die ersten Wochen, die ich mit den Faltern in freier Wildbahn verbrachte, kämpfte ich mit den Namen. Um Schmetterlinge zu bestimmen, das heißt, herauszufinden, zu welcher Art sie gehören, vergleichen Lepidopterologen sie mit Abbildungen in Büchern. Dazu musste ich sie fangen. Technisch hat sich am Schmetterlingsfang über die letzten Jahrhunderte nichts verändert. Man braucht ein Netz mit einem relativ langen Stiel, nicht zu lang, damit man Schwung holen und rasch zuschlagen kann, nicht zu kurz, damit man den Falter erwischt, bevor er abhaut. Mein Netz hat einen ungefähr einen Meter langen Stiel, der sich wie ein Teleskop ausfahren lässt, auf die doppelte Länge, falls man ein Tier fangen will, das hoch oben auf dem Ast eines Baumes sitzt.

Es gibt diverse Varianten, einen Falter zu fangen. Die klassische ist die, das Netz ausholend zu schwingen und sobald das Tier im Netz ist oder man es im Netz wähnt, einen Rückschwung zu machen, damit die Öffnung des Netzes mit abfallendem Netzgewebe geschlossen wird und der Falter nicht entschlüpfen kann, Falter sind nämlich wahre Ausbruchskünstler. Dann umfasst man das Netz mit der einen Hand und hält es zu. Mit der anderen sucht man den Falter und versucht, ihn durch den Stoff vorsichtig zu fassen zu bekommen, am besten so, dass man die zusammengeklappten Flügel zwischen Daumen und Zeigefinger hält. Man öffnet das Netz, holt das Tier mit der anderen Hand heraus, klappt vorsichtig die Flügel auf, betrachtet es und vergleicht die Musterung von Ober- und Unterseite mit den Zeichnungen im Buch. Dies geschieht so lange, bis die entsprechende Art gefunden ist. Eigentlich unproblematisch. Wäre es nicht so, dass in dem Buch, das ich verwendete und verwende, "Butterflies of Britain and Europe", mehr als fünfhundert Arten abgebildet sind. Wie gesagt: Sie waren einfach zu viele.

Während ich blätterte, flatterten um mich herum immer wieder neue Individuen, die ich auch bestimmen sollte, die auch zu diesem Standort gehörten, die mir aber entwischten, weil ich zu lange mit einem einzelnen Falter beschäftigt war.

In den ersten Tagen auf den griechischen Feldern und Waldlichtungen wollte ich schier verzweifeln.

Anfangs verstaute ich das Buch nach jedem bestimmten Falter wieder im Rucksack und nahm es wieder heraus, wenn ich einen neuen gefangen hatte. Bald wurde mir das zu mühsam und ich behielt beides in den Händen: Ich lief ganz klassisch mit dem Buch in der einen, einem Netz in der anderen Hand den Tieren hinterher. Die Schmetterlinge flatterten fröhlich (ja, so schien es mir) an mir und meinem Netz vorbei. Die Mücken stachen mich. Auch sie waren zu viele.  ....


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