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Nature Writing

Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume

Nature Writing - Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume
© Ludwig Verlag

Was sie fühlen, wie sie kommunizieren - die Entdeckung einer verborgenen Welt. Eine Leseprobe

25.04.2016

Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume, Ludwig Verlag, München 2015, 224 Seiten, 19,99 Euro

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Sprache ist laut Duden die Fähigkeit des Menschen, sich auszudrücken. So gesehen können nur wir sprechen, weil der Begriff auf unsere Spezies beschränkt ist. Doch wäre es nicht interessant zu wissen, ob auch Bäume sich ausdrücken können? Aber wie? Zu hören ist jedenfalls nichts, denn sie sind definitiv leise. Das Knarren von scheuernden Ästen im Wind, das Rascheln des Laubs geschehen ja passiv und werden von den Bäumen nicht beeinflusst. Sie machen sich jedoch anders bemerkbar: durch Duftstoffe. Duftstoffe als Ausdrucksmittel? Auch uns Menschen ist das nicht unbekannt: Wozu sonst werden Deos und Parfüms benutzt? Und selbst ohne deren Verwendung spricht unser eigener Geruch gleichermaßen das Bewusstsein und Unterbewusstsein anderer Menschen an. Einige Personen kann man einfach nicht riechen, andere hingegen ziehen einen durch ihren Duft stark an.

Nach Ansicht der Wissenschaft sind die im Schweiß enthaltenen Pheromone sogar ausschlaggebend dafür, welchen Partner wir auswählen, mit wem wir also Nachkommen zeugen wollen. Wir besitzen demnach eine geheime Duftsprache, und zumindest das können Bäume auch vorweisen. Mittlerweile vier Jahrzehnte alt ist eine Beobachtung aus den Savannen Afrikas. Dort fressen Giraffen an Schirmakazien, was diesen überhaupt nicht gefällt. Um die großen Pflanzenfresser wieder loszuwerden, lagern die Akazien innerhalb von Minuten Giftstoffe in die Blätter ein. Die Giraffen wissen dies und ziehen zu den nächsten Bäumen. Den nächsten? Nein, zunächst lassen sie etliche Exemplare links liegen und beginnen erst nach etwa 100 Meter erneut mit der Mahlzeit.

Der Grund ist verblüffend: Die befressene Akazie verströmt ein Warngas (in diesem Fall Ethylen), welches den Artgenossen der Umgebung signalisiert, dass hier Unheil naht. Daraufhin lagern alle vorgewarnten Individuen ebenfalls Giftstoffe ein, um sich vorzubereiten. Giraffen kennen dieses Spiel und ziehen daher etwas weiter über die Savanne, wo sie ahnungslose Bäume finden. Oder aber sie arbeiten gegen den Wind. Denn die Duftbotschaften werden mit der Luft zu den nächsten Bäumen geweht, und wenn die Tiere gegen die Luftströmung laufen, finden sie gleich nebenan Akazien, die keine Ahnung von ihrer Anwesenheit haben. Solche Prozesse spielen sich auch in unseren heimischen Wäldern ab. Ob Buchen, Fichten oder Eichen, sie alle merken es schmerzhaft, sobald jemand an ihnen herumknabbert. Wenn eine Raupe herzhaft zubeißt, dann verändert sich das Gewebe um die Bissstelle herum. Zudem sendet es elektrische Signale aus, ganz wie im menschlichen Körper, wenn dieser verwundet wird. Allerdings breitet sich dieser Impuls nicht, wie bei uns, innerhalb von Millisekunden aus, sondern nur mit einem Zentimeter pro Minute. Danach dauert es noch einmal eine Stunde, bis Abwehrstoffe in die Blätter eingelagert werden, um den Parasiten die Mahlzeit zu verderben.

Bäume sind eben langsam, und selbst bei Gefahr scheint das die Höchstgeschwindigkeit zu sein. ...


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