Bundesgartenschau
Erfurt erblüht
Zwischen Egapark und Petersberg, wo deutsche Geschichte auf Gartenbauhistorie trifft, öffnet am 23. April 2021 die Bundesgartenschau ihre Pforten. Ein Blick zurück und nach vorn
Frau, 1,60 Meter, zierlich und auch noch blond. Es soll Männer gegeben haben, die Kathrin Weiß (RC Erfurt) am Anfang nicht zugetraut hatten, dass das Mammutprojekt Bundesgartenschau unter ihrer Regie etwas wird. Sie haben sich getäuscht.
"Es ist wirklich so – man muss als Frau mit Familie 150 Prozent Leistung geben, um von manchen Männern anerkannt zu werden", sagt Kathrin Weiß. Sie ist in der 70-jährigen Geschichte der Bundesgartenschau die erste alleinige Chefin einer Buga – verantwortlich für mehr als 430.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche mitten in Deutschland.
Diese Buga ist anders als andere: "Wir bringen die Gartenschau dorthin, wo alles begonnen hat", sagt Kathrin Weiß. "1865 gab’s in Erfurt die erste internationale Land- und Gartenbauausstellung. Die Stadt gilt als Wiege des deutschen Gartenbaus." Erfurt hatte in punkto Samenzucht europaweit einen exzellenten Ruf – riesige kunterbunte Blumenfelder säumten ihre Ränder.
Am Freitag, den 23. April, öffnet die Buga für 171 Tage ihre Flächen. Zwei sind es – Egapark und Petersberg. "Beide nur einen Kilometer voneinander entfernt und doch sehr unterschiedlich", sagt Weiß. "Der Egapark ist Thüringens größter Garten, vor 60 Jahren startete hier die ‚iga‘ – die Internationale Gartenbauausstellung der DDR."
Der denkmalgeschützte Park gehört zu den bedeutendsten Zeugnissen der Gartenarchitektur der 1960er Jahre in Deutschland. "Ohne die Buga hätte die ‚Ega‘ als zeitgemäßer Gartenpark kaum überlebt, zu groß war der Sanierungsstau und das Angebot nicht mehr zeitgemäß." Knapp 35 Millionen Euro wurden investiert: "Wir haben Europas größtes Blumenbeet – 6000 Quadratmeter mit 120.000 Blumenzwiebeln und circa 150.000 Frühblühern gleich zum Buga-Start. Unser historischer 15.000 Quadratmeter großer Rosengarten mit 4200 Pflanzen in 400 Sorten blüht neu auf, wir haben alte DDR-Rosen vorm Aussterben bewahrt. Wir konnten zum Beispiel alle Wege und viele Gebäude auf Vordermann bringen."
Weiß: "Wir wollten uns bei der Buga auf das Wesentliche konzentrieren – auf das Gärtnerische. Wir entwickeln bestehende Parkanlagen weiter, geben ihnen eine Zukunft. Entspannung im Grünen ist eines unserer Ziele, wir wollen auch Wissen über die Natur vermitteln. Wir wünschen uns, dass die Besucher staunen über das, was die Natur hervorbringt – und wie der Mensch damit schöpferisch umgeht."
Nachhaltigkeit ist ein Stichwort. "Gärtnern in Zeiten des Klimawandels, wir wollen zeigen, wie das geht", sagt Weiß. "Wir haben ein automatisches Bewässerungssystem entwickelt, das jede Menge Wasser spart." Die Staudengärten von früher sind nicht wiederzuerkennen, hier wachsen Pflanzen, die Hitze und Trockenheit trotzen. Ein Klimawald mit Bäumen, die dem Klimawandel mit besonderen Strategien begegnen, wurde hinter Danakil, dem neuen Urwald- und Wüstenhaus, gepflanzt – zusätzlich zu den 2500 alten Bäumen, die schon vorher Schatten spendeten und rund 35 Tonnen CO2 in Sauerstoff umwandeln.
"Auch in die Parkbewirtschaftung haben wir nachhaltig investiert – zum Beispiel in ein neues, besonders sparsames Energiekonzept. Wir sind alle mit Fahrrädern unterwegs, nutzen E-Mobilität, unsere Gastronomie setzt auf regionale Produkte, wir sammeln Regenwasser und erzeugen Strom aus erneuerbaren Energien", so die Buga-Chefin. Das Nachhaltigste ist wohl, dass rund 80 Prozent der für die Buga errichteten Flächen nicht nach der Ausstellung Ende Oktober wieder eingestampft werden, sondern den Erfurtern erhalten bleiben – in dieser Größenordnung einmalig in der Buga-Geschichte.
Der Petersberg, auf dem eine gewaltige Festungsanlage thront, ist die zweite Buga-Fläche. Kein echter Berg, eher ein Hügel – doch die Erhebung am Rande der malerischen Altstadt steckt voller deutscher Geschichte. Kaiser Friedrich I. Barbarossa hielt hier Reichstage ab, hier unterwarf sich Heinrich der Löwe dem rotbärtigen Staufer und bat um Gnade.
"Es gab einige, die an die Verwandlung des Petersbergs zum Buga-Standort nicht geglaubt haben", so Weiß. Kaputte Wege, marode Mauern, Investitionsstau an den Gebäuden, wüste Flächen – es gab viel zu tun. "Gemeinsam mit den Kollegen der Stadt haben wir es als Team geschafft, wir haben den Petersberg wachgeküsst. Nun bringen wir Europas größte barocke Zitadelle zum Blühen!"
Am Fuße der Peterskirche, einer ursprünglich dreischiffigen romanischen Basilika aus dem 12. Jahrhundert, startet eine Zeitreise durch die verschiedenen Gartenepochen (Barock, Renaissance), eingerahmt von verschiedenen Landschaftsgärten. 31.000 Pflanzen wurden in den verschiedenen Ausstellungsbereichen hoch über der Altstadt in die Erde gesetzt – Tulpen, Kaiserkronen, Violen, Hibiskus, Malven, verschiedenste Gräser, Gemüse wie Fenchel, Zierkohl und Tabak, Blauglockenbäume, Weiden und Tulpenbäume zieren das Plateau. Den Weg auf den Berg schmücken 260.000 Blumenzwiebeln, den Platz vor der mächtigen Defensionskaserne die mehr als 200 Jahre alten Palmen des Egaparks.
Eine Etage tiefer, im Festungsgraben, finden sich die Erfurter Gartenschätze. "Eine Reminiszenz an die gartenbauliche Tradition der Stadt", sagt Weiß. Extra angefertigte verschiedene Erden wurden ausgebracht, um zum Beispiel den "Erfurter Zwerg" (ein Blumenkohl), "Ruhm von Erfurt" (Buschbohne), "Brauner Trotzkopf" (Kopfsalat) oder der "Besten Erfurter Volltragenden" (Puffbohne) Halt und Nahrung zu bieten. "Alle Pflanzen stammen aus Erfurter Gärtnereien, darunter auch historische Sorten mit Erfurt-Bezug", sagt Weiß. Hier wachsen Arzneipflanzen, Kräuter und Heilpflanzen, 100 verschiedene Gemüsesorten und der Waid, der Erfurt im Mittelalter berühmt und reich machte.
Einfach war das alles nicht. "Die Zeiten haben sich geändert, die Bürger sind zu Recht aufmerksamer geworden, wollen mitreden. Viele Projekte lassen sich nicht mehr so einfach realisieren wie vor einigen Jahren", sagt Kathrin Weiß. "Als in der Geraaue, eine Stadtentwicklung im Rahmen der Buga, 600 zum Teil alte Bäume gefällt wurden, um 1.100 jungen Bäumen zu weichen, brach in der Stadt ein Sturm der Entrüstung los. Ich bin mir sicher, dass wir alle daraus gelernt haben. Die Bürger gucken genauer hin und das ist auch gut so."
Henry Köhlert
BILDERSTRECKE: Sehen Sie hier weitere Eindrücke von der Buga Erfurt.
Als vorbereitende oder begleitende Lektüre:
Heinz Stade (RC Erfurt): Die BUGA in Erfurt und ihre blühenden Partner, Historische Gärten, Parks und Grünanlagen im Porträt, Sutton Verlag, 19,99 Euro
Rotarischer Stammtisch
Die drei Rotary Clubs in Erfurt laden während der Bundesgartenschau zum rotarischen Stammtisch auf dem Petersberg. Immer mittwochs und samstags können sie Kathrin Weiß und die rotarischen Freunde in der "Genusszentrale" treffen — soweit es die Coronasituation erlaubt.