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Nature Writing

Ernst Paul Dörfler: Liebeslust und Ehefrust der Vögel

Nature Writing - Ernst Paul Dörfler: Liebeslust und Ehefrust der Vögel
© Saxophon Verlag, edition SZ

Wer mit wem? Und wenn ja, wie lange schon? Und wie oft und vielleicht auch wie viele? Die Liebe der Vögel wird hier beschrieben, als seien die Tiere eng mit den Menschen verwandt. Eine Leseprobe

25.04.2016

Ernst Paul Dörfler: Liebeslust und Ehefrust der Vögel, Saxophon Verlag, edition SZ, Dresden 2015, 168 Seiten, 14, 90 Euro

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Die flotten Schnepfen

Wer ein flottes Dasein führt, scheint leicht und unbeschwert zu leben, ausgelassen und manchmal auch übermütig. Das sind die Sonnenseiten. Doch wo Sonne ist, da ist auch Schattten und die Grenzen können fließend sein: Aus leicht wird allzu leicht auch leichtsinnig und leichtlebig, liederlich, flüchtig und genusssüchtig. Leben und Gesundheit aufs Spiel zu setzen ist ganz sicher nicht klug. Bei aller Leichtigkeit ist auch Vorsicht geboten. Spezialisten in Sachen Leichtigkeit dürften sich vor allem unter Vögeln finden lassen.  Was könnten wir uns von ihnen abschauen? Das Fliegen? Schön wär's!  Wie man Beziehungen pflegt? Geschmackssache!

Ausgesprochen flotte Flieger, ja Überflieger, sind Schnepfenvögel. Mit ihren langen, spitzen Flügeln sind sie ausgewiesene Vielflieger und Fernreisende. So ist es kein Zufall, dass ein Schnepfenweibchen Inhaberin des Non-Stopp-Flugweltrekordes ist: Einem mit einem Sender ausgestatteten Pfuhlschnepfenweibchen gelang die unglaubliche Leistung, den Flug von Alaska nach Neuseeland über den gesamten Pazifik in neun Tagen ohne Zwischenlandung zu absolvieren. Das sind fast zwölftausend Kilometer ohne aufzutanken! Doch nicht nur im Ortswechsel, auch im Partnerwechsel sind Schnepfen rekordverdächtig. In puncto Bindungsstärke rangieren sie jedoch auf abgeschlagenen Plätzen.

Als ausgesprochen bindungsscheu erweisen sich die taubengroßen, herbstlaubfarbenen und fein gemusterten Waldschnepfen. Mit ihrem auffallend langen Schnabel stochern sie im Waldboden, um kleine Bodentierchen aufzustöbern. Lichte und feuchte Wälder sind ihr Revier. Es sind jene Schnepfen, denen die Jäger lange Zeit mit großer Leidenschaft nachstellten. Erst im allerletzten Moment fliegen diese Vögel auf, denn sie vertrauen auf ihre nahezu perfekte Tarnung. Eben in diesem Augenblick fällt gewöhnlich der Schuss. Und des Jägers Begehr? Vor allem die Innereien und der Darminhalt dieses Vogels, der sogenannte Schnepfendreck, galten vor zweihundert Jahren als erlesene Delikatesse. Die exzessive Jagd hat dazu beigetragen, dass die Waldschnepfe zu einem raren Vogel geworden ist.

Man muss die Abenddämmerung abwarten, um eine Waldschnepfe in voller Aktion zu erleben. Das Männchen kontrolliert auf Balzflügen in Wipfelhöhe sein Revier und dreht dabei immer wieder die gleichen Runden entlang von Lichtungen und Schneisen. Dieser Kurs wird als "Schnepfenstrich" bezeichnet. Durch seinen Schauflug, begleitet von tief quorrenden Rufen, gefolgt von einem hohen, kurzen "puits" gelingt es dem Männchen, bis zu vier Weibchen anzulocken, zu begatten und zum Brüten auf dem Waldboden einzuladen. Auch betreut der Schnepfenmann gelegentlich seine Jungen. Doch kann er keinesfalls allen seinen Vaterpflichten gerecht werden. Die Beziehungen sind überwiegend flüchtiger Natur und liegen an der Grenze zur Promiskuität. ...


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