Anmerkung zum Verständnis des Papstes als „Diener der Diener Gottes“
Hat Benedikt XVI. das Papstamt entzaubert?
Um seinen Lesern „[d]ie unvergängliche Aktualität des Papsttums“ zu verdeutlichen, lässt Karl Rahner im 16. Band seiner Schriften zur Theologie einen fiktiven, gerade gewählten Papst Paul VII., einen Brief schreiben, in dem sich dieser über die Bedeutung und die Zukunft seines gerade begonnen Pontifikates Gedanken macht. Am Briefende schreibt er seinem priesterlichen Mitbruder aus Studienzeiten: „Wundert es Dich, wenn ich Dir [...] sage, dass ich mich jetzt schon frage, ob ich bis zu meinem Tod Papst bleiben soll oder nicht? Ich kann abdanken, wenn ich dies als für die Kirche nützlicher erkenne und dies will. Aber kann es nicht sein, daß ich lebend in ein Alter komme, in dem ich zu einer sachlich nüchternen Erkenntnis dieser Art gar nicht mehr fähig bin und mich trotzdem niemand mehr absetzen kann? Ein schrecklicher Gedanke. Oder ist er letztlich sogar tröstlich, weil er klarmacht, daß Gottes gnädige Vorsehung auch in der Kirche nicht alles durch die Taten eines weisen und mächtigen Papstes vollbringt? Ich warte ab“.
Der visionäre Blick Karl Rahners auf den Papst und das Papstamt ist Realität geworden! Das nicht für möglich Gehaltene ist eingetreten. Die Überlegungen, mit denen der fiktive Papst seinen möglichen Rücktritt ins Auge fasst, sie finden sich auch im Rücktrittsschreiben von Benedikt XVI. Vergisst man dabei nicht, dass Karl Rahner mit seinem Aufsatz den Lesern die unvergängliche Aktualität des Papsttums erklären will, so steht ein solcher Amtsverzicht offensichtlich nicht gegen die Aktualität des Amtes und dessen Unvergänglichkeit. Warum? Weil ihm ein „Zauber“ innewohnt? Ein „Zauber“, der ihm genommen werden kann oder dessen er sich durch seinen Rücktritt selbst beraubt [„Entzauberung“]? „Zauber“ und „Entzauberung“ sind nicht nur aufeinander bezogen, sie sind auch ambivalent. Schließlich heißt es im letzten Satz des Briefes: Oder ist der Rücktritt „letztlich sogar tröstlich, weil er klarmacht, daß Gottes gnädige Vorsehung auch in der Kirche nicht alles durch die Taten eines weisen und mächtigen Papstes vollbringt?“
„Zauber“? Waren es nicht manche Päpste und mit ihnen auch der Klerus und die Gläubigen selbst, die in der Kirche eine Mentalität erzeugt haben, die die Funktion und die Bedeutung des Papstes überschätzten, die er für sie zum Beispiel sowohl vom Dogma der Unfehlbarkeit wie im Blick auf die Geschichte der Päpste insgesamt her haben musste? Waren nicht sie es, die glaubten, es beim Papstamt mit einer Instanz zu tun zu haben, von der alle Impulse in der Kirche auszugehen hätten? Waren nicht sie es, die glaubten, es mit dem Papst als Lehrer zu tun zu haben, vor dem das Licht aller Denker und Theologen verblassen musste? Waren nicht sie es, die glaubten, mit ihm einen Menschen vor sich zu haben, der durch seine be-„zaubern“-de Menschlichkeit alle in seinen Bann ziehen konnte? Waren nicht sie es, die glaubten, mit dem Papst einen Großen dieser Welt vor sich zu haben, der sein Jahrhundert zu prägen verstand? Waren nicht sie es, die glaubten, mit ihm einen der größten Brückenbauer [„Pontifex Maximus“] vor sich zu haben, der alle und alles miteinander zu versöhnen hatte? Waren nicht sie es, die glaubten, es mit einem „Heiligen“ Vater zu tun zu haben, der selbst so beispielhaft lebt, dass er für alle Welt die größtmögliche moralische Instanz darstellt? „Heilig“ ist zwar grammatikalisch ein Eigenschaftswort, theologisch aber ist es ein Zugehörigkeitwort. Mit ihm wird die Zugehörigkeit des als „heilig“ bezeichneten Menschen und des ihm übertragenen Amtes zu Gott zum Ausdruck gebracht. Dieses wesentliche Bezogensein von Amt und Amtsträger auf Gott relativiert zugleich die Bedeutung der als „heilig“ bezeichneten Person [„Heiliger Vater“] und die seines Amtes [„Heiligkeit“]. Schließlich macht der Rücktritt des für Karl Rahner fiktiven Papstes klar – und das lässt sich wohl auch auf Benedikt XVI. übertragen –, dass Gottes gnädige Vorsehung in der Kirche nicht alles durch die Taten eines weisen und mächtigen Papstes vollbringt. Hatte nicht Benedikt XVI. selbst nach seiner Wahl zum Papst den Menschen zugerufen: „Ich bin nur ein einfacher Diener im Weinberg des Herrn!“?
Das alles besagt: Das Papstamt und seine Träger sind und bleiben durch alle Zeiten hindurch bedeutsam, weil sie sich Gott verdanken und nicht von Gnaden der Menschen das sind, was sie sind. Selbst die Wahl des Papstes durch die Kardinäle ist dafür ein Indiz. Schließlich wird das Wahlergebnis als ein Ergebnis verstanden, das sich des „Einflusses“ des Heiligen Geistes verdankt. Im Blick auf Gott und damit im Blick auf die theologische Perspektive ist das päpstliche Amt im Grunde schon immer „entzaubert“, und wenn erforderlich, zu „entzaubern“.
Das erste: In der besonderen Vollmacht des Papstes gegenüber der Kirche wird zeichenhaft dargestellt, dass die Kirche ihre Einheit und ihren Geist nicht aus sich selbst, nicht aus dem freien Zusammenschluss der einzelnen Glieder und Ortskirchen [Bistümer/Diözesen] hat, sondern aus der Stiftung und aus dem Heilswerk Jesu Christi. Der Papst repräsentiert also die Einheit der Kirche, indem er Jesus Christus, den letzten Grund der Einheit, repräsentiert. Er steht ganz in der Kirche; er ist wie jedes andere Glied in der Kirche tagtäglich auf Vergebung und Gnade angewiesen. Aber er steht der Kirche auch gegenüber, um ihr den Grund und das Ziel ihrer Einheit zu vergegenwärtigen. In diesem vom Wesen der Kirche her konstitutiven „In“ und „Über“ von Amt und kirchlicher Gemeinschaft ist das ius divinum, das göttliche Recht des Petrusamtes letztlich begründet.
Das zweite: Diese Einheit der Kirche ist zuerst und vor allem die Einheit im einen Glauben an den einen Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Der Petrusdienst an der Einheit muss darum vor allem ein Dienst am Glauben sein. So war es von der Sache her konsequent, wenn das Erste Vatikanische Konzil seine Primatsdefinition in der Unfehlbarkeitsdefinition aufgipfeln ließ. So machte es deutlich: Beim Petrusdienst geht es primär nicht um eine Organisationsspitze, um ein vielleicht wünschenswertes Kommunikationszentrum; es geht letztlich um einen primatus fidei, einen Glaubensprimat, einen voll mächtigen Dienst im Glauben. Der Papst ist konstitutives Zeichen, der Sprecher und der namentlich verantwortliche Zeuge der Einheit im einen Glauben.
Das dritte: Als Katholiken sind wir überzeugt, dass das Amt des Papstes ein wesentliches Geschenk des Herrn an die Kirche ist. Es ist für uns iure divino, von göttlichem Recht. Das bedeutet: Es ist für die Kirche konstitutiv. Es dient der Einheit der Kirche und zugleich ihrer Freiheit vom Staat und von der jeweiligen Gesellschaft. Die Unfehlbarkeit des Papstes wäre ohne die unfehlbare Kirche ein Unding und ein Unbegriff. Die Unfehlbarkeit des Papstes setzt die Unfehlbarkeit der Kirche voraus. Der Papst ist auf die Kirche bezogen, die Kirche auf den Papst. Glaubenswahrheit ist nämlich immer Zeugniswahrheit; sie ist an gesandte und bevollmächtigte Zeugen gebunden. Der Papst repräsentiert auch hier die Einheit der Kirche, indem er Jesus Christus repräsentiert. Er repräsentiert die Souveränität des Evangeliums über der Kirche. Dabei ist sein Dienst nicht nur ein repräsentatives Zeichen; er ist ein sakramental-wirkmächtiges Zeichen der Einheit der Kirche. Nicht Joseph Ratzinger ist unfehlbar. Der Papst Benedikt XVI. ist unfehlbar. Er „verliert“ diese Unfehlbarkeit, wenn er nicht mehr Papst ist. Sie geht auf seinen Nachfolger über.
Ein Papst wird bezeichnet als „servus servorum Dei“, als „Diener der Diener Gottes“. Bei Christian Schuler, Theologe und Journalist, habe ich einen Text gefunden, der, angewandt auf den Heiligen Vater, der Bedeutung des päpstlichen Titels: „Diener der Diener Gottes“ zu sein, eine interessante Perspektive verleiht: Ein religiöser Mensch untersteht nicht dem Zwang, „Erster“ sein zu müssen. Wir Menschen werden das nicht los, besser, schneller, moralischer als andere zu sein. Einem solchen Menschen ist der Erfolg die leitende Kategorie seines Handelns und seines Selbst- und Weltverständnisses. Einem religiösen Menschen reicht das per Definition nicht aus. Er weiß: Immer Erster zu sein ist langweilig; immer Erster-sein-zu-wollen macht krank. Die Lösung wäre: Letzter zu sein. Als ein solcher das Gesetz der Welt zu durchbrechen, wenigstens auf Probe, und ab und zu und in einem geschützten Rahmen, wo ein anderer als „Erster“ bereits definiert ist und mich dadurch frei und heil macht zu leben, der handelt gemäß dem Jesuswort: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein“ [Mk 10,43]. Und so könnte man diesen Satz auch umkehren und sagen: Derjenige ist euer Diener, der sich nicht scheut, der Erste zu sein.
Der visionäre Blick Karl Rahners auf den Papst und das Papstamt ist Realität geworden! Das nicht für möglich Gehaltene ist eingetreten. Die Überlegungen, mit denen der fiktive Papst seinen möglichen Rücktritt ins Auge fasst, sie finden sich auch im Rücktrittsschreiben von Benedikt XVI. Vergisst man dabei nicht, dass Karl Rahner mit seinem Aufsatz den Lesern die unvergängliche Aktualität des Papsttums erklären will, so steht ein solcher Amtsverzicht offensichtlich nicht gegen die Aktualität des Amtes und dessen Unvergänglichkeit. Warum? Weil ihm ein „Zauber“ innewohnt? Ein „Zauber“, der ihm genommen werden kann oder dessen er sich durch seinen Rücktritt selbst beraubt [„Entzauberung“]? „Zauber“ und „Entzauberung“ sind nicht nur aufeinander bezogen, sie sind auch ambivalent. Schließlich heißt es im letzten Satz des Briefes: Oder ist der Rücktritt „letztlich sogar tröstlich, weil er klarmacht, daß Gottes gnädige Vorsehung auch in der Kirche nicht alles durch die Taten eines weisen und mächtigen Papstes vollbringt?“
Überschätzter Pontifex
„Johannes, nimm dich nicht so wichtig“, hatte einst Johannes XXIII. gesagt. Es gab nicht nur Päpste, die sich wichtig nahmen; es waren oft genug auch die Gläubigen, die ihn wichtiger nahmen als er sich selbst. Die Rede von der „Entzauberung“ des Papstamtes, ist sie nicht ein Indiz dafür?„Zauber“? Waren es nicht manche Päpste und mit ihnen auch der Klerus und die Gläubigen selbst, die in der Kirche eine Mentalität erzeugt haben, die die Funktion und die Bedeutung des Papstes überschätzten, die er für sie zum Beispiel sowohl vom Dogma der Unfehlbarkeit wie im Blick auf die Geschichte der Päpste insgesamt her haben musste? Waren nicht sie es, die glaubten, es beim Papstamt mit einer Instanz zu tun zu haben, von der alle Impulse in der Kirche auszugehen hätten? Waren nicht sie es, die glaubten, es mit dem Papst als Lehrer zu tun zu haben, vor dem das Licht aller Denker und Theologen verblassen musste? Waren nicht sie es, die glaubten, mit ihm einen Menschen vor sich zu haben, der durch seine be-„zaubern“-de Menschlichkeit alle in seinen Bann ziehen konnte? Waren nicht sie es, die glaubten, mit dem Papst einen Großen dieser Welt vor sich zu haben, der sein Jahrhundert zu prägen verstand? Waren nicht sie es, die glaubten, mit ihm einen der größten Brückenbauer [„Pontifex Maximus“] vor sich zu haben, der alle und alles miteinander zu versöhnen hatte? Waren nicht sie es, die glaubten, es mit einem „Heiligen“ Vater zu tun zu haben, der selbst so beispielhaft lebt, dass er für alle Welt die größtmögliche moralische Instanz darstellt? „Heilig“ ist zwar grammatikalisch ein Eigenschaftswort, theologisch aber ist es ein Zugehörigkeitwort. Mit ihm wird die Zugehörigkeit des als „heilig“ bezeichneten Menschen und des ihm übertragenen Amtes zu Gott zum Ausdruck gebracht. Dieses wesentliche Bezogensein von Amt und Amtsträger auf Gott relativiert zugleich die Bedeutung der als „heilig“ bezeichneten Person [„Heiliger Vater“] und die seines Amtes [„Heiligkeit“]. Schließlich macht der Rücktritt des für Karl Rahner fiktiven Papstes klar – und das lässt sich wohl auch auf Benedikt XVI. übertragen –, dass Gottes gnädige Vorsehung in der Kirche nicht alles durch die Taten eines weisen und mächtigen Papstes vollbringt. Hatte nicht Benedikt XVI. selbst nach seiner Wahl zum Papst den Menschen zugerufen: „Ich bin nur ein einfacher Diener im Weinberg des Herrn!“?
Das alles besagt: Das Papstamt und seine Träger sind und bleiben durch alle Zeiten hindurch bedeutsam, weil sie sich Gott verdanken und nicht von Gnaden der Menschen das sind, was sie sind. Selbst die Wahl des Papstes durch die Kardinäle ist dafür ein Indiz. Schließlich wird das Wahlergebnis als ein Ergebnis verstanden, das sich des „Einflusses“ des Heiligen Geistes verdankt. Im Blick auf Gott und damit im Blick auf die theologische Perspektive ist das päpstliche Amt im Grunde schon immer „entzaubert“, und wenn erforderlich, zu „entzaubern“.
Bestand des Wesentlichen
Die unvergängliche Aktualität des Papsttums hat einen theologischen und damit einen sachlichen Grund. Die Rede von der „Entzauberung“ des Papstamtes durch den Rücktritt des Papstes kann eben diese Versachlichung deutlich machen, zu der dann, wenn sie verlorengegangen ist, wieder zurückzukehren ist. Dafür hat Benedikt XVI. mit seinem Rücktritt einen wesentlichen Beitrag geleistet. Das Wesentliche also bleibt, selbst wenn ein Papst zurücktritt. Sollte durch seinen Rücktritt tatsächlich der Eindruck entstehen, er sei dann auch nicht mehr als ein „normaler“ Regierungs- und Behördenchef, so entbehrt solcher Eindruck jeglicher theologischen Grundlegung, die wesentlich mit dem Papst und seinem Amt verbunden ist. Das Papstamt ist eben kein säkulares, es ist ein geistliches Amt! Solche theologische Qualifizierung des Amtes und damit seine Versachlichung [„Entzauberung“] kehrt wieder in den päpstlichen Vollmachten. Drei Beispiele:Das erste: In der besonderen Vollmacht des Papstes gegenüber der Kirche wird zeichenhaft dargestellt, dass die Kirche ihre Einheit und ihren Geist nicht aus sich selbst, nicht aus dem freien Zusammenschluss der einzelnen Glieder und Ortskirchen [Bistümer/Diözesen] hat, sondern aus der Stiftung und aus dem Heilswerk Jesu Christi. Der Papst repräsentiert also die Einheit der Kirche, indem er Jesus Christus, den letzten Grund der Einheit, repräsentiert. Er steht ganz in der Kirche; er ist wie jedes andere Glied in der Kirche tagtäglich auf Vergebung und Gnade angewiesen. Aber er steht der Kirche auch gegenüber, um ihr den Grund und das Ziel ihrer Einheit zu vergegenwärtigen. In diesem vom Wesen der Kirche her konstitutiven „In“ und „Über“ von Amt und kirchlicher Gemeinschaft ist das ius divinum, das göttliche Recht des Petrusamtes letztlich begründet.
Das zweite: Diese Einheit der Kirche ist zuerst und vor allem die Einheit im einen Glauben an den einen Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Der Petrusdienst an der Einheit muss darum vor allem ein Dienst am Glauben sein. So war es von der Sache her konsequent, wenn das Erste Vatikanische Konzil seine Primatsdefinition in der Unfehlbarkeitsdefinition aufgipfeln ließ. So machte es deutlich: Beim Petrusdienst geht es primär nicht um eine Organisationsspitze, um ein vielleicht wünschenswertes Kommunikationszentrum; es geht letztlich um einen primatus fidei, einen Glaubensprimat, einen voll mächtigen Dienst im Glauben. Der Papst ist konstitutives Zeichen, der Sprecher und der namentlich verantwortliche Zeuge der Einheit im einen Glauben.
Das dritte: Als Katholiken sind wir überzeugt, dass das Amt des Papstes ein wesentliches Geschenk des Herrn an die Kirche ist. Es ist für uns iure divino, von göttlichem Recht. Das bedeutet: Es ist für die Kirche konstitutiv. Es dient der Einheit der Kirche und zugleich ihrer Freiheit vom Staat und von der jeweiligen Gesellschaft. Die Unfehlbarkeit des Papstes wäre ohne die unfehlbare Kirche ein Unding und ein Unbegriff. Die Unfehlbarkeit des Papstes setzt die Unfehlbarkeit der Kirche voraus. Der Papst ist auf die Kirche bezogen, die Kirche auf den Papst. Glaubenswahrheit ist nämlich immer Zeugniswahrheit; sie ist an gesandte und bevollmächtigte Zeugen gebunden. Der Papst repräsentiert auch hier die Einheit der Kirche, indem er Jesus Christus repräsentiert. Er repräsentiert die Souveränität des Evangeliums über der Kirche. Dabei ist sein Dienst nicht nur ein repräsentatives Zeichen; er ist ein sakramental-wirkmächtiges Zeichen der Einheit der Kirche. Nicht Joseph Ratzinger ist unfehlbar. Der Papst Benedikt XVI. ist unfehlbar. Er „verliert“ diese Unfehlbarkeit, wenn er nicht mehr Papst ist. Sie geht auf seinen Nachfolger über.
Ein Papst wird bezeichnet als „servus servorum Dei“, als „Diener der Diener Gottes“. Bei Christian Schuler, Theologe und Journalist, habe ich einen Text gefunden, der, angewandt auf den Heiligen Vater, der Bedeutung des päpstlichen Titels: „Diener der Diener Gottes“ zu sein, eine interessante Perspektive verleiht: Ein religiöser Mensch untersteht nicht dem Zwang, „Erster“ sein zu müssen. Wir Menschen werden das nicht los, besser, schneller, moralischer als andere zu sein. Einem solchen Menschen ist der Erfolg die leitende Kategorie seines Handelns und seines Selbst- und Weltverständnisses. Einem religiösen Menschen reicht das per Definition nicht aus. Er weiß: Immer Erster zu sein ist langweilig; immer Erster-sein-zu-wollen macht krank. Die Lösung wäre: Letzter zu sein. Als ein solcher das Gesetz der Welt zu durchbrechen, wenigstens auf Probe, und ab und zu und in einem geschützten Rahmen, wo ein anderer als „Erster“ bereits definiert ist und mich dadurch frei und heil macht zu leben, der handelt gemäß dem Jesuswort: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein“ [Mk 10,43]. Und so könnte man diesen Satz auch umkehren und sagen: Derjenige ist euer Diener, der sich nicht scheut, der Erste zu sein.
Dr. Franz-Josef Overbeck (RC Essen) ist seit 2009 Bischof von Essen und seit 2011 katholischer Militärbischof der Deutschen Bundeswehr. bistum-essen.de
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