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Hoffmeisters Fundstücke

In die Tiefe – zwischen die Zeilen

Hoffmeisters Fundstücke - In die Tiefe – zwischen die Zeilen
© Jessine Hein/Illustratoren

Ob in Literatur, Musik oder Fotografie – Detailgenauigkeit kann inspirierend und erfüllend sein und zugleich eine kurzweilige Erfahrung erlebbar machen.

Martin Hoffmeister01.01.2021

Kunst und Kunsthandwerk stehen für grundsätzlich konträre Welten. Nichts verbindet die beiden sich ausschließenden Sphären. Allenthalben generiert das Gefälle Übergriffe von unten. Zeitgeist und Berufsaufgeregte fordern Nivellierung ein. Offensichtlich lässt es sich in Mittelmaß und Belanglosigkeit schmerzloser einrichten.

Ob Goethe und dessen solitäres Schaffen auch im 21. Jahrhundert langfristig als kanonische Größe fungieren, dürften weniger ‚Fach‘-Verständige als die Apologeten geistiger Moden entscheiden. Zumindest als ‚Marke’ werden Goethe und sein Vermächtnis wohl auf Weiteres existieren, nicht zuletzt weil die Klassikerstadt Weimar und andere einschlägige Institutionen dem Dichtertitanen verpflichtet sind. So taugt etwa Goethes Anwesen am Weimarer Frauenplan durchaus zur bau- und kunsthistorischen Ikone. Unverzichtbar als kulturelles Monument gilt das Haus der Stadt überdies als solitärer touristischer Hotspot. Zu Recht, wie der neue Band des Erlanger Kunsthistorikers Christian Hecht vielperspektivisch unterstreicht. Zentrum der Ausführungen bildet das von Goethe eigens für die Repräsentationsräume konzipierte konsistente wie enigmatische Bildprogramm, das, neben anderen Exponaten, Schlaglichter auf die eminent durchgestaltete Inszenierung des Goetheschen Geisteskosmos wirft. Der jederzeit wohlformulierte, detailgenaue und inspirierende Text und die aparte wie sinnstiftende Bebilderung machen den Band zur bibliophilen Preziose.

2021, helene grimaud, mat hennek, Elbphilharmonie
© Unitel

Dass die Suche nach neuen Konzert-Formaten zu immer durchwachseneren Ergebnissen führen würde, war abzusehen. Denn welche Beigabe sollte Musik bereichern oder zumindest stilvoll und angemessen begleiten, ohne sie zu desavouieren oder das Publikum zu dekonzentrieren? Für ein Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie, das jetzt auf DVD vorliegt, haben Pianistin Hélène Grimaud und Fotograf Mat Hennek eine schlüssige wie suggestive Konzeption für ein Kunst-Doppel aufgelegt. Henneks hinter dem Flügel auf eine imposante Leinwand projezierte Foto-Serie "Woodlands and Beyond" korrespondiert auf zauberische Weise mit den zwischen romantischen, impressionistischen und zeitgenössischen Tableaus changierenden Werken von Berio, Takemitsu, Faure, Ravel, Debussy und Liszt. Aus luzider Klang-Bild-Synergie erwächst originäre Raum-Zeit-Erfahrung.

Mit seinen Hör-Biografien von Komponisten-Legenden hat der Bayerische Rundfunk eine Reihe intelligenter, informativer und kurzweiliger Begleiter für Klassik-Liebhaber geschaffen. Die aktuelle Ausgabe nimmt Leben und Werk Franz Schuberts in den Blick. Unter dem Titel „die Liebe liebt das Wandern“ skizziert Autor Jörg Handstein entscheidende Wegmarken einer kurzen, versehrten, von Tragik, Krankheiten und Unglück gezeichneten Existenz, um diese in einem Werkekosmos zu spiegeln, der seine Kraft, Fragilität, seine Ausdrucks-Potenziale und Einzigartigkeit aus Melancholie und Trübsinn bezieht.

2021, andreas gursky, photography, fotografie, bauhaus
© Museum der Bildenden Künste, Leipzig

Insbesondere für zeitgenössische Kunst und Fotografie bildet das Museum der bildenden Künste in Leipzig mit seiner lichten, geradlinigen und reduzierten Architektur und Formensprache den idealen Rahmen. Für seine Werkschau hat der – in Leipzig geborene – Düsseldorfer Fotograf Andreas Gursky rund 80, teils großformatige Exponate ausgewählt, darunter auch selten gezeigte Werke. Gurskys abstrakte, minimalistische, in jedem Fall komplexe, form- und strukturfokussierte Arbeiten verweisen – über ästhetische Konsistenz hinaus – stets auf gesellschaftliche, politische oder philosophische Aspekte.


    1. Christian Hecht, Goethes Haus am Weimarer Frauenplan, Hirmer, 220 S., 130 Abb. in Farbe, 30 Euro
    2. Hélène Grimaud, Mat Hennek, Woodlands and Beyond, Elbphilharmonie Hamburg, C Major 755408, DVD
    3. Schubert, Die Liebe liebt das Wandern, Eine Hörbiografie von Jörg Handstein gelesen von Udo Wachtveitl & Robert Stadlober, BR Klassik 900927, Hörbuch
    4. Ausstellung: 'Andreas Gursky', Museum der bildenden Künste Leipzig bis 05.04.21, Infos: mdbk.de
Martin Hoffmeister

Martin Hoffmeister publiziert regelmäßig in nationalen und internationalen Magazinen und Zeitungen. Als Redakteur im Kulturressort des MDR-Hörfunk beobachtet er die Musik- und Literaturszene seit mittlerweile drei Jahrzehnten. Im Rotary Magazin empfiehlt er Neuerscheinungen aus dem Kulturleben und Fundstücke von seinen Reisen.

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