Hoffmeisters Empfehlungen
Königliches bei Tage, bei Nacht und bei Tisch
Werke über Liebesschmerz und Sehnsüchte
An Mozarts „Die Zauberflöte“ scheiden sich seit jeher die Geister. Was den einen als naives Märchenspiel mit indifferenter Botschaft oder wüster Nonsens gilt, ist den anderen symbolträchtiges Drama und erhabenes Kunstwerk. Die unterschiedlichen Wahrnehmungen spiegeln sich unmittelbar im vielgesichtigen Inszenierungsspektrum. Lydia Steiers viel beachtete, kontrovers diskutierte Produktion von den Salzburger Festspielen 2018 versöhnt den traditionellen Zugang mit launig-schrillem Experiment. Aus dem fulminant besetzten Sängerinnen-Tableau weiß vor allem Protagonistin Albina Shagimuratova für sich einzunehmen: Nie vernahmen wir die Königin der Nacht rachsüchtiger, abgründiger, vehementer und zynischer, selten zumal elektrisierender und handwerklich versierter.
Kaum eine zweite Frauenfigur der Geschichte beschäftigte Historiker, Schriftsteller und Komponisten in vergleichbarer Weise. Bereits zu Lebzeiten avancierte die italienisch-spanische Fürstin Lucretia Borgia zur Legende. Zwischen Machthunger, Intrigen, ausschweifendem Lebensstil, Inzest und Mordverstrickung wurde der unehelichen Tochter von Papst Alexander VI. vieles angedichtet. Nicht alle Zuschreibungen halten der einschlägigen Forschung stand. Gewiss ist: Die lebenshungrige, hochgebildete, den Künsten, insbesondere aber der Musik und dem Tanz zugewandte Fürstin fungierte als exzellente Netzwerkerin ihres korrupten Vaters und ihrer Ehemänner. Als Kunstmäzenin, virtuose Sängerin, Lautenistin und vorzügliche Tänzerin engagierte sich Borgia umfassend für die höfische Musikkultur der italienischen Renaissance. Die CD des renommierten spanischen Ensembles „Capella de Ministrers“ vermittelt einen repräsentativen Eindruck von den zeittypischen Tänzen und Liedern. Die von Liebesschmerz und Todessehnsucht aufgeladenen Werke wissen um die Noblesse der Melancholie.
Kategorien, Grenzen und Gewissheiten sind ihr ebenso fremd wie Stereotype, Ressentiments und zementierte Wahrnehmungsmuster. Schreiben, insbesondere aber Denken der amerikanischen Autorin Siri Hustvedt, zielen auf stete und unbedingte Sezierung, Auffaltung und skrupulöses Hinterfragen der Verhältnisse. Hustvedts Denken feiert das Offene, die Bewegung des Intellekts. Weniger an Ergebnissen und Endgültigem scheint die New Yorkerin dabei interessiert als am Denkprozess selbst, an Differenz und Distinktion. Hustvedts Texte kreisen um Genderfragen, Feminismus, Rassismus und Sexismus ebenso wie um bildende Kunst, Politik, Aspekte literarischen Schaffens, philosophische, neurologische und psychologische Sujets. Exemplarisch zeigen sich Hustvedts intellektuelles Vermögen, zentrale Themen und Denkwege im Gespräch mit der Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen. Der Blick in die Zwischen- und Unterwelten der Existenz erkennt sich als notwendiges Korrektiv.
Die Region zwischen Freiburg und Basel bietet Kulinarikern und Weinaficionados ein selten dichtes Angebot hochkarätiger Destinationen. Zu den eindrücklichsten Etablissements in Südbaden zählt seit Jahren der Hirschen in Sulzburg. Die Küche von Douce Steiner versöhnt regionale Einflüsse mit französischen Akzenten und eigener originärer Handschrift. Perfektionismus, Eleganz und Authentizität versprechen überdies das erlesene Weine-Tableau und ein stilsicher gestalteter Gastraum.
- Salzburger Festspiele Mozart – Die Zauberflöte, staged by Lydia Steier, Wiener Philharmoniker, C Major 749708, DVD //
- Lucretia Borgia Capella de Ministrers, Carles Magraner, Capella de Ministrers, CDM 1946, CD //
- Siri Hustvedt Wenn Gefühle auf Worte treffen, Ein Gespräch mit Elisabeth Bronfen, Kampa Verlag, 294 S., 22.- Euro //
- Hotel Restaurant Hirschen – Douce Steiner, 79295 Sulzburg, Hauptstrasse 69, www.douce-steiner.de
Martin Hoffmeister publiziert regelmäßig in nationalen und internationalen Magazinen und Zeitungen. Als Redakteur im Kulturressort des MDR-Hörfunk beobachtet er die Musik- und Literaturszene seit mittlerweile drei Jahrzehnten. Im Rotary Magazin empfiehlt er Neuerscheinungen aus dem Kulturleben und Fundstücke von seinen Reisen.
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