Ausstellungen
Sicherung unseres Kulturerbes
Johanna Rachinger (RC Wien-Stephansplatz) ist seit 2001 Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, die auch ein breites Ausstellungsprogramm präsentiert.
Wir müssen wohl anerkennen, dass die Printmedien ihre Rolle als dominierende Leitmedien unserer Kultur längst an Computer und Internet abgegeben haben. Das Buch wird aber sicher noch lange weiterbestehen, so wie die Malerei nach der Erfindung der Fotografie oder das Theater nach der des Films und des Fernsehens. Aber in bestimmten Bereichen wie bei Nachschlagewerken, Wörterbüchern oder Bibliografien werden Printausgaben wohl langfristig verschwinden, weil es rationellere elektronische Formate gibt“, zeigt sich Johanna Rachinger, seit 2001 Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, überzeugt.
Nach dem Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik wird die gebürtige Oberösterreicherin Lektorin im Wiener Frauenverlag. Anschließend leitet sie die Buchberatungsstelle des Österreichischen Bibliothekwerks. 1992 wechselt sie in den Verlag Ueberreuter, wo sie bis zur Geschäftsführerin aufsteigt.
„Die spannende Aufgabenstellung, die Österreichische Nationalbibliothek aus der staatlichen Verwaltung in die Vollrechtsfähigkeit zu führen“, nennt sie als Beweggrund, weshalb sie sich entschloss, im Juni 2001 als Generaldirektorin an dieses Flaggschiff der österreichischen Kultur zu wechseln.
Reizvolle Aufgabe
Hier hatte sie „die Möglichkeit, dieses traditionsreiche Haus eigenverantwortlich umfassend zu gestalten. Ich konnte neben meinen kulturellen Erfahrungen auch meine wirtschaftliche Kompetenz einbringen, und es hat mich gereizt, diese große Verantwortung zu übernehmen. Darüber hinaus war aber auch die Vorstellung reizvoll, die größte Bibliothek des Landes mit ihrer nahezu 650-jährigen Geschichte in einer Zeit großer Umstellungen und Neuorientierungen im gesamten Medienbereich in die Zukunft zu führen.“
Von Anfang an ging es ihr darum, die altehrwürdige, im Herzen Wiens gelegene Nationalbibliothek zu einer service- und dienstleistungsorientierten Einrichtung umzugestalten und „das Haus für eine breite Bevölkerungsschicht zu öffnen. Das begann mit wesentlich erweiterten Öffnungszeiten in unseren Lesesälen bis zu einem breiten Ausstellungsprogramm, das die Vielfalt unserer Sammlungen repräsentiert.“
Gleichzeitig begann sie mit dem Aufbau einer virtuellen Bibliothek, ein Vorhaben, das zusammen mit Google realisiert wird. Ein, wie Rachinger zu Recht formuliert, „Meilenstein“: „Diese große Private-Public-Partnership ermöglicht, den gesamten historischen, das heißt urheberrechtsfreien Buchbestand – das sind etwa 600.000 Bände – innerhalb weniger Jahre zu digitalisieren.“ Der Abschluss dieses Projekts ist für 2018 geplant.
Fortschreitende Digitalisierung
Welche Aufgabe bleibt in Zeiten fortschreitender Digitalisierung für eine Nationalbibliothek? Auch dazu hat Johanna Rachinger, die mehrfach geehrt wurde – 2010 wurde sie „Österreicherin des Jahres“ in der Kategorie „Kulturmanagement“, 2012 von der Wiener Wirtschaftsuniversität zur Managerin des Jahres 2012 gekürt, 2013 Kommunikatorin des Jahres, und 2016 erhielt sie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse – klare Vorstellungen: „Ihre grundsätzliche gesellschaftliche beziehungsweise kulturpolitische Aufgabe ist unverändert geblieben: die Sammlung, dauerhafte Archivierung, Erschließung und möglichst einfache Zur-Verfügung-Stellung unseres schriftlichen Kulturerbes, das heißt unseres kollektiven, über Generationen angesammelten Wissens.
Die Mittel, mit denen dies geschieht, haben sich freilich in den letzten 20, 30 Jahren grundlegend geändert. Heute müssen Nationalbibliotheken nicht nur das gedruckte Dokumentenerbe erschließen, sondern auch mit der Vielfalt an Online-Publikationen, mit E-Books und E-Journals et cetera umgehen. Seit einigen Jahren archivieren wir auch das österreichische Web und sammeln sogenannte born digital Medien. Wir tun dies in Verantwortung für spätere Generationen.“
Und so sieht die Topmanagerin generell die Herausforderungen von Nationalbibliotheken: „Nationalbibliotheken verstehen sich heute – zusammen mit Museen und Archiven – als Gedächtnisinstitutionen, sie sind verantwortlich für die dauerhafte Sicherung eines wesentlichen Teiles unseres Kulturerbes. Keine Gesellschaft kann ihre eigene kulturelle Identität ohne diese historische Dimension bewahren oder auch nur definieren. Damit erhalten Nationalbibliotheken neben ihrer praktischen Funktion als Serviceeinrichtungen eine sehr brisante symbolische Funktion.
Das Buch ist nicht akut gefährdet
Eine Voraussetzung dafür, dass Bibliotheken die Funktionen erfüllen können, ist das dauerhafte Bestehen dieser Institutionen selbst, das heißt, dass sie ihre eigene Identität im Wandel der politischen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt technologischen Veränderungen bewahren.“
Als Antwort, wie Bibliotheken dem Anspruch der Wissensgesellschaft von morgen genügen können, hat die Österreichische Nationalbibliothek eine „Vision 2025“ entwickelt: „Dazu gehören Online-Tools ebenso wie der Aufbau einer virtuellen Bibliothek sowie Themen wie Crowdsourcing oder digitale Editionsplattformen, um einige Trends zu nennen.“ Das Buch sieht sie trotz dieser Entwicklungen „in keiner Weise akut gefährdet, nicht nur, weil wir uns so sehr daran gewöhnt haben, sondern vor allem auch, weil es ein ungeheuer nützliches, praktisches und übersichtliches Medium ist“.