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We are family

 - We are family
© Jens Koch

Wie in einem Rotary Club in Münster eine rotarische Liedersammlung zusammengetragen wurde

01.06.2022

Als unser Freund Wolfgang Hölker vor Jahren ein Liederbüchlein mit dem Titel "We Are Family" veröffentlichte, verfolgte er das Ziel, dass jeder Clubfreund, wenn er es nur schaffte, rechtzeitig das Heft aus der Westentasche hervorzuziehen, ein prachtvolles Lieder-Repertoire parat hätte, ausreichend, um jeder rotarischen Sanges-Herausforderung standhalten zu können.


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In seinem Vorwort erwähnt er die Begebenheit, die ihn zur Publikation der Textsammlung inspirierte: Die Yorker Viking, unser englischer Partner-Club, verabschiedeten sich nach einem gemeinsamen Zusammensein in Dresden mit einem geharnischten Volksliedervortrag, der bei den vergleichsweise Gesangs­ unfreudigen Himmelreichern Erstaunen und Neid erregte.

Text-Unsicherheit wurde umgehend als Hemmschuh für den eigenen unbefangenen Umgang mit unseren Volksliedern diagnostiziert. Hilfe musste her und "We Are Family" wurde in die Welt geworfen. Und was für eine Liedersammlung ist es geworden!

Los geht es mit dem "Rotary-Lied", dessen Text in gleich drei Sprachen vorliegt. Gesungen werden diese Zeilen aus der Feder unseres verstorbenen (und, wie sich jeder gern erinnert, äußerst reimfreudigen) Clubfreundes Paul Schnitker zur Weise von "Mein Vater war ein Wandersmann". Das verspricht auf jeden Fall schon mal ein Höchstmaß an Internationalität, gehört diese Melodie doch als "The Happy Wanderer" auch in England und den USA zu den populärsten volkstümlichen Schlagern. Die Tatsache, dass der Text des "Rotary-Lieds" dem Oeuvre eines unserer Gründerväter entstammt, rechtfertigt einen kurzen Abstecher in die Historie der Melodie: Allein 1954 gab es mindestens fünf Erfolgsversionen amerikanischer und britischer Schallplattenkünstler, von denen zwei sogar die Top Ten erreichten (nur der Vollständigkeit halber erwähne ich die Interpreten: The Stargazers, Frank Weir, Henri Rene, Tommy Leonetti und Louis Prima).

Das fröhlich-schallernde "Falleri Fallera" des Refrains aber, das gerade unseren anglo-amerikanischen Freunden so gut gefällt, muss man sich bei der Lektüre des Textes im hier besprochenen Heft in drei Sprachen selbst dazu denken. Ganz nebenbei: Es handelt sich bei diesem schwungvollen Lied keineswegs um eine alte Volksweise. Es stammt nicht einmal aus der legendären und gern beschworenen Wandervogelzeit. Vielmehr ist "Mein Vater war ein Wandersmann" der Höhepunkt in der Schaffensgeschichte des Folkwang-Schülers, Violinisten, Trompeters und Gastwirts ("Hotel Möller" in Höxter, unvergessen!) Friedrich Wilhelm Möller. Der 1911 in Gelsenkirchen geborene und 1993 in Segur de Calafell gestorbene Möller benutzte als Text ein 1846 geschriebenes Gedicht von Florenz Friedrich Sigismund, komponierte aber seinen Wanderschlager erst Anfang der 1950er-Jahre in Obernkirchen/Niedersachsen. Dieser eine große Wurf hat ihn, wenn schon nicht wirklich berühmt, so doch ausgesprochen wohlhabend gemacht.

Auf den fröhlichen Wanderer folgen im rotarischen Liederheft die großen und zu Volksliedern gewordenen Oden an:

  • die Freude im Allgemeinen,
  • die Lebensfreude im Besonderen,
  • die Lorelei,
  • die freien Gedanken,
  • den aufgegangenen Mond und
  • das zum Hinausziehen animierende Städtele.

Lustvoll kann man sich in die Zeilen von Friedrich Schiller bis Heinrich Heine und von Johann Martin Usteri bis Matthias Claudius versenken und erfährt ganz nebenbei, wer denn nun wirklich für das ergreifendste aller deutschen Volkslieder ("Kein schöner Land in dieser Zeit" selbstverständlich) verantwortlich zeichnet. Dazu besticht die feinsinnige Austarierung der Lied-Provenienzen zwischen Rheinland, Schwaben, Schweiz, Hamburg und Westfalen.

Da Treffen mit rotarischen Freunden aus dem englischen oder französischen Sprachraum für den gemeinen Himmelreicher die wahrscheinlichsten internationalen Optionen darstellen, hat Wolfgang geschickt die eine oder andere englische, schottische oder französische Nummer ins Programm gehoben. Sollte also jemand auf die Idee verfallen, "Greensleeves" auf englisch mitschallern zu wollen - hier ist die Chance. Den nicht kaputt zu kriegenden "Bruder Jakob" schenkt man uns im Heft in nicht weniger als neun(!) Zungen.

"Auld Lang Syne", das unsterbliche und weltweit populäre Abschiedslied des schottischen Volksdichters Robert Bums (1759 - 1796) gibt es hier nicht nur in seiner im Englisch des 18. Jahrhunderts abgefassten Originalversion, sondern auch auf Französisch und Deutsch.

Hand aufs Herz: Wer hat nicht als Zehnjähriger im Pfadfinderlager am nächtlichen Kaminfeuer diese Zapfenstreich-Hymne mit Tränen in den Augen zu robustem Wandergitarren-Geschrammel mitgesungen? Erinnert sich noch jemand an den deutschen Text? Hier, in diesem Büchlein steht er: "Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr." Und was, wenn man allen "Jolly Good Fellows" dieser Welt noch ein rotarisches Geburtstagsständchen bringen will? Die rotarische Liederfibel liefert "Happy Birthday To You" in nicht weniger als dreiundzwanzig alphabetisch angeordneten Sprachen. Gut, dass Wolfgang daran gedacht hat, gerade die für uns Münsteraner entscheidenden rotarischen Idiome wie Philippinisch, Tansanisch oder Koreanisch in den klingenden Geburtstagsgruß mit einzubeziehen.

Dieses Heftchen, hübsch und geschmackvoll zurechtgemacht (wen wundert's?), darf tatsächlich in keines Clubfreundes "every day carry" fehlen, ist es doch per­fekt geeignet, uns allen eine längst vergessen geglaubte sängerische Souveräni­tät zurückzugeben. Dazu verleiht es jedem, der stolz von sich sagen kann "Ich bin ein Himmelreicher", jenes kosmopolitische Flair und die typisch rotarische Flamboyance, die sich immer dann einstellen, wenn der eigentlich regional verwurzelte Mensch freudvoll über den Rand seines eigenen Nachttopfs hinaus­ schaut.

Und so schließe ich meine Betrachtungen mit Lied Nummer 4, Sprache Nummer 11 und rufe meinen Clubfreunden aus Anlass unseres 50-jährigen Jubiläums singend zu:

2022, götz alsmann, beste freunde, buch
© Koopmann

Tanti Auguri a te
Tanti auguri a te
Tanti auguri a te
Caro regno del Cieli
Tanti auGuri a te!

Götz Alsmann
RC Münster-Himmelreich

PS: Text und Musik von "Kein schöner Land in dieser Zeit" stammen selbstverständlich von Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio (1803-1869) – aber wem sage ich das?


Kapitel aus dem Buch "Beste Freunde", welches der RC Münster-Himmelreich anlässlich seines 50. Geburtstages herausgegeben hat.