Volker Bartsch (RC Berlin-Alexanderplatz)
Wer sich einmal bückt, der bückt sich immer
Seine bronzenen Skulpturen stehen an markanten Punkten Europas und Amerikas. Monumental, kraftvoll – wie für die Ewigkeit geschaffen. Die Menschen machen Pause in ihrem Schatten, mutige Kinder klettern sogar an ihnen empor. Den Bildhauer, Maler und Grafiker Volker Bartsch, einen der prominenten und viel beschäftigten Bildhauer seiner Generation, freut das. Seine Werke sollen die Städte nicht möblieren. Sondern neue Räume und ungewöhnliche Sichtachsen kreieren, Treffpunkte sein, gerne auch für Fragen sorgen.
Schon seit frühester Jugend denkt der gebürtige Niedersachse, 59, mit dem Zeichenstift. Er tauscht seine Bilder gegen Mathe-Hausaufgaben, malt Auftragsplakate und setzt den Erlös für privaten Malunterricht ein. Doch vor dem ersehnten Kunststudium pochen die Eltern auf einen „anständigen“ Beruf, eine kaufmännische Ausbildung. Eine knappe Stunde nach der Lossprechung vor der IHK sitzt Bartsch bereits im Zug nach Berlin. Und bleibt – mit Unterbrechungen – bis heute. Nach dem Studium der Bildhauerei an der Universität der Künste macht er in Marokko Experimente mit Lehmschmelzöfen, untersucht in Portugal Natursteinstrukturen und zieht für ein paar Jahre zu Mal- und Bronzeguss-Studien in die Toskana. 1985 bekommt er seinen ersten öffentlichen Auftrag, die Gestaltung des Ammoniten-Brunnens vor dem Zoo in Berlin. Weitere 35 Arbeiten für den öffentlichen Raum folgen. Darunter: „Perspektiven“, die größte und komplexeste Bronzeskulptur Europas.
Malerei und Grafik nutzt er als gleichberechtigte Medien. Sie erlauben, Gedanken schneller und unmittelbarer umzusetzen. Andere Themen zu bearbeiten. Und die Farbe als gezieltes Stilmittel einzusetzen. Aber auch sie durchbrechen die Grenzen zur Dreidimensionalität und zeigen in jedem Werk die Hand des Plastikers.
Besonders fesseln Bartsch ausrangierte Industrierelikte. In den 1990er Jahren wühlt er sich durch zahllose Schrottplätze, um Stahlplatten zu finden, deren farbige Oberflächen unternehmenstypische Zeitbezüge aufweisen (etwa „Siemens-Rot“ oder „Thyssen-Blau“) und deren Verletzungen, Kratzer und Abschürfungen Parallelen zur informellen Malerei zeigen. Der Künstler wahrt diese einzigartige Bildhaftigkeit und fügt die Module zu neuen Volumina zusammen. Später „rettet“ er 140 Jahre alte Holzformen für den Guss von Lokomotivteilen, aber auch fast ebenso alte Bahlsen-Maschinen, und ergänzt markante Teile mit technoiden Bronzekompositionen. Das hebt die vergessenen Stücke als Symbole ihrer Zeit heraus und gibt ihnen einen völlig neuen Wert. „Wir leben in festen Strukturen und denken in Rastern“, sagt Bartsch. „Die möchte ich aufbrechen. Deshalb kombiniere ich Dinge, die unvereinbar scheinen: Themen, Formen, Materialien, Blickachsen. Und schaffe so ungewohnte Situationen.“ Dazu passt auch, dass keine seiner Skulpturen einen rechten Winkel aufweist. Dass die Schweißnähte der Bronzen bewusst wulstig modelliert werden, um sich von den homogenen Oberflächen abzuheben. Und dass er sich weigert, aktuellen Tendenzen nachzulaufen. „Meine Kunst mache ich so, wie ich will“, sagt er bestimmt, „und nicht, weil gerade irgendwas Mode ist. Wer sich einmal bückt, der bückt sich immer.“