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Erster Weltkrieg – »LLLL«

Liebe Leserin, lieber Leser,

14.03.2014

der 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs wirft seine Schatten voraus. Von den zahlreichen Büchern, die dazu in den letzten Monaten erschienen sind, wird in der Öffentlichkeit vor allem ein Titel diskutiert: „Die Schlafwandler“ von Christopher Clark. Dieser befasst sich detailliert mit der Vorgeschichte des Krieges und kommt zu dem Schluss, dass das Kaiserreich Wilhelms II. weit weniger Schuld am Ausbruch des Krieges trägt als es bis dato allgemeine Auffassung war. Der Autor beschreibt stattdessen komplizierte Mächtekonstellationen, die 1914 zu einer Verkettung fataler Entscheidungen geführt haben.

Nicht nur auf Seiten der einstigen Kriegsgegner – England und Frankreich hatten die deutsche Kriegsschuld in den Versailler Vertrag geschrieben und seitdem keinen Anlass gesehen, davon abzuweichen – stießen Clarks Thesen auf Kritik. Auch in Deutschland wird die neue Sicht auf das Jahr 1914 keineswegs nur begrüßt. Seit den 60er Jahren hatte sich hierzulande – auf der Suche nach den Ursachen der Katastrophe der NS-Diktatur – die Theorie von einem „deutschen Sonderweg“ in die Moderne entwickelt. Ihre Vertreter sahen in der Geschichte des eigenen Landes – vor allem im Vergleich zu Großbritannien oder Frankreich – erhebliche Demokratiedefizite und durchgehende Traditionslinien von Luther über Friedrich den Großen zu Wilhelm II. und letztlich zu Hitler. Ein wichtiger Bezugspunkt dieser Lehre waren die Thesen des Hamburger Historikers Fritz Fischer, der 1964 in seinem Buch „Griff nach der Weltmacht“ die Ansicht vertrat, dass das Kaiserreich keineswegs in den Ersten Weltkrieg geschlittert sei, sondern planmäßig imperiale Interessen verfolgt habe. Demzufolge war Hitler kein Betriebsunfall der Geschichte, sondern der Endpunkt einer langen Fehlentwicklung, die erst mit der Gründung der Bundesrepublik korrigiert wurde.
Clarks Ansatz ist im Grunde gar nicht die Schuldfrage. Vielmehr zielt der Historiker darauf ab, die Juli-Krise von 1914 als ein modernes Ereignis zu verstehen, das durchaus Ähnlichkeiten zur internationalen Lage des Jahres 2014 aufweist, vor allem im Hinblick auf die Bedrohung des Friedens in Europa durch Konflikte an der Peripherie. Auch wenn derlei Vergleiche Grenzen haben – die einstigen „Erbfeinde“ Frankreich und Deutschland zum Beispiel sind längst freundschaftlich verbunden – so schärft der Blick in die Vergangenheit durchaus die Sinne für das Begreifen der Gegenwart. Dabei geht es gestern wie heute weniger um Werturteile als vielmehr um das Verständnis komplexer Ereignisse (ab Seite 38).

Eine der größten Erfolgsgeschichten Rotarys in Deutschland ist das Bildungsprojekt „Lesen lernen – Leben lernen“. Seitdem der Buchhändler Helmut Falter in seinem Governor-Jahr die Idee hatte, Schulklassen mit altersgerechten Kinderbüchern zu versorgen (später kamen spezielle begleitende Arbeitsmaterialien für die Lehrer hinzu), verbreitete sich „LLLL“ kontinuierlich über das ganze Land. Heute ist es – neben PolioPlus – eines der erfolgreichsten und langlebigsten rotarischen Projekte überhaupt. Der zehnte Jahrestag ist nun ein guter Anlass, dessen beeindruckende Geschichte zu erzählen – und zugleich weitere Clubs einzuladen, daran mitzuwirken (ab Seite 14).