Titelthema
Adenauer, der Rosengärtner
Der erste Kanzler der Bundesrepublik schleppte Gießkanne um Gießkanne, griff zum Spaten, ackerte und ließ die Rosen blühen.
Ja, es gibt sie, die duftende Edelrose „Konrad Adenauer“. Er erlaubte dem Züchter Tantau, einer roten Rose seinen Namen zu geben. Die Legende, dass der Gründungskanzler der Bundesrepublik ein Rosenzüchter war, hält sich aber bis heute. Er hat es dementiert, es hat aber nichts genützt. Und es war ihm recht. Denn lange bevor man solche Geschichten „Homestorys“ nannte, wusste er um deren politischen Nutzen: Er posierte für Fotografen immer wieder mit Rosen in seinem Hanggarten in Rhöndorf am Rhein und ließ schreiben: „Ich habe Hochstamm, Strauchrosen und Kletterrosen. Jede ist an ihrem Platze schön. Meine Lieblingsrosen sind: Gloria Dei, Herbert Hoover und Konrad-AdenauerRosen.“ Natürlich die auch, obwohl es sie nicht als Hochstammrosen gab, die er bevorzugte. Da musste er sich nicht bücken.
Hören Sie hier den Artikel als Audio!
Einfach anklicken, auswählen und anhören!
Als „rheinischen Gartenfreund“ betitelte Rudolf Augstein Adenauer 1948 im Spiegel, als er zu einem sehr wohlwollenden Interview – beide verband bald eine lebenslange Feindschaft – nach Rhöndorf kam. Der Sohn Paul verriet ihm: „Vater gibt an, ob im Garten ein Rosenstock umgesetzt werden soll und ob meine Schwester Libet Kuchen backen darf.“ In der Familie herrsche „nicht das demokratische Prinzip des Staates, sondern das diktatorische, wie es sich für eine Familie ziemt“. Nicht nur in Adenauers Familie war das damals gottgegeben.
Ein Garten in Gedanken
Der Herr Dr. Adenauer war ein so tatkräftiger wie beliebter Oberbürgermeister von Köln, bis er 1933 von den Nazis unter Todesdrohungen („Adenauer an die Mauer“) aus dem Amt gejagt wurde. Im Kloster Maria Laach konnte er sich verstecken. Da hatte er viel Zeit, las Bücher über Gartenkultur, blätterte in Gartenkatalogen, kreuzte Rosen an. So entstehe ein „Garten in Gedanken“, schrieb er.
1938 wurde aus seinem „Garten in Gedanken“ dann in Rhöndorf ein Garten mit Bäumen, Beeten und Rosen. Wie auch das Wohnhaus plante er ihn selbst, zeichnete den Grundriss, entwarf die Bepflanzungspläne, griff zu Spaten und Schubkarre, ackerte, begrünte und ließ Rosen blühen. Da war er 62 Jahre alt. Bis zu 40 Zehn-Liter-Gießkannen schleppte er den Steilhang hinauf, der zuvor ein Weinberg gewesen war. Dabei sei er glücklich gewesen. Das machte er, bis er dann 1949 vom Bundestag mit einer Stimme Mehrheit Kanzler-Richtlinienkompetenz zugesprochen bekam. Da war er 73 Jahre alt und blieb Kanzler, bis die FDP („Der Alte muss weg“) ihn aus dem Amt drängte. Da war er 87.
Politische Lehren aus dem Gärtnern
Der Kanzlergarten in Rhöndorf war nicht sein erster Garten. Er habe immer eine heimliche Sehnsucht nach dem „verlorenen Garten seiner Kindheit“ gehabt. Das waren zwei schmale Beete im Hinterhof eines versmogten lichtlosen Kölner Viertels, die ihm der Vater einräumte, damit er von der Natur lerne. Und das klappte auf Anhieb. Er säte schnellkeimende Radieschen, zog sie aber zu früh aus dem Boden. Tja, meinte der Vater, man müsse eben Geduld haben. Das war seine erste Lehre. Die zweite folgte. Der Elfjährige wollte sich mit der „Viola tricolor Adenaueriensis“ einen Namen in der Botanik machen. Seine Züchtung aus Stiefmütterchen sollte dreifarbig wie eine Geranie ranken. Ging schief. Man könne, so seine Gartenerfahrung, in der Natur nicht zusammenzwingen, was nicht zusammenpasse. Das ließ den CDU-Mann später Koalitionen mit der SPD vehement ablehnen. Aber einen visionären Grünen, avant la lettre, muss man ihn schon nennen. Denn 1920 proklamierte er als Oberbürgermeister: „Wald, Feld und Wiesen sind eine Lebensfrage Kölns.“ Er wollte nicht, dass das nach dem Ersten Weltkrieg nutzlose Terrain des Festungsgürtels Bauspekulanten überlassen wird. Er ließ Land für den Grüngürtel „zum Wohle der Großstadtbevölkerung“ enteignen. Warum soll der Städter „ein Höhlenbewohner sein, in dessen Mauern Sonnenaufgang und -untergang und die Natur nicht mehr zu sehen und zu spüren ist! Soziale Gesichtspunkte verlangen gebieterisch, dass das Privateigentum an Grund und Boden sich höheren Zielen unterordnen muss.“
Man staune! Seitdem zieht sich der Grüngürtel kilometerbreit rund um Köln mit Wiesen, Seen und Sportplätzen. Und mit Rosengärten, die er anlegen ließ. 1938 konnte er dann in Rhöndorf, wegen des Klimas auch „Nizza am Rhein“ genannt, sein eigenes Gartenparadies verwirklichen.
Adenauer musste natürlich Mitglied in der „American Rose Society“ sein. Jede Gärtnerin, jeder Gärtner weiß, Rosen sind die bedornten Diven im Garten. Sie müssen pflegeintensiv hofiert werden. Als sein Garten zum Kanzlergarten wurde, schleppten andere die Gießkannen. Er griff nur noch zur Rosenschere. Aber er kümmerte sich noch immer penibel um alles und jedes. Dem Fräulein Sekretärin diktierte er seitenweise Anweisungen bei Rundgängen: „Im Hintergrund mehr Nussbäume pflanzen. Hohe Rosen weg. Die Rankrosen wegnehmen. Von da aus möchte ich aber gerne blühende Rosen sehen.“
„Da können Se Jeduld lernen“
Als Politiker verwies er gerne auf seine Gartenerfahrungen. „Erfahrungen sind wie die Samenkörner, aus denen die Klugheit emporwächst.“ Und als ihn im Frühjahr 1945 Lieutenant Colonel Patterson, der amerikanische Militärgouverneur, wieder als Oberbürgermeister nach Köln holen wollte, fragte ihn Adenauer: „Haben Sie einen Garten?“ – „Warum?“, fragte Patterson zurück. „Da können Se Jeduld lernen“, antwortete der Gärtner aus Leidenschaft in seinem unverwechselbaren rheinischen Tonfall. Oberbürgermeister wolle er nicht mehr werden. Er fühle sich „vor allem dazu ausersehen, das deutsche Volk von Grund auf zum Frieden zu erziehen“. Und zur Demokratie, wird er später ergänzen. Geduld war in der Tat nach der Naziverseuchung vieler Deutscher gefragt.
Der Griff zur Giftspritze
Ein Garten hingegen kann nie eine demokratische Veranstaltung sein, ein Garten ist eine Schöpfung, wie der Paradiesgarten. Könnte es sein, dass der Rosenliebhaber Adenauer auch die Bundesrepublik als seinen Garten betrachtete? Dass er sich als ihr „head gardener“, als ihr Obergärtner verstand? Sein Sohn Paul notierte in seinem Tagebuch: „Vater: Unglücklicher Tag. Er sagte: ‚Was ich mir da aufgeladen habe. Partei! Volk und Vaterland retten. Ich bin Gärtner, der sät, hegt und pflegt und wachsen lässt‘.“ Doch Adenauer säte, hegte und pflegte nicht nur, er jätete und holzte auch ordentlich und griff auch schon mal zur Giftspritze – in der Fraktion, im Parlament und in der Öffentlichkeit. Und, wie jetzt bekannt geworden ist, hatte er sogar einen Maulwurf, einen der ärgsten Feinde des Gärtners, im SPDVorstand. Ein BND-Agent Gehlens rapportete ihm jahrelang. Klarer Verfassungs- und Gesetzesbruch. Ein dunkler Schatten mehr auf die durch und durch autoritäre „Ära Adenauer“, die beschönigend auch „Kanzlerdemokratie“ genannt wird. Aber man kann es ihm heute nicht mehr abstreiten: Er hat die Bundesrepublik gesät und in den Westen gepflanzt. Die Farben seiner Rosen sollen „rein und leuchtend sein“, so Adenauer. Und seine Deutschen? Sie sollten friedliebend – bei starker Bewaffnung (!) – und demokratisch werden.
Adenauers Rhöndorfer Garten ist heute zusammen mit dem Haus ein Denkmal von nationalem Rang und gehört zum Europäischen Netzwerk historischer Gärten (EGHN). Der Eintritt ist frei. adenauerhaus.de
© Foto: Roland Breitschuh