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Porträt

Immer am Ball

Er mag Action und Fortschritt. Und er genießt Herausforderungen: Seit dem 1. Juli ist der Chinese Gary C.K. Huang aus Taiwan Präsident von Rotary International.

15.07.2014

Gary Huang machte früher sehr viel Sport, doch sein Lieblingssport war Basketball. Er war Kapitän und Point Guard des Basketball-Teams seiner Schule. „Ich bin nicht groß, aber ich war schnell.“ Er grinst. „Ich wusste, wie ich den Ball spielen musste, um meinem Team die Vorlage für einen Sieg zu liefern.“

Das ist nun einige Jahrzehnte her, doch egal, ob beim Basketball, bei seinen Geschäften oder bei Rotary, Huang spielt den Ball stetig weiter. Als der RC Taipei ihm mitteilte, dass er zu jung für die Mitgliedschaft sei, blieb er hartnäckig und nahm über neun Monate an allen Meetings teil, bis er im Alter von 30 Jahren schließlich erreichte, eine Einladung zu bekommen. Seither gibt es kein Aufhalten mehr für ihn. Fünf Jahre nach seinem Beitritt zu Rotary wurde Huang Clubpräsident. Danach wurde er Taiwans jüngster Governor, erster RI Director und erster Rotary Foundation Trustee. In diesem Monat übernimmt er als erster Chinese das Amt des Präsidenten von Rotary International.

Huang wurde in Fujian, einer Provinz im Süden Chinas, geboren. Er ist das dritte von sieben Kindern. Wie viele andere floh auch seine Familie währende des Bürgerkrieges vor dem kommunistischen Regime aus China. 1947 ließ sich die Familie Huang in Taiwan nieder, Gary war ein Jahr alt.

Huangs Eltern trieben ihren Sohn in der Schule stets zu Höchstleistungen an, doch waren Noten nicht das Einzige, was für sie zählte. „Mein Vater sagte immer, dass ein Bachelor-Abschluss reicht, aber dass ich an Aktivitäten und in Clubs mitmachen sollte. Er sagte, das würde mir in der Zukunft helfen“, erinnert sich Huang.

Auch wenn Huangs Vater kein Rotarier war, so vermittelte er seinem Sohn doch ähnliche Dienstideale. Anderen zu helfen, so sein Vater, würde ihm selbst helfen, eine Führungsrolle zu übernehmen. So wurde Huang Sprecher seines Schuljahrgangs und spielte außer Basketball noch Fußball, machte Leichtathletik und nahm auf Drängen seiner Mutter an Redewettbewerben teil (die er auch häufig gewann). Daneben leitete er für sechs Jahre die morgendlichen Versammlungen an seiner Schule. „Mein Vater freute sich, dass ich all diese Dinge unternahm“, erzählt Huang. „Er ließ es sich nicht nehmen, an jeder Schulveranstaltung teilzunehmen, egal wie beschäftigt er war.“

Nach dem Gymnasium und zwei Jahren Militärdienst zog Huang nach Michigan, um die University of Eastern Michigan in Ypsilanti zu besuchen. Er denkt gerne an diese Jahre zurück, und wie sauber und offen ihm, dem Stadtjungen aus Taipei, der Mittlere Westen vorkam. Er wohnte bei einer amerikanischen Familie, die ihn Gary nannte, da sie den Schauspieler Gary Cooper mochte. Während seines gesamten Uni-Aufenthalts arbeitete er bei einer Reparaturwerkstatt, mit einem Anfangsstundenlohn von 1,25 US-Dollar, der ein paar Jahre später schließlich auf 4,75 US-Dollar anstieg. Als er 1971 mit einem Kaufmannsdi-plom abschloss, war er so überglücklich, dass er sich einen Abschlussring kaufte. „Der Ring war das Teuerste, was ich mir von meinem eigenen Geld je geleistet hatte, und darum trage ich ihn auch heute noch jeden Tag.“  

Steile Karriere
Seine Ausbildung war damit jedoch noch lange nicht zu Ende. Huangs Vater war Präsident einer Versicherungsfirma in Taiwan und wünschte sich, dass sein Sohn auf eine ähnliche Karriere gut vorbereitet wurde. Huang ging zum weiterführenden Studium an die New York University und verbrachte Zeit in England, der Schweiz, Deutschland und Japan, um mehr über das Versicherungswesen zu lernen und internationale Kontakte zu knüpfen. Jahre später wird Huang als RI-Präsident nun erneut überall auf der Welt neue Kontakte knüpfen.

Huang kehrte schließlich nach Taiwan zurück, um für ein kleines Versicherungsunternehmen zu arbeiten, das er in den nächsten 15 Jahren zu einem der größten in der Branche aufbauen sollte. Mit seinem Vorstandsvorsitzenden traf er eine wichtige Abmachung: dass er stets Zeit für Rotary haben würde in seinem vollen Terminkalender. „Ich wollte meine Arbeit bei Rotary unter allen Umständen fortsetzen“, so Huang.

Gary Huangs Mutter sorgte dafür, dass er auch dann noch bescheiden blieb, als er in seinem Beruf und bei Rotary immer mehr Erfolge verzeichnen konnte – auch heute, im Alter von 95 Jahren, tut sie das manchmal noch. „Ich weiß, dass sie stolz auf mich ist. Doch egal wie erfolgreich ich bin, sie hat mich noch nie überschwänglich gelobt.“

Lebendiges Familienleben
Das Jahr, in dem Huang Rotary beitrat, war auch das Jahr, in dem er in einer Bibelgruppe seine Frau Corinna Yao traf. „Er rief immer wieder bei mir an“, erzählt Yao. Doch Huang hat dies anders in Erinnerung. „Sie hat mich angesprochen!“, behauptet er.

Er war kontaktfreudig und gesellig. Sie war introvertiert. „Ich fragte mich damals, ob wir wirklich zusammenpassen“, erzählt sie. „Doch 38 Jahre später verstehen wir uns immer noch hervorragend“. Gemeinsam zogen sie drei Kinder groß – zwei Töchter und einen Sohn – und haben heute zwei Enkelkinder, Eddie und Evan. Evan wurde am gleichen Tag geboren, als Gary Huang erfuhr, dass er zum RI-Präsidenten nominiert worden war. Sein Name ist eine Abkürzung für „Evanston“.

Huang und Yao zogen ihre Familie mit Rotary auf, und ihre Kinder haben auch heute noch lebhafte Erinnerungen an Rotary in ihrer Kindheit. „Ich wollte immer, was du mit deinen rotarischen Freunden hast. Sie waren wie meine Tanten und Onkel“, erzählt die älteste Tochter Linda heute ihrem Vater. Seine zweite Tochter, Nancy, erinnert sich noch, wie sie gemeinsam mit Huang ein Kinderheim besuchte, als sie noch sehr jung war. „Das war das erste Mal, dass ich erfuhr, was Rotary tut. Mein Vater hatte eine solche Leidenschaft dafür.“ Das Kinderheim war eines der ersten Rotary-Projekte, das Gary Huang vor über 30 Jahren inspirierte. Als er durch das Heim ging, war er sehr betroffen von den Kindern, die nachts in einen einzigen Raum gedrängt wurden und sich einen Topf voll Reis teilten. Viele der Waisen waren im gleichen Alter wie seine Kinder damals. Dem Heim mangelte es an so vielem – einem neuen Dach, einem Kühlschrank, einer Klimaanlage, Windeln und vielem mehr. Der Rotary Club in Taipei versorgte das Heim mit allem, was es benötigte, doch Huang wollte noch mehr tun. Er und ein anderer Rotarier beschlossen, zwei Mädchen zu sponsern. Sie wählten zwei vierjährige Mädchen aus, die das gleiche chinesische Sternzeichen hatten wie Gary und sein Freund: den Hahn. Jeden zweiten Monat gingen sie mit den Mädchen zum Abendessen aus. Sie bezahlten jedes Jahr für die Schulgebühren der Mädchen und schickten sie schließlich auf die Universität. Nach ihrem Abschluss bezahlten Huang und sein Freund den Mädchen eine Reise nach Hongkong und halfen ihnen nach ihrer Rückkehr bei der Jobsuche. Heute, 30 Jahre später, treffen sich Huang und sein Freund immer noch regelmäßig mit ihnen und ihren Familien zum Abendessen.

Huang ist der Meinung, dass es bei Rotary darum gehen sollte, Menschen zu fördern. Das von ihm gewählte Jahresmotto „Lass Rotary leuchten“ soll Rotarier dazu anzuregen, Licht dorthin zu tragen, wo Dunkelheit herrscht. Zudem hofft Huang, dass sein Motto die Rotarier dazu inspirieren wird, Rotarys Image zu verbessern. Er wünscht sich ein Rotary, das Spaß macht, nicht nur um des puren Spaßes willen, sondern weil Spaß an Rotary die Grundlage ist für echte Freundschaften. Und es sind die Freundschaften, die Mitglieder an Rotary binden.

Mitgliederentwicklung
Die Gewinnung von Mitgliedern zieht sich wie ein roter Faden durch Huangs Karriere bei Rotary. Während seiner Zeit als Clubpräsident wuchs sein Club von 102 auf 138 Mitglieder. In seiner Amtszeit als Governor für Taiwan, Hongkong und Macau entstanden 19 neue Clubs. „Wenn du willst, dass Besucher kommen, dann musst du interessante Dinge anbieten. Dann kommen sie gerne und immer wieder“, so Huang.

Gary Huangs Freundin, RI Director Celia Elena Cruz de Giay, unterstützt seine Ansicht. „Rotary ist eine ernstzunehmende Organisation, aber das heißt nicht, dass es in ihr steif zugehen muss. Präsident Gary unterstreicht den Spaß in Rotary, weil er die Vorteile der perfekten Kombination aus Spaß und rotarischem Dienst sieht.“

Er unterstützt auch die Idee, Rotary für junge Menschen zugänglicher zu machen und mehr Frauen als Mitglieder zu gewinnen. „Manche Rotarier sind zu konservativ. Sie sind gegen Frauen und junge Mitglieder bei Rotary“, sagt Huang. „Junge Menschen sind unsere Zukunft. In ein paar Jahren sind die erfolgreicher und vielleicht sogar um einiges reicher als wir“, scherzt der RI-Präsident. „Es ist gut für sie, gut für Rotary und gut für die Gesellschaft.“

Auch wenn er zum Thema scherzt, ist Gary Huang die Mitgliedschaft ein so wichtiges Anliegen, dass er seine
eigene Familie davon überzeugt hat, Rotary beizutreten. Seine Frau wurde als Erste Rotarierin, danach folgten seine drei erwachsenen Kinder, alle traten einem anderen Club bei. Sein Sohn Billy ist der Meinung, dass Rotary die Familie einander nähergebracht hat. „Wir nehmen gemeinsam an Aktivitäten teil“, sagt er. „Ich verstehe meinen Vater jetzt besser.“

Huang ist hoch erfreut darüber, dass er die Dinge, die ihm am wichtigsten sind, verbinden kann. Die „Familie von Rotary“ hat für ihn so eine ganz neue Bedeutung. Er hofft, dass andere seinem Beispiel folgen werden. „Warum solltest du deinen rotarischen Dienst ohne die Familie verrichten? Das kann man doch auch gemeinsam tun“, ist er der Meinung. „Gutes Tun wird so ein Familien-Event“.

Heute spielt Huang Golf statt Basketball, aber er arbeitet weiter an der Vorlage zum Sieg für sein Team – dem Rotary-Team.

Zur Person:
Gary C.?K. Huang war Präsident der Malayan Overseas Insurance Co. und Generalsekretär des Council for Industrial and Commercial Development in Taiwan. Er ist Berater für die Wah Lee Industrial Corp. und die Bank of Pan­shin, beaufsichtigt die Wah Hong Industrial Corp. und dient als Direktor für die Federal Corporation und Sunty Development Co. Ltd. Er und seine Frau Corinna Yao haben drei Kinder.