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Kulinarische Sommergenüsse

Raffinierte Einfachheit

Zu einem perfekten Sommertag gehört ein gutes Essen. Neben der Qualität der Küche ist dabei auch der Ort von Bedeutung – denn die wenigen warmen Tage wollen mit allen Sinnen ausgekostet werden. Nachstehend ein paar Adressen, wo wahre Gaumenfreuden auf die passende Atmosphäre treffen.

Jürgen Schiller28.06.2011

Ein ungewöhnlicher Name für ein ungewöhnliches Restaurant in einem ungewöhnlichen Hotel: „17fuffzig. Zur Bleiche Resort & Spa“ in Burg im Spreewald. Das Besondere ist hier Alltag. Oliver Heilmeyer auf dem Kocholymp. „17fuffzig“ natürlich auch als Erinnerung an den „Alten Fritzen“, und Majestät wäre stolz auf einen der besten deutschen Köche. Die Leichtigkeit seiner Küche, das neue Licht, das auf regionale Produkte fällt, die Modernisierung alter Rezepte, die Veredelung des kulinarischen Erbes der Region mit modernen Gourmetakzenten schaffen ungemein reizvolle und spannende Menüs. Ein Sauerfleisch vom Havelländer Apfelschwein trifft auf eine süß-saure Burger Kürbismarmelade, dazu frittierter Grünkohl. Region und Saison pur, leicht, träumerisch perfekt. Das Wildbarschfilet kommt aus der Müritz, elegante Geschmackskomponenten sind Felchenkaviar und grünes Kräuteröl. Ein Kalbsbries zerschmilzt am Gaumen, sanft gegart in Hummerbutter und pikant kräftig begleitet von Staudensellerie, Apfel und Avocado. Das hohe Lied der Region dann mit einem Hecht aus dem Schwielochsee, gefüllt mit Speck, Champignons und Gewürzgurke, also einfache, puristische Spreewald-Veredelung. Die Verbeugung vor der Saison: ein Steckrübenpüree und noch einmal die Region: ungewöhnlich, würzig-pikant, eine Grützwurstkrokette. Auch beim Dessert Begeisterung durch Geschmack, Leichtigkeit und Kreativität: Rote Bete Spaghetti und ein Quarkeis mit Leinöl. Die Entscheidung nach Burg in die „Bleiche“ zu gehen fiel übrigens sehr früh, nämlich um 5 Uhr morgens bei einer Kahnfahrt mit den Eigentümern, der Familie Clausing. Es war das Licht, das Oliver Heilmeyer fesselte und magisch wirkte. Auch heute noch und noch immer Quelle der Inspiration, vor allem im Kräutergarten, wenn er auf einem Stuhl sitzt und eine der witzigen Sagengestalten des Spreewalds anschaut. Der Lutki strahlt sie aus, die nötige Gelassenheit, die sanfte Ruhe – Voraussetzung für tolle Gedanken und Ideen.

Höchste Raffinesse aus Synthese und Einfachheit

Burg Wernberg, 1280 erstmalig erwähnt. Heute ein Juwel, aufwendig und liebevoll restauriert, ein Tummelplatz barocker Formen, Renaissance-Stilen, ein wahres Wunderwerk von alter Substanz, moderner Baukunst und Technik. Zimmer und Küchen sind beredte Beispiele. Hier zaubert Thomas Kellermann mit seiner Mannschaft im . Kellermann ist eine faszinierende Persönlichkeit als Mensch, als Kochkünstler, und nur so schafft er mit vernünftiger Kreativität ein Wunder an Einfachheit, eine Küche der Besinnung, der Sanftheit, der Schlichtheit – wie sie nur die ganz Großen beherrschen. Seine Menüs sind seine Spiegelbilder: Mixed Pickles der Kellermannschen Art, Gaumenschmeichler, Überraschungs-Geschmacksexplosionen. Eine Langustine, ein zarter Meeresschmelz, mit dem Knaller: Kaninchenbeuscherl. Fisch in der Folie gegart muss Spitzenqualität sein, jeder Alterstag kommt gnadenlos zur Geltung. Der Seeteufel mit frischen Morcheln war gerade erst gefangen. Genauso die Makrele, ein unvergesslicher Anblick. Ein optischer und geschmacklicher Knüller ist immer wieder sein „Phönix aus der Asche“, ein in einem Salz-Asche-Mantel geschmorter Fenchel, der am Tisch geöffnet wird. Erlebte und gelebte Sage: Etwas was als verloren galt, erscheint im neuen Gewand, in einem wahren Feuerwerk für Geschmacksknospen. Der Kreis aus Leben, Kochen und Kunst schließt sich: Toulouse Lautrec hat für die Kunst – und ausdrücklich auch für die Kochkunst – formuliert: „Kunst ist die höchste Raffinesse aus Synthese und Einfachheit“. Also haben wir es bei Thomas Kellermann mit Kunst zu tun: Die Synthese ist bei ihm die Reduktion auf das Essentielle, auf die Verwendung bester und saisonaler Produkte und die Klarheit und Reinheit .Immer noch einfacher, immer noch vernünftiger und dadurch immer vollkommener.

Kulinarische Symphonie mit Paukenschlägen

Paukenschlag Nummer 1: die Lage, die Architektur. An der Westseite des Mönchsberges ist es der modernen Salzburger Architektur tatsächlich gelungen, Geschichte und Gegenwart miteinander zu verbinden. Architektonisch ein sehr schönes, begeisterndes Ensemble aus Weinbar, Einkaufszentrum und Restaurant: das „Magazin“. Paukenschlag Nummer 2: der Koch. Sebastian Schlechtleitner ist der Teufelskerl in kleiner Küche mit toller Mannschaft. Elegant, manchmal fast puristisch, immer ein unvergessliches Gaumenfeuerwerk. Milchlammbackerl auf einer Linsenbouillabaise – ein Wunder an Zartheit und eine kräftige, aber nicht zu deftige Geschmackskomponente durch die roten Linsen und den Hauch Safran. Perfekte Balance und eine Superidee. Danach ein Gemälde aus einem Gänseleberturm auf einem Kaninchenfilet, ein Schaum auf Selleriebasis, gekrönt von einer schwarzen Nuss. Daneben eine Mousse vom Kaninchen und der Gänseleber und als dritte Komponente Stückchen vom sautierten Kaninchen mit einer Trockentomate als Stabilisator und als interessante Geschmackskomponente. Danach die Region, die Heimat, die Bodenständigkeit in höchster Reinkultur: Kalbskutteln butterweich geschmort in einer Basis aus schwarzen Oliven, Rotwein und Portwein und draufgesetzt der Frischeknaller: in Olivenöl marinierte rohe Jakobsmuscheln mit Basilikum. Zum Schluss noch einmal Regionalität pur: ein Beiried (also ein Roastbeef), von einer wunderbaren, natürlichen Zartheit und einem Geschmack, der die ganze Bergwelt mit ihren Almen und Wiesen offenbart. Buntes Gemüse vom besten Biobauern und dann nochmal ein ganz besonderes I-Tüpfelchen als Überraschungskomponente: locker leichte Frischkäsegnocchi. Eine hervorragende leichte, elegante Begegnung mit einer Küche, die in ihrer Art, ihrem Umfeld, ihren Menschen, ihrer Kunst ein Erlebnis ist.

Unterm Himmel von Usedom

Es ist sicher das schönste und höchste Restaurant in Heringsdorf, etwa 30 Meter über dem Meeresspiegel, das „Belvedere“ im Hotel „Strandidyll“– herrliche Stimmungsbilder, die man sehen muss, damit sich die Seele öffnet. Italien pur in Heringsdorf, leichte, verspielte Architektur, hell und licht, ein wunderschöner stimmiger Garten, alte Bäume, die Geschichten erzählen könnten und selbst Geschichte sind. Kulinarisch ist die Insel manchmal weit hinter der Zeit, aber dann gibt es doch immer wieder überraschende und höchst erfreuliche Begegnungen mit Region, Produkt und Saison – gerade im „Belvedere“: ein Wrukkensüppchen (Steckrübe) mit Flusskrebsen und Bärlauchschaum, ein Saltimbocca mit einem San Daniele-Schinken vom Usedomer Deichlamm, Buttermilch-Plinsen mit frischen Beeren je nach Saison. Manfred Peper zaubert auf Usedom mit leichter Eleganz: die Küche Mallorcas, dann Berlin und die italienische Küche haben ihn geprägt. Jetzt Usedom und aus allen Komponenten eine perfekte, leichte Mischung. Die letzte Begegnung mit seinen Kreationen war überzeugend und gelungen, Zum Auftakt ein Stück vom heimischen Reh auf Apfelsenf, dazu eine Blütenpracht und Shiso-Kresse. Schmelzend, leicht wildig, pikant säuerlich scharf. Jakobsmuscheln kräftig gebräunt, innen voller Meeresschmelz. Federleichte Ravioli mit Ravioli-trüffel mit Schnittlauchsauce und einer Explosion: die Rosenblüte als säuerlich erfrischende Komponente. Die Frittata vom grünen Spargel unterstützt vom kräftigen Pastrami, schmelzendem Büffelmozarella und süßlich-saftigen konfierten Kirschtomaten. Der Kaninchenrücken ein Hochgenuss pur, glänzend saftig, ein leichtes Morchelrisotto und wieder eine saisonale Überraschung: Blaubeerbutter. Die Beeren kurz in Butter geschwenkt. Der Himmel über Usedom mit leichten, eleganten Genusswolken.

Spiel, Satz und Sieg

Was für ein Haus, was für ein Restaurant, was für eine Köchin. Sonja Frühsammer in „Frühsammers Restaurant“ in der wunderschönen Fritzi Massary-Villa auf dem Gelände des Grunewalder Tennisclubs .Es war immer große Gala bei der damals höchstbezahlten Soubrette der Hauptstadt, es ist immer große Gala bei der besten Köchin der Hauptstadt – eine Frau, die weiß, was sie will. Respekt vor dem Produkt, Präzision bei der Zubereitung, Fantasie und künstlerische Kreativität bei der Umsetzung, dem Spiel mit den Aromen. Auf der einen Seite klassisch mit kleinen Gags wie dem Aprikosen-Chutney zur Rotbarbe, auf der anderen Seite die Suche, die Improvisation, die Spontaneität. Beispiel: Ihr Mann, Peter Frühsammer, Gastgeber und Weinkenner vom Allerfeinsten, kommt mit einem exzellenten deutschen Spätburgunder. Er schmeckt intensive Kirsche und dann etwas Ungewöhnliches, Mais, fast Popcorn. Sonja Frühsammer hat dazu ein wunderbares Gericht geschaffen: Reh, Maiscreme, eine mit Haselnuss gefüllte Kirsche, die auf einem Kirschragout sitzt und Popcorn mit leichtem Currygeschmack. Wein umgesetzt in ein Gericht voller Harmonie, Kunst als Synthese aus Moderne, Leichtigkeit und Geschmack. Klassik und Spiel, perfektes Handwerk und kreative Fantasie schaffen immer wieder Hochgenuss pur: Ein perfekt glasiger Kabeljau tummelt sich voller Meeresfrische auf einem sanft erdigen Topinambur-Püree, eine leichte Süße durch Holundersaft, eine leichte Herbe und Frische durch selbstgemachtes Kräutersalz. Sonja Frühsammers spielerischer Umgang mit Produkten, das Suchen nach entsprechenden Geschmackskomponenten, nach Nuancen, nach Akzenten, die Kunst das Überflüssige wegzulassen, offenbart sich bei dem Spiel zwischen Bohne, Pulpo, Secreto und Liebstöckel. Der flache marmorierte Rückenmuskel des schwarzen Iberico Schweins ist ein schmelzender, sanfter Verführer mit erdigen Aromen aus Eichel und Waldboden; der Pulpo zerfließt wie Marzipan mit Felsgeschmack, Bohnen in Grün, Weiß und Schwarz setzen gekonnte farbliche und geschmackliche Noten, gekrönt von einem Gaumenknüller, einer Liebstöckel Luft. Spiel, Satz und Sieg für Sonja Frühsammer.