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Bilanz der Jüngeren

Rotaractisch betrachtet

Rotaract Clubs waren urspünglich Programme, mit denen Jugendliche und junge Erwachsene an Rotary herangeführt werden sollten. Heute sind sie wichtiger Partner in der Umsetzung rotarischer Ziele.

01.12.2015

Die Idee Rotaract ist schon viel älter, als die erste offizielle Clubgründung in Deutschland 1968 vermuten lassen würde – sie kam in den 30er Jahren auf. Um alle Clubs möglichst effizient zu unterstützen, ist das heute als Rotaract Deutschland Komitee (RDK) bekannte Gremium gegründet worden. Es setzt sich aus sieben Ressorts, 15 Distriktteams, bis zu fünf Beisitzern, dem Beauftragten für Rotar­act und Interact des Deutschen Governorrates sowie dem Vorsitzenden zusammen.

So ist Rotaract zu einer gemeinschaftlich zusammenarbeitenden Organisation gewachsen, die mit der jährlichen Wahl des RDK Unterstützung für alle Clubs und Dis­trikte bietet. In diesem Jahr bilden neben diesem Support besonders auch die Weiter­entwicklung der Strukturen Rotaracts einen Schwerpunkt. „Je größer eine Organisation wird, desto schwieriger ist es auch, alle vorhanden Potenziale zu erkennen und optimal zu nutzen“, erklärt der aktuelle RDK-Vorsitzende Alexander Hoffmann. Da das RDK daran interessiert ist, die Clubs noch besser zu unterstützen, intensiver auf ihre Bedürfnisse einzugehen und die Mitglieder in Entwicklungsprozesse einzubeziehen, wird es in diesem Jahr bei Rotaract Mitgliederumfragen geben. Auf Basis dieser Ergebnisse
soll Rotaract wachsen und strukturell weiterentwickelt werden. So stehen etwa das Intranet und die Entwicklung der rotaract NEWS auf der Agenda.

Digitale Vernetzung und soziale Medien haben essenziell dazu beigetragen, die Koordinierung der Zusammenarbeit der Clubs deutschlandweit wesentlich zu vereinfachen. So hat Rotaract ein eigenes Intranet aufgebaut, das wichtige Informationen für die Clubs gut aufbereitet und schnell auffindbar bereitstellt. Darüber hinaus soll es in Zukunft zu einer cloudbasierten Interaktionsplattform ausgebaut werden, die eine einfache und effektive Zusammenarbeit der über ganz Deutschland verteilten Teams ermöglicht.

Für die rotaract NEWS wird momentan ein Strategieplan ausgearbeitet. Derzeit nur als Printmedium verfügbar, stellen sich die Rotaracter die Frage, wie die NEWS künftig den Wünschen und Anforderungen der Mitglieder so entsprechen können, dass Rotaract sie auch weiterhin in allen Lebensphasen ideal begleiten kann.

FACEBOOK ALS WICHTIGES WERBEMITTEL

Mitgliedergewinnung ist bei jedem Rotar­act Club ein immer wiederkehrendes Thema und eine wesentliche Aufgabe. Umzüge in eine neue Stadt, berufliches Pendeln oder längere Auslandsaufenthalte sind regelmäßige Vorkommnisse im Leben von Rotaractern. Das macht die ständige Suche nach neuen potenziellen Mitgliedern für jeden Club so wichtig: Innerhalb von nur etwa drei Jahren hat sich die Besetzung eines Rotaract Clubs zu etwa 90 Prozent verändert. Als Folge der gestiegenen Mobilität hat sich bei Rotaract eine sehr offene Kultur gegenüber Gästen und Interessenten manifestiert, und die Bedeutung sozialer wie medialer Vernetzung ist gestiegen. Facebook erlaubt Rotaract öffentlichkeitswirksam die Publikation von Aktionen, ein schnelles Reagieren auf aktuelle Themen und den Erstkontakt zu Interessenten: Jeder ist zu den Rotaract Meetings herzlich willkommen und auch der Wechsel in einen anderen Club ist für Rotaract selbstverständlich. Der neue Club erhält Einblicke in das Clubleben anderer Orte, und der Rotaracter hat einen Anlaufpunkt und Freunde in einer fremden Stadt. Sollte es noch keinen Rotaract Club geben, bieten sich auch Clubneugründungen an: „Rotar­act hat noch sehr viel Potenzial in Deutschland, weswegen ich Rotaract Deutschland dazu aufrufe, in diesem Jahr um fünf Prozent netto zu wachsen, mit Rotary Clubs zusammenzuarbeiten und neue Rotaract Clubs zu gründen“, formuliert Alexander Hoffmann. Diese Mobilität und Aufgeschlossenheit für Neues stehen ebenso für die Gemeinschaft Rotaracts wie gemeinsames Lernen, Helfen und Feiern. Rotaracter freuen sich, wenn sie mit diesen rotarischen Werten auch über die Grenzen hinaus bewegen und motivieren können.

DER ROTARACT GERMANTRIP

Eine Möglichkeit für internationalen Austausch bietet der Rotaract GermanTrip. Zehn bis 15 Rotaracter aus der ganzen Welt haben dabei die Möglichkeit, Deutschland kennenzulernen und gemeinsam Neues zu lernen. Die unterschiedlichen Kulturen treffen aufeinander, um zu erfahren, was Deutschland ausmacht und wie es zu dem geworden ist, was heute als starke Wirtschaftsnation bekannt ist. Was beeinflusst unser Denken, Fühlen und Handeln? Was macht unser Land und uns als Bürger aus?

Bereits ein Jahr im Voraus entwickeln die Organisatoren Ideen, planen und informieren potenzielle Teilnehmer, um ihnen eine einmalige Erfahrung zu bieten. „Wir haben mindestens einmal die Woche telefoniert“, erklärt Christopher Scherer, Organisator des GermanTrip 2015. Die für die Teilnehmer unbekannte Route führt durch die ganze Bundesrepublik: An jeder Station werden sie von Rotaract Clubs vor Ort empfangen und aufgenommen – ganz Deutschland arbeitet zusammen. Im Mittelpunkt des Trips stehen deutsche Geschichte, Wirtschaft und das ganz normale Leben der Bürger. So wurden neben der Besichtigung des Mercedes-Werkes in Stuttgart auch Stadtfeste und Wahlpartys besucht. Ein besonderes Ereignis in diesem Jahr war die Besichtigung des Konzentrationslagers in Dachau: „Wir haben lange darüber diskutiert, ob wir diese Station anbieten wollen“, berichtet Scherer.

Die Reaktion der Gruppe bestätigte die finale Entscheidung. Aus dem zunächst nur für einen halben Tag angedachten Besuch ist durch das Interesse der Reisenden ein ganzer Tag geworden. Es sei kein schöner Besuch gewesen, sagte ein Teilnehmer, er danke jedoch dafür, von dieser Erfahrung nicht verschont geblieben zu sein. „Wir wollten, dass die Teilnehmer verstehen, was es bedeutet, mit der deutschen Geschichte zu leben – das ist uns ganz gut gelungen.“

Die zehn Tage sind sehr intensiv und aus Fremden werden schnell Freunde. Auch nach dem GermanTrip besteht noch reger Kontakt mit der Gruppe. Distanzen und Zeitverschiebungen sind dank sozialer Medien wie Facebook und Whatsapp überwindbar und ein Wir-Gefühl bleibt Samuel Olbermann aus dem Organisationsteam 2014 zufolge selbst über den Trip hinaus noch bestehen: „Es kommt nicht selten vor, dass mein Handy noch in der Nacht vibriert, wegen der Zeitverschiebung.“

KRIESGFLÜCHTLINGE IN DEUTSCHLAND

Als Teil der rotarischen Familie lernen Rotaracter den Wert internationaler Freundschaften und Unterstützungen regelmäßig kennen und werden gleichzeitig für soziale sowie kulturelle Schwierigkeiten sensibilisiert. Diese Werte waren es, die viele Rotaracter dazu bewegt haben, sich zur aktuellen Flüchtlingsproblematik zu äußern und gemeinsam gegen Ablehnung, Propaganda und Rassismus einzustehen. „Wir wollen niemanden bekehren. Rotaract ist weder religiös noch politisch. Rotaract ist menschlich“, beschreibt das Ressort Soziales die Bewegung, die sich derzeit in den sozialen Medien finden lässt.

Rotaractern ist es wichtig, bei Problemen Position zu beziehen und auch im Alltag die Augen nicht vor Schwierigkeiten zu verschließen. Viele Clubs engagieren sich bereits lange lokal mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, um die geflüchteten Familien zu unterstützen. Das Jahresmotto „Be a gift to the world“ des RI-Präsidenten K. R. Ravindran aufgreifend, möchten Rotaracter individuell einen gemeinsamen Beitrag dazu leisten, dass die Einzigartigkeit eines jeden Menschen auch in politisch komplizierten Zeiten nicht übersehen, sondern erkannt und wertgeschätzt wird. Mit dem umformulierten Statement „Everybody is a gift to the world“ veröffentlichen immer mehr Rotaracter deswegen über Facebook ihren Aufruf für mehr Akzeptanz, Verständnis und Hilfe. Über diese Plattform erreichen sie nicht nur Rotaracter, sondern auch ihre Freunde weltweit und bilden einen Gegenpol zu hetzerischer und feindlicher Proklamation.

HELFEN ZU HELFEN

Die internationale Willkommenskultur Rotaracts war es, die 2006 dem Projekt ShelterBox den Weg nach Deutschland ermöglichte. Dank des Besuchs des deutschen Rotaracters Clemens Witt auf der Rotary International Convention 2005 in Chicago wurde ShelterBox ein Jahr später auf der Rotaract Deutschlandkonferenz (DeuKo) zur Bundessozialaktion (BuSo) 2006/07 gewählt.

Die DeuKo ist das größte beschlussfassende Organ und die Basis aller wichtigen Entscheidungen Rotaracts. Bei dieser Veranstaltung wird jährlich ein Projekt gewählt, das gemeinschaftlich unterstützt wird: die BuSo. Zu dem jeweiligen Thema werden Vorträge organisiert, Fundraising-Aktionen durchgeführt und vor Ort mit angepackt. Unterstützt werden die Rotaract Clubs dabei vom Ressort Soziales. Rotaracter etablierten das Projekt auch über die BuSo hinaus in Deutschland und waren ein wichtiger Schritt zur Gründung des ShelterBox e. V. Inspiriert und motiviert von dem Projekt ShelterBox, bei dem Überlebenskisten notleidenden Menschen in Krisen- und Katastrophengebieten über akute Erstversorgung hinaus helfen, gelang es Rotaractern – auch unter Einsatz sozialer Medien –, mehr als 170.000 Euro im ersten Jahr zu sammeln. Regelmäßige Botschaftertrainings unterstützen dieses Ziel langfristig. Inzwischen sind durch Spenden weit über vier Millionen Euro für ShelterBox zusammengekommen – etwa 70 Prozent davon allein aus der rotarischen Familie Deutschlands. Derzeit erfahren Betroffene von Überschwemmungen und Vulkanausbrüchen sowie Erdbeben in Chile und Nepal und von kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und Afghanistan, die täglich zu Tausenden über den Seeweg auf der griechischen Insel Lesbos ankommen, die Hilfe von ShelterBox.

ERFOLGREICHE SOZIALPROJEKTE

Rotaract, Rotary und die Bundessozialaktionen eint das gemeinsame Ziel des Helfens und eine enge Partnerschaft. Auch die Aktion Plant for the Planet aus dem Jahr 2013/14 war besonders erfolgreich: „Unser Ziel war es, für jeden Rotaracter einen Baum zu pflanzen. Das waren damals rund 3300. Das wurde mit einer einzigen Pflanzaktion des Distrikts 1841 erreicht“, sagt Christopher Jud (Ressort Soziales 2013/14). Er spricht dabei vom Rotary-Wald, an dem zehn Rotaract Clubs, 41 Rotary Clubs und ein Inner Wheel Club gemeinsam 3000 Bäume pflanzten. Dieses Jahr wurde das „Rucksackprojekt“ als BuSo gewählt. In Kooperation mit dem Verein Mary’s Meals werden Rucksäcke mit Schulmaterialien gepackt und Schulen in Malawi zur Verfügung gestellt. „Wir wollten ein Projekt vorschlagen, zu dem man leicht viele verschiedene Aktionen machen kann und das einfach zu verstehen ist“, sagt Katharina Bartetzky vom Ressort Soziales. Das Thema kommt gut an.

Ob in Kooperation mit Schulen oder privat: Die ersten Rucksäcke sind schon gesammelt worden und stehen bereit für den Versand. Bisherige BuSos zeigen eine langfristige und nachhaltige Sensibilisierung der Rotaracter. Noch heute werden Projekte der vergangenen Jahre aufgegriffen und unterstützt. Diese Begeisterung für selbst gewählte Themen, eine von Rotaractern für Rotaracter organisierte Struktur des Clublebens und die persönliche sowie digitale Vernetzung mit Freunden weltweit ist das, was Rotaract antreibt und auch in Zukunft motivieren wird, gemeinsam zu lernen, zu helfen und zu feiern.

Anna Feininger