Leser-Reportage
Wo die Landschaft sprachlos macht
Nach einer einjährigen Vorbereitungszeit sind meine Frau Karin und ich im Februar 2013 zu einer vierwöchigen Reise ans Ende der Welt aufgebrochen, mit dem Ziel die Antarktis zu bereisen und eine anschließende Mietwagentour durch Feuerland und Patagonien an der Südspitze Südamerikas zu unternehmen. Eine Bildergalerie gibt es hier.
Von Deutschland aus ging es über Buenos Aires nach Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Diese kleine argentinische Hafenstadt ist der Ausgangspunkt für viele Seereisen in die Antarktis. Dort gingen wir mit etwa 200 weiteren Passagieren an Bord der MS FRAM. Als Expeditionsschiff mit solidem Komfort und der Eisklasse 1B kann es Gewässer befahren, die mit Eis bis zu 60 Zentimetern Dicke bedeckt sind. Mit Spannung sahen wir der zweieinhalbtägigen Überfahrt durch die berüchtigte Drake Passage entgegen. Die Vorhersagen für dieses Schwerwettergebiet lauten fast immer „Sturm“ mit Windstärken um acht bis zehn Beaufort und acht bis zehn Meter hohen Wellen. Bei unserer Tour war es zwar schon etwas wackelig an Bord, aber sehr zur Freude meiner Frau noch ganz gut zu ertragen. Eine relativ ruhige Wetterlage gab es übrigens auch auf der Rückreise, sodass wir die allseits bekannte Furcht vor der Darke Passage nicht bestätigen können.
Mit ruhiger werdendem Wetter, klarer und kälter werdender Luft und den ersten vorbeiziehenden Eisbergen wurde uns bewusst, dass wir im Zielgebiet angekommen waren. Von nun an war das am häufigsten gesprochene Wort „wow“. Die atemberaubende Landschaft mit ihren bizarren Eisbergen in schillernden Farben und dieses ganz besondere Licht sowie die Atmosphäre an Bord haben uns tief beeindruckt. Besondere Höhepunkte waren die täglichen Anlandungen in kleinen Beibooten, bei denen wir die faszinierende Tierwelt des Kontinents beobachten konnten. Der fast unmittelbare Kontakt zu einer großen Vielzahl von Pinguinen, Seeleoparden, Walen, Albatrossen, usw. war einzigartig. Zu Recht legte die Crew großen Wert darauf, dass die strengen Umweltauflagen genau eingehalten wurden. So mussten wir bei Landgängen sorgsam desinfizierte Gummistiefel tragen. Und bei der Vielzahl von eindrucksvollen Wahrnehmungen entstand naturgemäß eine noch größere Vielzahl an Fotoaufnahmen. Die Crew gab den Passagieren den folgenden wertvollen Tipp: „Wenn Sie zu Hause Ihre Freunde behalten wollen, dann zeigen Sie bitte nicht mehr als 10 Eisberg-Fotos, denn nur für Sie, die diese wundervolle Umgebung hautnah erleben, ist jedes Bild einzigartig“.
Eine Ice-Cruising-Tour durch das spektakuläre Gebiet des Lemaire Channel war für alle Passagiere ein unvergessliches Erlebnis. Ausgerüstet mit sicheren Seenot-Thermoanzügen fuhren wir in kleinen Beibooten bei erträglichen Temperaturen um – 5Grad Celsius durch das Packeis und konnten so die eindrucksvolle Eislandschaft und ihre Tierwelt auf Augenhöhe noch intensiver wahrnehmen. Auf dem Rückweg zum südamerikanischen Kontinent umrundeten wir das legendäre Kap Hoorn, welches als größter Schiffsfriedhof der Welt gilt. Hier sind schätzungsweise im Lauf der Jahre 800 Schiffe verloren gegangen. Als begeisterter Segler hatte ich die Erwartungshaltung, an Bord unseres sicheren Expeditionsschiffes, ein stürmisches Kap Hoorn zu passieren. Aber leider ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung, denn es herrschte Windstärke eins bis zwei bei absolut glatter See.
Wieder auf dem Festland angekommen, übernahmen wir einen vorgebuchten, aber leider etwas altersschwachen und leicht defekten Leihwagen und setzten unsere Reise auf gewöhnungsbedürftigen Schotterstraßen durch Feuerland und Patagonien fort. Als Rotarier war es ein gutes Gefühl, dass am Orteingang der etwas größeren Ortschaften wie Ushuaia, Punta Arenas, Porto Natales und El Calafate die Besucher herzlich begrüßt wurden durch große Standbilder in der Form eines rotarischen Rads. Neben vielen anderen Ereignissen hat uns besonders der Beagle Kanal sowie die weite Landschaft in Feuerland, die Region Torres del Paine in Patagonien sowie der Perito Moreno Gletscher in Süd Argentinien beeindruckt. Beim letztgenannten Naturereignis ergießt sich eine riesige Gletscherzunge in den Lago Argentino. An der Abbruchkante des Gletschers stürzten fast zu jeder Minute unter ohrenbetäubendem Lärm Tonnen von Eis in den See.
Mit einem weiteren Zwischenaufenthalt in Buenos Aires ging es dann schließlich wieder zurück – leider. Denn obwohl wir schon relativ viel von der Welt gesehen haben, so hatten wir doch auf dieser sehr schönen Reise neben einigen Abenteuern viele Momente der Sprachlosigkeit und des Staunens über die Schönheit der Natur, die wir so noch nie erlebt hatten.
Der Autor Prof. Gerd Bittner ist seit 10 Jahren Mitglied des RC Gelsenkirchen. Nach dem Studium der Elektrotechnik übernahm er mehrere Jahre leitende Verantwortung in der Industrie und wurde als Professor für das Fachgebiet Technische Informatik berufen. Er war Prorektor für Forschung und Entwicklung an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Seit 2009 ist er am Aufbau der neuen staatlichen Hochschule Ruhr West in Mülheim und Bottrop beteiligt und als Vizepräsident für Studium und Lehre verantwortlich.Bittner ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.