Reisebericht
Rotarier umsegelt die Welt
Der am häufigsten genannte Lebenstraum deutscher männlicher Jugendliche ist: "Einmal um die Welt segeln!" Leider können nur wenige ihren Jugendtraum später verwirklichen. Einer, der es geschafft hat, ist der Rotarier Herwig Paretzke.
Im Alter von 66 Jahren brach Herwig Paretzke mit seinem Katamaran Jonathan auf, nach einem Berufsleben von 41 Jahren als Forscher und Hochschullehrer. Am Samstagmittag, den 20. Juli 2013 um 12 Uhr, genau drei Jahre später, ist er sicher wieder in seinem Heimathafen in Bremerhaven an der Herwigstraße angekommen - nach über 47.000 auf allen Weltmeeren zurückgelegten Seemeilen (das sind 87.000 km) und 47 besuchten Ländern. Paretzke hat dann nicht nur die Welt einmal umsegelt. Was die Meilen anbelangt, die er zurücklegte, hat er den Globus sogar zwei Mal umrundet.
In den 680 Segeltagen war Herwig Paretzke auf einer Traumroute unterwegs: Darunter die polynesiche Südsee, Feuerland, Tahiti, die Cook-Inseln, Neuseeland, Australien, Mauritius, das Kap der Guten Hoffnung, New York, die Karibik, die Azoren (Anm. d. Red.: Die detaillierte Route können Sie weiter unten nachlesen). Er überquerte den Atlantik und den Indischen Ozean. Seine letzte Etappe führte Herwig Paretzke durch den Kanal über Plymouth, Portsmouth, Brighton, Helgoland zurück in seinen Heimathafen Bremerhaven. Trotz der vielen Traumziele, die er gesehen hat, fällt es Herwig Paretzke nicht schwer, einen Ort zu nennen, an den er noch einmal reisen würde: Neuseeland. „Wegen der abwechslungsreichen Landschaften und der freundlichen, oft segelnden, Bewohner. Allein Auckland mit 1,3 Mio Einwohnern hat über 4000 Schiffs-Liegeplätze.“
GÄSTE AUF DEM KATAMARAN
Das schnelle Segeln auf Hoher See, weit weg von gefährlichen Küsten hat Herwig Paretzke besonders gefallen. „Auch die vielen interessanten, anregenden Gespräche mit Freunden aus verschiedensten Berufswelten, die mit mir gesegelt sind oder die ich unterwegs getroffen habe.“
Das Motto seines Rotary Clubs München International lautet "Friends Around the World". Paretzke konnte sich auf seiner Tour davon überzeugen, dass dieser Leitsatz stimmt. Er besuchte 59 Rotary Clubs und wurde überall sofort äußerst freundlich aufgenommen. Mehrere Rotarier fuhren sogar einen Abschnitt auf seinem Katamaran mit. Während sein Schiff in Brisbane, Australien, wartete, besuchte er zudem die Rotary International Convention (RIC) 2012 in Bangkok, Und am 21. Juni 2013 kam Herwig Paretzke gerade noch rechtzeitig von New York auf den Azoren, an, um am 22. Juni in das Flugzeug zum Weltkongress in Lissabon zu steigen. Als künftiger Commodore 2013/15 der Weser-Jade-Flotte der International Yachting Fellowship of Rotarians (IYFR) traf er bei dieser Gelegenheit viele andere IYFR-Mitglieder wieder und wurde auf deren Jahressitzung für die erste "Rotarian Circumnavigation" geehrt. Die IYFR ist eine der ältesten und mit 3100 Mitgliedern in 100 Flotten größten Fellowship.
Eine Weltumsegelung kann man non-stop oder in mehreren Abschnitten durchführen. Die Gesamtdauer kann zwischen weniger als einem Jahr bis zu mehr als zehn Jahren liegen. Die Reise von Paretzke wurde mit insgesamt 41 Freunden und Familienangehörigen geplant. Die Tour war in 33 Abschnitte eingeteilt. Die einzelnen Segmente waren zwei bis vier Wochen lang, viele Segelfreunde konnten mehrmals zusteigen. Zwischen Abfahrt zu und Ankunft von dieser Reise lagen genau 680 aktive Segel-, Hafen- und Anker-Tage. Das heißt, Herwig Paretzke war nur etwa 22 Monate unterwegs, also weniger als zwei Jahre. Kalendarisch dauerte die Weltumsegelung aber genau drei Jahre. Das Schiff wartete nämlich bei insgesamt 12 Heimflügen des Skippers in verschiedenen Orten diese Welt insgesamt über ein Jahr auf die Weiterfahrt.
ZWISCHENFALL: DREI TAGE VOR GERICHT
Als Hürde seiner Tour hat Herwig Paretzke nicht etwa die weite des Ozeans empfunden, nein, es war Verwaltungsaufwand beim Ein- und Ausfahren in vielen Ländern, der manchmal sogar einen Tag dauerte und hunderte von Euro kostete. „Deswegen beneide ich die Non-Stop-Segler, die all dies aus Prinzip vermeiden“, sagt Herwig Paretzke. So will der australische Zoll vier Tage vor der Einreise vier Seiten voller Daten über alle Personen und das Schiff erhalten, sonst muss bis zu 96 Stunden vor der Küste geankert und diese Zeit abgewartet werden. In Rawson, Argentinien, musste er wegen behördlicher Willkür ein dreitägiges Gerichtsverfahren der Armada (Küstenwache) durchleben und 1200 Euro Strafe bezahlen.
Auch die handwerklichen Leistungen seien oft teuer und nicht qualitativ gewesen. Wegen dieser Erfahrungen wird Herwig Paretzke befreundete Fachleute stimulieren, mit ihm eine internationale, strukturierte, mehrsprachige Webseite einzurichten. Darauf sollen Segler ihre positiven und negativen Erfahrungen mit Handwerksbetrieben und maritimen Produkten veröffentlichen können. Doch trotz all dieser Erlebnisse überwiegt für Herwig Paretzke eines: Sein Lebenstraum wurde erfüllt - einmal um die Welt zu segeln. Die Schönheit des Meeres mit seiner unendlichen Weite liegt nun hinter ihm. (VON HERWIG PARETZKE)
- Infos zum Katamaran: Herwig Paretzkes weißer, hölzerner Segelkatamaran Jonathan (getauft nach dem auch verfilmten Bestseller "Jonathan Livingston Seagull-Die Möve Jonathan" des Piloten Richard Bach) ist 16,4m lang, 7,8m breit, 13 to schwer und trägt am Wind 140 m2 Segelfläche, vor dem Wind 280 m2. Bis zu sechs Personen können bequem in drei Kabinen wohnen. Das Brückendeck hat einen modernen Navigationsplatz, eine ausreichende Kombüse mit bestem Ausblick für den kochenden Wachhabenden, je 120 L Kühl- und Gefrierschrank, und einen runden Intarsien-Tisch mit mehr als 6 komfortablen Sitzplätzen darum. Der nun 20-jährige Kat wurde von dem bekannten Schiffsarchitekten Georg Nissen, Laboe, unter Mithilfe des erfahrenen Katamaran-Seglers Burkhard Pieske, entworfen und 1993 von der Henzewerft in der "West-System"-Technik in Bremerhaven gebaut. Er fährt unter deutscher Flagge mit Heimathafen Bremerhaven.
- Die Route im Detail:
Von Bremerhaven ging es mit etlichen Hafenstops zuerst durch den Englischen Kanal und über die Biskaya, um dass Kap Finisterre nach Lissabon, Cadiz, Marokko, zu den Kanarischen Inseln und den Kapverden. Über den Äquator und Atlantik segelte Herwig Paretzke dann nach Südamerika: Recife (Brasilien), Salvador, Rio de Janeiro, Punta del Este (Uruquay), Mar del Plata (Argentinien), vorbei am Osteingang der Magellanstraße, durch die gefährliche LeMairestraße, und den Beagle-Kanal mit seinen beeindruckenden Gletschern, nach Ushuaia und Puerto Williams (Chile), um das berühmt-berüchtigte Kap Hoorn, durch die einzigartigen Kanäle Feuerlands und Patagoniens, im recht windigen Winter (11 Grad Wasser-, 5 Grad Lufttemperatur) des Südpazifiks zur Osterinsel, in die polynesische Südsee zu den schroffen Marquesas, flachen Korallen-Tua-Motus, nach Tahiti, Moorea, Raiatea und Bora-Bora, zu den Cook-Inseln, dem größten Korallenfelsen der Welt Niue, zum Königreich Tonga, Fidji, dann nach Neuseeland mit längeren Sightseeing-Touren auf der Nordinsel, durch die Tasman-See über Norfolk- und Lord Howe-Island nach Sydney, wo der Segler die Queen Mary 2" neben dem Opernhaus traf, Brisbane, Cairns in Australien, durch das Great Barrier Reef und die riffreiche Torresstraße nach Darwin. Es folgten Kupang (Indonesien, wo Bounty-Kapitän Blyth seine berühmte Bootsfahrt mit 16 ausgesetzten Leidensgenossen beendete), Bali, Jakarta, vorbei am rauchenden "Jungen Krakatau"-Vulkan 2800 Seemeilen non-stop durch den recht windigen Indischen Ozean zur wunderschönen Rodriguez Insel und weitere 350 Seemeilen nach Mauritius. Über die französische Insel Reunion ging es nach Durban (Südafrika) und um das stürmische Kap der Guten Hoffnung nach Kapstadt, sowie zum ehemals deutschen, stets sehr windigen Lüderitz, wo Herwig Paretzke das Traumschiff MS Deutschland im Hafen traf) und WalvisBay (Namibia). Es folgte eine zweite Atlantiküberquerung von Ost nach West über die UK-Inseln St. Helena (wo der Segler eine Privatführung in Napoleons Haus bekam) und Ascencion nach Recife und Jacare, wo die SY Jonathan schon auf dem Weg zum Kap Hoorn genau zwei Jahre zuvor (auch zu Weihnachten) festgemacht hatte.
Dann ging es entlang der Nordost-Küste von Südamerika vorbei am Mündungsdelta des Amazonas nach Cayenne (Franz. Guyana) und der Ariadne-Startbasis Kourou, nach Paramaribo (Surinam), mit großem Piraten-Sicherheitsabstand zur venezuelischen Küste nach Trinidad und weiter nach Norden in die Karibik. Nördlich von Grenada erlitt die SY Jonathan, den vielen entsprechenden, freundlichen Wünschen folgend "Mast- und Schotbruch" und motorte dann als temporäre "MY" Jonathan 1700 Seemeilen durch die Karibik mit Stationen in St. Lucia, Martinique, Guadeloupe, Antigua, Sint Marteen, Tortola, St. Thomas, Puerto Rico, Dominikanische Republik, Turks and Caicos Islands und Bahamas nach Florida. Von Ft. Lauderdale mit seinen beeindruckenden Kanälen, Villen und Megayachten ging es im "Intra-Coastal-Waterway" weiter nach West Palm Beach. In der dortigen Megayachtwerft Rybovich wurde aus Jonathan wieder eine Segelyacht, die nach sechs Wochen Aufenthalt ihre Reise fortsetzen konnte. Zuerst nach New York unter der Verrezano-Brücke, vorbei an der Freiheitsstatue in den Hudson River, wo er von seinem Liegeplatz im Newport Yachtclub (dem mit ca. 250 US-Dollar pro Tag teuersten der Reise) einen herrlichen Blick auf Manhattan hatte. Durch den East River, vorbei am beeindruckenden Gebäude der Vereinten Nationen und durchs stark strömende "Hells Gate" in den Long Island Sound ging es auf die teilweise recht bewegte 2100 Seemeilen Transatlantik-Reise (nach zweimal Ost nach West nun erstmalig von West nach Ost) zu den überraschend schönen Azoren. Von dort motorte die SY Jonathan tagelang durch das windstille Azoren-Hoch, segelte dann nach Südirland, zu den Scilly Islands (der kleinen "Karibik Englands"), und durch den Kanal über Plymouth, Portsmouth, Brighton, Helgoland zurück in seinen Heimathafen Bremerhaven.