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Urteilskraft…
Wie voreingenommen ist der Mensch? Und ist das rotarisch? DEI-Beauftragte des Distriktrikts zum Thema Vorurteile
Werte rotarische Mit-Menschen,
Ohne Urteilskraft ist ein Mensch Gefangener seiner Vor-Urteile. [1] Ein so gefangener Mensch ist sich und anderen abgeschlossen und statisch. Mit Urteilskraft ist ein Mensch dynamisch und offen – sich selbst und anderen. [2, 3]
Mit stetem Vorurteil bildet sich ein Mensch seine eigene Einzelhaft. [4]. Doch wenn die Gemeinschaft der Einzelhäftlinge ihren Reiz hat? Schließlich gehört man dazu. Die gesellschaftlich geteilten Vorurteile sind der Grund jedes "man". [5]
Wann und wo immer ein man gesagt oder geschrieben wird, herrscht das Vorurteil gnadenlos. Das gilt leider auch für jedes rotarische man…
Man sagt mir, das seien doch nur meine eigenen Vorurteile. Es mag sein, daß es einmal solche waren. Mit Vorurteilen fängt es ja zugegebenermaßen oft an. Doch wer sich bewuß ist, daß ein Vorurteil vorläufig und somit kein Urteil ist, der kann sich auf den Weg vom Vorurteil zum Urteil machen. Was braucht es für diese Urteilskraft?
Offenheit für die Vielfalt der Perspektiven. Diese Vielfalt auch gelten lassen und sich mit ihr offen auseinandersetzen. Und dann überlegt das Wertvolle der vielfältigen Perspektiven in die eigene Weltanschauung und Lebensform eingliedern. [6–9]
Begriffe sollten keinen Vorurteilen und ihren lexikalischen Kriegen zum Opfer fallen. [10] Das gilt natürlich auch für die Leitbegriffe meiner Distriktsfunktion. Diversität, Equity beziehungsweise Gleich-Gerechtigkeit und Inklusion (DEI) wie auch Development, Evolution, Imagination und Inspiration (DEI²). Vorurteilsfrei und rechtverstanden helfen alle sieben auf dem Weg vom statischen Vorurteil zur Urteilskraft und ihrem dynamischen Urteil.
"Die Praxis gibt den Worten ihren Sinn." [11] Das gilt leider für Vorurteile wie für überlegte Urteile. Also urteilt gut in der Lebenspraxis!
Ihr/Euer DEI/DEI²-Chair
Georg "Schorsch" Scheurecker
Literaturhinweise (naturgemäß ist meine Interpretation nur eine einer bunten Vielfalt des Möglichen – Georg Scheurecker):
1 Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Es sind zahlreiche Versionen online frei verfügbar, unter anderem auch die Akademie-Ausgabe. Wem ein Buch lieber ist – adäquate Versionen gibt es unter anderem im Suhrkamp- oder Meiner-Verlag.
2 Henri Bergson: Die beiden Quellen der Moral und der Religion. Meiner, 2019.
3 Karl Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Auch das sollte online findbar sein, die deutsche Standard-Edition (2 Bände) gibt es bei Mohr Siebeck.
4 CS Lewis: Mere Christianity. Mein persönlicher Favorit ist das von Geoffrey Howard gelesene Hörbuch.
5 Martin Heidegger: Sein und Zeit. Auch hier sind Versionen frei online auffindbar, die gut erhätltliche deutsche Buchversion ist im Max Niemeyer Verlag aufgelegt – der entsprechende Band in der Werksausgabe des Vittorio Klostermann-Verlags ist nur bei Abnahme der gesamten ersten Abteilung (17 Bücher!) verfügbar.
6 Karl Jaspers: Pychologie der Weltanschauungen. Noch immer der Klassiker zum Begriff der Weltanschauung. Die aktuelle Version im Rahmen der Gesamtausgabe im Schwabe-Verlag ist als pdf frei verfügbar: https://schwabe.ch/Karl-Jaspers-Psychologie-der-Weltanschauungen-978-3-7965-4706-5
7 Eduard Spranger: Lebensformen. Geisteswissenschaftliche Psychologie und Ethik der Persönlichkeit. Max Niemeyer, 1914/1966. Hier beginnt im wesentlichen der Begriff Lebensform.
8 Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen. Der Begriff Lebensform bleibt bei Wittgenstein etwas dunkel, aber in der seitherigen Denkgeschichte mitgeprägt hat er ihn. Am einfachsten entweder gemeinsam mit dem Tractatus logico-philosophicus als erster Band der Taschenbuch-Werkausgabe oder isoliert und fest gebunden – beides bei Suhrkamp.
9 Rahel Jaeggi: Kritik von Lebensformen. Suhrkamp, 2014. Lebensform in aktuellem Gewand…
10 Peter Ludlow: Living Words. Meaning Underdetermination and the Dynamic Lexicon. Oxford UP, 2014. Hier wird lexical warfare geprägt…
11 Ludwig Wittgenstein: Vermischte Bemerkungen. In: Ludwig Witgenstein: Über Gewißheit. Werkausgabe Band 8. Suhrkamp, 2013. S. 571