Im Fokus
Wie strukturierte Hilfe funktioniert
Rotarische Ärzte investieren Zeit, Talent und Know-how, um kranken oder behinderten Menschen zu helfen. Die vielfältigen Projekte sorgen oft auch für eine Verbesserung des Gesundheitswesens vor Ort.
Die humanitären Einsätze finden fast ausschließlich in den ärmsten Ländern der Welt statt. Solche Aktivitäten erfordern außer einer fundierten fachlichen Qualifikation auch ein hohes Maß an Flexibilität und Improvisationstalent, um unter ungewohnten Bedingungen eine effektive Hilfe leisten zu können. Viele Missstände werden erst während der Aufenthalte sichtbar. Und nicht selten entwickeln sich daraus eigene Projektaktivitäten, die zu langfristigen Initiativen heranwachsen. Im Folgenden sind fünf unterschiedliche Konzepte der Hilfe dargestellt, die zeigen, wie „Doing good in the world“ strukturiert funktioniert und wie hierdurch langfristige Kooperationen entstehen.
Verbesserte Möglichkeiten
In Ghana stehen Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten von Krankheiten im Magen-Darm-Bereich aufgrund von fehlenden medizinischen Geräten nur eingeschränkt zur Verfügung. Diese Erfahrung machte 2012 auch Dr. Hans-Georg Jester (RC Rodgau) während eines Einsatzes mit den German Rotary Volunteer Doctors am St. Dominic’s Hospital in Akwatia, als er bei einem Patienten große Magengeschwüre mit einem veralteten Röntgengerät feststellen musste. Auf seine Frage nach der Möglichkeit einer diagnostisch einfachen Gastroskopie wurde ihm ein altes Gastroskop und eine noch ältere Lichtquelle (von 1971) gezeigt mit der Gegenfrage, ob man damit endoskopieren könne. Dieses Erlebnis war die Initialzündung, sich nach seiner Rückkehr um die Anschaffung einer Endoskopie-Einheit zu kümmern.
Mithilfe seines Rotary Clubs sowie weiterer privater und industrieller Spenden gelang es, innerhalb kurzer Zeit die Geräte für die geplante Einheit zusammenzustellen. In einem parallelen Ausbildungsprojekt wurden eine Schwester und ein Arzt in Deutschland am Krankenhaus in Seligenstadt in Gastroskopie ausgebildet und in der Desinfektion sowie Sterilisation der Geräte geschult. 2013 konnte die Endoskopieeinheit am St. Dominic’s Hospital in Betrieb genommen werden. Bereits im ersten Jahr wurden 336 Gastroskopien durchgeführt und den meisten Patienten konnte erfolgreich geholfen werden.
In einem nächsten Schritt wurde ein weiterer Arzt nach Seligenstadt eingeladen, der die Grundlagen der Koloskopie erlernte. Anschließend wurde auch diese Untersuchungstechnik in Zusammenarbeit mit Jester in der ghanaischen Endoskopie-Abteilung eingeführt. Bis heute wurden nahezu 1000 Endoskopien durchgeführt.
Inzwischen leiten die Ärzte des St. Dominic’s Hospital ihre eigenen Kollegen selbst an und bilden diese auch aus. Die Idee „Hilfe zur Selbsthilfe“ trägt Früchte und wird weiterentwickelt. Aufgrund der positiven Erfahrungen dieses Projektes wurden in zwei weiteren Partnerkrankenhäusern von GRVD Endoskopie-Abteilungen eingerichtet. In diesem Jahr kann Jester dank vieler Spenden im Holy Family Hospital in Nkawkaw am bereits vierten Standort eine weitere Endoskopie-Einheit in Betrieb nehmen.
Trainingszentrum in Nepal
Im März 2009 erlebte Prof. Dr. Josef Phillip (RC Freising) während eines Einsatzes in der Endoskopie am Dhulikhel Hospital in Nepal ein hoch motiviertes Personal, das mit hoffnungslos veralteten Geräten arbeiten musste. Eine endoskopische Gallengangsdrainage konnte er noch erfolgreich bei einer 16-jährigen Schwangeren vornehmen. Nach der Reinigung des einzig verfügbaren Gerätes war dieses aber dann nicht mehr für weitere Eingriffe zu gebrauchen.
Das Dhulikhel Hospital liefert effektive humanitäre Hilfe für mehr als zwei Millionen Menschen in seinem Einzugsgebiet und lebt dabei die Vision: „Quality for the poor!“. Als Lehrkrankenhaus der privaten Universität Kathmandu verfügt es über alle für die Krankenversorgung wesentlichen Fachabteilungen. Die Zusammenarbeit mit den Ärzten und vor allem mit dem charismatischen Leiter Prof. Ram Shrestha überzeugte Phillip und seine Mitstreiter – Dr. Matthias Breidert (RC Neustadt Vohburg an der Donau) und Dr. Dirk Hagena –, 2010 eine Nepal-Gruppe im Rahmen der Gastro-Foundation zu gründen. Als Ziel wurde formuliert, die Endoskopie-Abteilung des Dhulikhel Hospital auf den für Europa üblichen Standard zu bringen und – um dem ganzen Land Nepal gerecht zu werden – ein Ausbildungszentrum, ein ETC (Endoskopie-Trainings-Centrum) für Nepal zu etablieren.
Mit einem Team von mittlerweile neun Kollegen, von denen einige als Chefärzte in gastroenterologischen Abteilungen in Bayern tätig sind, wurde der Aufbau des Zentrums innerhalb von fünf Jahren verwirklicht. Mit der Unterstützung der Gastro-Foundation konnte 2010 der Leiter der Endoskopieabteilung gemeinsam mit einer Krankenschwester zu einer mehrwöchigen Ausbildung nach Hyderabat in Indien vermittelt werden. Es folgten mehrere Aufenthalte von Kollegen und Krankenschwestern an den verschiedenen deutschen Kliniken, an denen Mitglieder der Nepal-Gruppe tätig sind.
Über zwei Matching Grants gemeinsam mit dem RC München-International und dem RC Dhulikel sowie Materialspenden der Industrie konnten die notwendigen Geräte angeschafft und zur Eröffnung des ETC am 2. November 2014 übergeben werden. Die erfolgreiche Entwicklung des Projekts zeigt die Leistungsbilanz der Abteilung. Gerade die operativ-therapeutische Gallengangs- und Bauchspeicheldrüsen-Endoskopie hat einen enormen Aufschwung erfahren und die Patienten kommen mittlerweile aus ganz Nepal.
Das ETC ist zu einem Referenzzentrum für Hochleistungs-Endoskopie in Nepal aufgestiegen. Im November 2016 hat nun schon der vierte Ausbildungskurs für Nepal stattgefunden.
Ein Leben ohne Missbildung
Seit 2004 reist eine elfköpfige Gruppe von Ärzten und Pflegepersonal unter der Leitung von Dr. Gerhard Schlosser (RC Hattingen) jeden Winter ins indische Jalna, eine 240.000 Einwohner zählende Stadt im Bundesstaat Maharashtra. Das Team verbringt dort einen Teil seines eigenen Jahresurlaubs, um Kinder mit Missbildungen der Hände und Füße, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, akuten Verbrennungen und Verbrennungsfolgen kostenlos zu operieren. Ein weit verbreitetes Problem stellen dort angeborene Missbildungen (wie die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) dar. Die Eltern der betroffenen Kinder können sich in der Regel eine solche Operation nicht leisten. Als Folge führt der Lebensweg dieser Kinder dann nicht nur wegen ihres Aussehens, sondern beispielsweise auch wegen mangelhafter Sprachentwicklung ins soziale Abseits. In Europa werden derartige Fehlbildungen kurz nach der Geburt behoben, weshalb man sie hier fast nie zu Gesicht bekommt.
Aber auch Verbrennungen und deren Folgen werden von dem Team behandelt. In den Armenvierteln kochen viele Menschen an offenem Feuer, sodass es beinahe täglich zu Unfällen kommt. Eine sachgerechte Versorgung der Wunden findet aufgrund der Armut der Familien nicht statt. Viele Wunden vernarben deshalb so ungünstig, dass durch diese Verwachsungen Behinderungen entstehen. Im Jalna Mission Hospital stehen dem Team während des ganzen Einsatzes Räumlichkeiten für die Operationen und Nachsorge zur Verfügung. Das gesamte Equipment von Medikamenten über Nahtmaterial bis hin zu OP-Instrumenten und Monitoren (etwa 500 Kilogramm Gepäck) wird aus Deutschland mitgebracht. Am ersten Einsatztag findet stets das sogenannte Screening statt, bei dem aus einer Gruppe von rund 250 Kindern, welche die Kollegen des Jalna Mission Hospital ausgewählt haben, die Patienten für den aktuellen Einsatz ausgesucht werden. Die Kontinuität des Projektes erlaubt es, die verbleibenden Kinder auf den OP-Plan für das nächste Jahr zu verschieben.
Das Team leistet mit seiner Arbeit die Grundvoraussetzung einer körperlichen Gesundheit, damit der Weg ins Abseits nicht wegen der äußeren Erscheinung vorbestimmt ist. Auch 2017 reist das Team wieder nach Indien. Finanziell unterstützt wird es jährlich von den Rotary Clubs in Hattingen, Bombay Midtown und Jalna sowie von GRVD.