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Text Willi Keim, Heribert Offermanns und Ludolf Plass

Der dritte Weg

Königsweg zur Vison einer Weltwirtschaft ohne fossile Rohstoffe

Heribert Offermanns01.12.2015

Wer keine Vision hat, vermag weder große Hoffnung zu erfüllen, noch große Vorhaben zu verwirklichen“, sagte Thomas Woodrow Wilson, Präsident der USA von 1913 bis 1921. Visionen muss man haben, darf aber die Realität nicht ignorieren. Papst Franziskus und US-Präsident Barack Obama haben die gleiche Vision: eine Weltwirtschaft ohne fossile Rohstoffe. Sie steht auch in dem Appell, den die Staats- und Regierungschefs  der sieben wichtigsten Industrieländer (G7) im Juni auf ihrem Gipfel in Elmau angesprochen haben. Bisher wurden und werden die natürlichen Rohstoffe Erdgas, Erdöl und Kohle  von Menschen in unverantwortlicher Weise zur Energiegewinnung verbraucht. Das Endprodukt der Nutzung fossiler Rohstoffe ist das CO2, das dem UN-Weltklimarat IPCC zufolge als „Klimakiller“ wesentlich zur globalen Erwärmung beitragen soll. Für eine Weltwirtschaft ohne fossile Rohstoffe braucht man erneuerbare Energien wie beispielsweise Solar und Windkraft, aber auch eine Kohlenstoffquelle.

 

Hinzu kommt: Eine Energiewende ist mehr als eine Stromwende. Denn nur knapp ein Viertel der Primärenergie geht in die Stromerzeugung; 70 Prozent werden als Treibstoffe für Automobile und Flugzeuge sowie zum Heizen und Kühlen in der Industrie, in öffentlichen Gebäuden und von privaten Haushalten verbraucht oder dienen der Chemie als Rohstoff.

 

Mehr Kohle als Erdöl

Die Technologien zur Nutzung der Sonnen- und Windenergie, der Geothermie, der Biomasse und anderer sind weitgehend erprobt. Dank immenser Subventionen hat der Anteil der erneuerbaren Energien den der Kohle sogar schon überflügelt. Als Kohlenstoffquelle bleibt bei einem Verzicht auf fossile Rohstoffe nur die Biomasse, allerdings mit Einschränkung, und das CO2 der Ozeane und der Atmosphäre. Derzeit nutzt die Stoffwirtschaft in Deutschland fast ausschließlich importiertes Erdgas und Erdöl, während die Energiewirtschaft hierzulande weitgehend auf Kohle basiert, speziell in Sachsen und Brandenburg. Dort ist Braunkohle, in der Öffentlichkeit oft als „Dreckschleuder“ und „Klimakiller“ verteufelt, wichtigster Rohstoff der Stromerzeugung; in Sachsen kommt sie auf einen  Anteil von 77 Prozent, in Brandenburg auf 64 Prozent.

 

Die Prognosen über die noch vorhandenen Vorkommen fossiler Rohstoffe schwanken sehr stark; fest steht aber, dass die Reserven von Braun- und Steinkohle länger vorhalten als die von Erdöl und Erdgas. Die Befürworter erneuerbarer Energien stehen jedoch vor einem Dilemma. Nachts und oft auch tagsüber scheint die Sonne nicht. Und der Wind weht nicht immer oder nicht immer stark genug. Die Energieerzeugung durch Wind und Sonne ist also nicht planbar, regional sehr unterschiedlich und schwankend je nach Jahres- und Tageszeit. Darum brauchen wir nach dem Ausstieg aus der Kernenergie noch viele Dekaden lang konventionelle Kraftwerke, vor allem auf Basis heimischer Braunkohle zur Sicherstellung der Grundlast, jener Menge an Strom, die unabhängig von allen Schwankungen stets notwendig ist, auch wenn sie derzeit abnimmt. Bisher wird sie vor allem von Braunkohle- und Atomkraftwerken geliefert.

 

Deklaration der Nobelpreisträger
„Ohne eine verlässliche Grundlast und die kostengünstige einheimische Braunkohle kann die Energiewende nicht gelingen“, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich in einem Interview. Aber uns muss bewusst sein, dass bei der energetischen Nutzung der Kohle Kohlendioxid (CO2) entsteht, der berüchtigte „Klimakiller“. Schon vor fast 75 Jahren wies der deutsche Klimatologe Hermann Flohn darauf hin, dass der Mensch das Klima beeinflusst. „Damit wird die Tätigkeit des Menschen zur Ursache einer erdumspannenden Klimaänderung, deren zukünftige Bedeutung niemand ahnen kann“, schrieb Flohn. In der Mainauer Deklaration 2015 mahnten 30 Nobelpreisträger an, dass „die Welt rasche Fortschritte bei der Senkung aktueller und zukünftiger Treibhausgasemissionen erzielen muss, um die wesentlichen Risiken des Klimawandels zu minimieren“.


Künftige Brückentechnologie
Auf dem notwendigen, aber mühsamen und langen Weg in eine Weltwirtschaft ohne fossile Rohstoffe kann die Methanol-Ökonomie eine sinnvolle Brückentechnologie sein. Bereits um 1960 brach der österreichische Chemiker Friedrich Asinger eine Lanze für die Kohle und schlug eine Methanol-Ökonomie vor. „Es ist sehr bedauerlich, dass der allergrößte Teil des geförderten Rohöls für die Herstellung von Vergaserkraftstoffen, Dieselkraftstoffen und Schmierölen verwendet beziehungsweise als Heizöl verheizt wird, obwohl es den idealsten chemischen Rohstoff darstellt“, schreibt Asinger. „Würden Erdöl und Erdgas nur als Chemie-Rohstoffe verwendet, könnte man von fast unerschöpflichen Rohstoffquellen sprechen.“ Die große Zukunft des Methanols liege in der energiewirtschaftlichen Verwertung. „Stünde Wasserstoff billig zur Verfügung, könnte die leicht zu gewinnende, reine, schwefelfreie Kohlensäure (Kohlendioxid/CO2 ) als Ausgangsprodukt für die Methanolsynthese dienen“, erklärte Asinger. „Werden einmal die fossilen Rohstoffquellen noch knapper und teurer, oder gehen diese völlig zu Ende, bleibt außer den Biomassen nur noch die in Luft oder Wasser gelöste Kohlensäure als Rohstoffquelle.“

 

Der Chemienobelpreisträger George A. Olah griff diese Visionen auf und entwickelte sie weiter. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Alain Goeppert und Surya Prakash schrieb er das Buch „Beyond Oil and Gas: The Methanol Economy“. Es erschien fast 30 Jahre nach Asingers Werk, das in Vergessenheit geraten war.

 

Worin besteht nun die Methanol-Ökonomie? Sie stellt die Kombination aus erneuerbarer Energie und Kohle dar mit Methanol als Schlüsselprodukt, ohne dass der „Klimakiller“ CO2 in die Atmosphäre eindringt. Sie ist aber noch nicht das Endziel, denn bei der Nutzung des Methanols zum Beispiel als Treibstoff entsteht CO2. Nur bei ausschließlicher Nutzung von alternativen Energiequellen und von Biomasse sowie ultimativ dem CO2 der Ozeane oder der Atmosphäre als Kohlenstoffquelle ist eine klimakillerfreie Weltwirtschaft ohne fossile Rohstoffe möglich.

 

Wie verläuft die Methanol-Technologie? Mit Hilfe von Überschussenergie aus Solarenergie oder in Deutschland vorzugsweise aus Windkraft wird durch Elekrolyse Wasserstoff und Sauerstoff gewonnen. Mit dem reinen Sauerstoff wird die Kohle sauber verbrannt, und neben der Energie wird hochkonzentriertes CO2 gebildet und abgetrennt. CO2 gelangt also nicht in die Atmosphäre, sondern ist Quelle zur Erzeugung von Methanol mit Hilfe des Wasserstoffs, dem Koppelprodukt des Sauerstoffs bei der Elektrolyse.

 

Projekte der Industrie
Die Technologien zur Stromgewinnung, zur Elektrolyse, zur sauberen Verbrennung, Isolierung und Reduktion des CO2 sind verfügbar und weitgehend erprobt. Methanol, eine Flüssigkeit mit einem Siedepunkt von 64,7 Grad Celsius ist ein gutes Speicher- und Transportmedium. Methanol ist ein sehr geeigneter Energierohstoff, Treibstoff für Diesel- und Ottomotoren sowie Brennstoffzellen und kann in der Chemie nahtlos Erdgas und Erdöl ersetzen.
Nobelpreisträger Olah bewirkte, dass eine erste Anlage zur Gewinnung von Methanol aus CO2 und Wasserstoff 2011 in Island in Betrieb ging. Ein Konsortium unter Federführung der japanischen Konzerne Mitsubishi und Hitachi plant die Errichtung einer Methanolanlage unter Nutzung des CO2-Abgases des modernsten deutschen Kohlekraftwerkes im westfälischen Lünen. Das CO2 kann auch aus anderen Quellen stammen. ThyssenKrupp initiierte ein Projekt namens carbon2chem, bei dem Methanol aus dem Hüttenrauch eines Stahlwerkes gewonnen werden soll. Vorreiter bei der Verwendung von Methanol als Treibstoff ist die Reederei Stena Line Scandinavia, deren Fährschiff Germanica seit Januar 2015 zwischen Göteborg und Kiel verkehrt.

 

Eine Methanol-Ökonomie macht auch Mega-Stromtrassen und Batterien überflüssig. China ist – weitgehend unter Nutzung deutscher Technologien – Vorreiter bei der Nutzung von Methanol als Ausgangsstoff für chemische Produkte und Treibstoffe anstelle von Öl und Gas. Natürlich ist die Methanol-Technologie auf Kohlebasis noch nicht das Endziel bei der völligen Vermeidung des Klimakillers CO2, denn bei der Nutzung von Methanol als Treibstoff entsteht das Abgas CO2. Die Methanol-Ökonomie kann jedoch die wichtigste Brückentechnologie hin zur Weltwirtschaft ohne fossile Rohstoffe sein. Sie ermöglicht zudem einen graduellen Übergang ohne einen grundlegenden Wechsel der Infrastruktur. 

 

Die Vision: Die Nutzung der Sonnenenergie, vorzugsweise in Regionen mit mehr Sonneneinstrahlung als in Mitteleuropa, der Solarthermie und  Photovoltaik, der Wasserelektrolyse und der Erzeugung von Methanol aus CO2 und H2 sowie der Transport mit Tankschiffen in die Verbraucherregionen. 

Heribert  Offermanns
Prof. Dr. Heribert Offermanns (RC Frankfurt/M. – Alte Oper) war bei Degussa tätig, zuletzt als Vorstand für Forschung und Entwicklung, zudem war der Chemiker Honorarprofessor in Frankfurt.