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"Stromkosten von einer Million Euro - das geht nicht"

 - "Stromkosten von einer Million Euro - das geht nicht"
Andrea Rempe muss unter anderem jeden Tag in der Produktion aushelfen, da Personal fehlt - und nicht zu bekommen ist. © privat

Andrea Rempe, Geschäftsführerin des Fleischverarbeiters WKS Winfried Heine GmbH in Kölleda, zur aktuellen Energiesituation

01.11.2022

Ganz klar: Ich weiß nicht, wie es mit unserer Firma weitergehen soll. Zum Ende des Jahres läuft der Stromvertrag aus. Unser Energiebroker hat keinen Anbieter gefunden, der bereit ist uns ein Angebot für nächstes Jahr zu unterbreiten. Allein der örtliche Versorger bietet einen Vertrag für das Zwanzigfache des aktuellen Preises an, rät aber gleichzeitig davon ab. Stromkosten von einer Million Euro mehr, die haben wir leider nicht übrig.

Aufgrund der baulichen Situation könnte eine Photovoltaikanlage nur 30 Prozent des Strombedarfs decken. Bleibt noch ein Blockheizkraftwerk in Kombination mit Flüssiggas. Diese Technologie hat bei der von uns benötigten Größenordnung eine Lieferzeit von mindestens neun Monaten. An der Stelle muss sich politisch was tun, auf jeden Fall benötigen wir eine Übergangslösung.

Es geht gerade vielfach durch die Presse, dass der Handel seine Muskeln spielen lässt. Wir liefern fast 90 Prozent an den Lebensmitteleinzelhandel. Preiserhöhungen werden da rundweg abgelehnt. Wir sind von einem Discounter sogar per Mail von heute auf morgen ausgelistet worden, weil wir keine Preissenkung vornehmen wollten. Unglaublich, nach über zwanzig Jahren Zusammenarbeit. Bei negativer Marge sind auch wir nun gezwungen, uns von Kunden zu trennen. Dies ist gerade bei Lidl geschehen.

Ganz akut ist die Personalverfügbarkeit unser größtes Problem. Zeitarbeitsfirmen geben sich alle Mühe, aus dem In- und Ausland Mitarbeiter zu rekrutieren. Leider ist die Ausfallquote dieser Mitarbeiter hoch. Fehlender Mobilität begegnen wir mit Taxi-Service oder PKW-Bereitstellung. Daran soll es nicht scheitern. Uns retten aber gerade viele fleißige Rentner. Auch meine Eltern stehen mit über achtzig Jahren jeden Tag am Band. Dieser Zustand ist dauerhaft unmöglich und wird sich wohl nur dann ändern, wenn sich Arbeit auch für untere Einkommensgruppen wieder lohnt. Ich ziehe jeden Tag den Hut vor jedem, der zur Arbeit erscheint. Wir versuchen, dies mit einigen Sonderleistungen attraktiv zu machen, es fühlt sich dennoch sehr ungerecht an.

Ein befreundeter Geschäftsmann will inzwischen sogar Arbeitskräfte aus den Kosovo holen. Deren Visum wäre an den Arbeitgeber gekoppelt, ansonsten erfolgt eine Ausweisung. Ich würde auch gerne ukrainische Kräfte beschäftigen, aber hier scheint sich die Arbeit ebenfalls nicht zu lohnen, da das Einkommen voll auf die Sozialleistung angerechnet wird. Ohne Verpflichtung, zumutbare Arbeit anzunehmen, wird sich unser Problem nicht lösen. Ich sehe nicht, wer diese Leistungen bezahlen soll.

Fakt ist: Die Situation im Mittelstand ist dramatisch, existenzbedrohend. Eine Insolvenzwelle sehe ich im Mittelstand dennoch nicht. Frei nach Habeck: Es wird zu dauerhaften geplanten Schließungen kommen. Ökonomisch bleibt der Effekt aber gleich.