Titelthema
Stimmen aus dem Mittelstand
Krisen, Krieg und Inflation: Angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen haben wir Unternehmerinnen und Unternehmer nach ihren Sorgen, Strategien und Maßnahmen gefragt – und danach, welche Wünsche sie an die Regierung haben.
Biolandwirtschaft: „Einen Notfallplan haben wir nicht“
Wir spüren die Kaufzurückhaltung, mittlerweile stabilisieren sich die Umsätze auf einem um etwa zehn Prozent niedrigeren Niveau. Die größte Herausforderung ist immer noch der Fachkräftemangel. Einen Notfallplan haben wir nicht. Wir arbeiten auf schmalerem Niveau weiter, vermeiden nicht notwendige Kosten und planen kaum noch Investitionen. Zum Glück ist unser Anteil an Energiekosten an den Gesamtkosten nur bei circa drei Prozent. Hoch lebe das Handwerk. Ich wünsche mir, dass die Regierung diejenigen Menschen unterstützt, die jetzt wirklich in finanzielle Schwierigkeiten kommen. Es braucht eine verstärkte Entlastung für diese Personen, nicht nach dem Rasenmäherprinzip für alle.
Karl Schweisfurth (RC München-Bavaria), Inhaber Gut Hermannsdorfer
Süßwaren: „Mehr Fairness in der Lieferkette“
Auch wir haben die wahrscheinlich nicht nur temporäre Situation enorm hoher Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten für Roh- und Hilfsstoffe, die in diesen Größenordnungen zwingend, aber mit Augenmaß, an die Kunden weitergegeben werden müssen. Herausforderung hierbei ist einerseits die Marktmacht des stark konzentrierten Lebensmitteleinzelhandels und anderseits die Preissensibilität der Endverbraucher. Die Versorgungsunsicherheit an den Energiemärkten erschwert neben den preislichen Verwerfungen zudem die Planbarkeit entlang der Lieferkette. Neben dem Intensivieren von Energie-Einsparmöglichkeiten reduzieren wir einerseits unseren Gasverbrauch und weichen beschleunigt auf alternative Energieträger aus, zum Beispiel durch den großflächigen Einsatz von Photovoltaik. Getreu unserem Wert „vor allem Qualität“ kompensieren wir Kostensteigerungen aber nicht durch Rezepturveränderungen. Unsicherheiten in der Lieferkette begegnen wir durch höhere Sicherheitsbestände. Aus zahlreichen Gesprächen weiß ich, dass viele kleinere und mittelständische Unternehmen drohen, in eine finanzielle Schieflage zu geraten. Um ihnen zu helfen, die enormen Herausforderungen zu schultern, habe ich die folgenden Erwartungen an die Politik:
1) Einführung eines Strom- und Gaspreisdeckels sowie die Einführung eines EU- einheitlichen Industriestrompreises
2) Abschaffung aller EU-Zölle auf Importe von Lebensmittel-Rohstoffen
3) Absicherung von Vorfinanzierungen und Unterstützung bei finanziellen Schieflagen durch Staatsbürgschaften und längerfristige KfW-Kredite
4) Mehr Fairness in der Lieferkette, unter anderem ein besserer Schutz der Herstellerbetriebe durch das Wettbewerbsrecht
Johannes Niclassen (RC Hamburg-Altstadt), Geschäftsführer Haribo
Theater: „Kartenkäufe kommen nach dem Broteinkauf“
Für die Theater gilt trotz einer regulären Kostenübernahme von circa 75 bis 80 Prozent durch kommunale und staatliche Zuschüsse, dass diese Krisenüberlagerung sich gegenseitig verstärkende negative Effekte nach sich zieht. Dazu gehören nicht gedeckte hohe Tarifabschlüsse (Mindestlohn und Inflationsdruck), die Verstärkung des strukturell vorhandenen Fachkräftemangels, eine Kostenexplosion im Sachkostenbereich, Einnahmeverluste wegen Corona und Post-Corona-Effekten (Vorsicht und Angst), Einnahme- und Imageverluste durch symbolische, negative Berichterstattung über Veranstaltungsorte und Theater im Besonderen – Kulturstätten werden immer mehr zu symbolischen Orten des Verzichts in Krisen –, Einnahmeverluste durch Inflation, denn Kartenkäufe kommen halt erst nach dem Broteinkauf, Post-Corona-Effekte im Bereich Theater und Schule bei Finanzierungsproblemen der Theater-Fahrten, ein Konsolidierungsbedürfnis von Schulen nach Corona und angesichts einer Organisationserschöpfung wegen zunehmender Überregulierung sowie Einnahmeverluste im Bereich „Treue Kunden“ (Abonnenten). Hinzu kommt konkret fürs Schlosstheater Celle, dass manche Einsparhebel im Energiebereich operativ nicht in betrieblicher Hand liegen, wohl aber die Kosten bei uns landen. Bilanziell gesehen werden die geförderten Theater trotz einer negativen Einnahme-Ausgabe-Rechnung wegen der Kurzarbeit kurzfristig solide dastehen und den Druck abfedern können. Bei steigernder Dynamik führt dies jedoch in strukturelle Defizite und zu folgende Fragen: Wann übernimmt das Land endlich die Tarifsteigerungen und wann setzten sich alle (die Zuschussgeber und Theater) zusammen und entwickeln mit uns eine Mehrjahresplanung, um der kurzfristigen „Von-der-Hand-in-den-Mund“-Haltung eine solide Planung mit alternativen Szenarien entgegenzusetzen? Ziel ist, die Finanzierung von Kulturinstitutionen auf Landesebene grundsätzlicher abzusichern und Beteiligungsmanagement in Hinblick auf Lösungsentwicklungen, Bedarfsermittlungen und Kommunikation zu etablieren. Die Kommunikation reduzierte sich in der Coronakrise leider auf ein „von oben nach unten“ und verstärkte damit ein starres und unattraktives
Politikverständnis, das sogar Abgeordnete mit „wir werden von der Regierung nicht ausreichend beteiligt“ ablehnten.
Andreas Döring (RC Celle), Intendant Schlosstheater Celle
Lebensmittel/Metzgerei: „Fleißige Rentner retten uns“
Ganz klar: Ich weiß nicht, wie es mit unserer Firma weitergehen soll. Zum Ende des Jahres läuft der Stromvertrag aus. Unser Energiebroker hat keinen Anbieter gefunden, der bereit ist, uns ein Angebot für nächstes Jahr zu unterbreiten. Allein der örtliche Versorger bietet einen Vertrag für das Zwanzigfache des aktuellen Preises an, rät aber gleichzeitig davon ab. Stromkosten von einer Million Euro mehr, die haben wir leider nicht übrig.
Aufgrund der baulichen Situation könnte eine Photovoltaikanlage nur 30 Prozent des Strombedarfs decken. Bleibt noch ein Blockheizkraftwerk in Kombination mit Flüssiggas. Diese Technologie hat bei der von uns benötigten Größenordnung eine Lieferzeit von mindestens neun Monaten. An der Stelle muss sich politisch was tun, auf jeden Fall benötigen wir eine Übergangslösung.
Es geht gerade vielfach durch die Presse, dass der Handel seine Muskeln spielen lässt. Wir liefern fast 90 Prozent an den Lebensmitteleinzelhandel. Preiserhöhungen werden da rundweg abgelehnt. Wir sind von einem Discounter sogar per Mail von heute auf morgen ausgelistet worden, weil wir keine Preissenkung vornehmen wollten. Unglaublich, nach über 20 Jahren Zusammenarbeit. Bei negativer Marge sind auch wir nun gezwungen, uns von Kunden zu trennen. Dies ist gerade bei Lidl geschehen.
Ganz akut ist die Personalverfügbarkeit unser größtes Problem. Zeitarbeitsfirmen geben sich alle Mühe, aus dem In- und Ausland Mitarbeiter zu rekrutieren. Leider ist die Ausfallquote dieser Mitarbeiter hoch. Fehlender Mobilität begegnen wir mit Taxi-Service oder PKW-Bereitstellung. Daran soll es nicht scheitern. Uns retten aber gerade viele fleißige Rentner.
Auch meine Eltern stehen mit über 80 Jahren jeden Tag am Band. Dieser Zustand ist dauerhaft unmöglich und wird sich wohl nur dann ändern, wenn sich Arbeit auch für untere Einkommensgruppen wieder lohnt. Ich ziehe jeden Tag den Hut vor jedem, der zur Arbeit erscheint. Wir versuchen, dies mit einigen Sonderleistungen attraktiv zu machen, es fühlt sich dennoch sehr ungerecht an.
Ein befreundeter Geschäftsmann will inzwischen sogar Arbeitskräfte aus den Kosovo holen. Deren Visum wäre an den Arbeitgeber gekoppelt, ansonsten erfolgt eine Ausweisung. Ich würde auch gerne ukrainische Kräfte beschäftigen, aber hier scheint sich die Arbeit ebenfalls nicht zu lohnen, da das Einkommen voll auf die Sozialleistung angerechnet wird. Ohne Verpflichtung, zumutbare Arbeit anzunehmen, wird sich unser Problem nicht lösen. Ich sehe nicht, wer diese Leistungen bezahlen soll.
Fakt ist: Die Situation im Mittelstand ist dramatisch, existenzbedrohend. Eine Insolvenzwelle sehe ich im Mittelstand dennoch nicht. Frei nach Habeck: Es wird zu dauerhaften geplanten Schließungen kommen. Ökonomisch bleibt der Effekt aber gleich.
Andrea Rempe (RC Sömmerda), Geschäftsführerin der WKS Winfried Heine GmbH, Kölleda
Reinraumtechnik: „Der Wille, eigene Lösungen zu finden“
Als mittelständisches Unternehmen im Bereich der Reinraumtechnik und Apparatebau für Geräte und Anlagen für die Pharma-, Medizin-, Live-Science-, Lebensmittel- und Halbleiterbranchen sind wir in erster Linie von den Preisen für die Elektroenergie betroffen. Die Pandemie- und Kriegsthematik zeigen uns in drastischer Form die generelle Abhängigkeit auf. Die größte Herausforderung ist der natürliche Umgang mit den Krisen und dem Willen, eigene Lösungen zu finden.
Die wichtigste und effizienteste Maßnahme ist die Bewusstseinsschaffung bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Bezug auf den sparsamen Umgang mit Energie. Ohne eine Krisenstimmung oder Hysterie zu bewirken, geht es darum, jede Kleinigkeit, die mit elektrischer Energie und anderen Energieträgern in Zusammenhang steht, zu hinterfragen, ob der Verbrauch notwendig ist und wie wir eine Einsparung vornehmen könnten. Die konstruktive Diskussion unter den Mitarbeitern ist die wichtigste Maßnahme.
Wir haben eine Gesellschaft des Forderns entwickelt, die alle erdenklichen Forderungen und Wünsche an die Politik richtet. Ich kenne keine Organisation, Verein, Interessenvertretung oder Privatperson, die nicht die Lösung der Probleme von der Politik fordert und im gleichen Ausmaß alles kritisiert, was getan wird. In all unseren Diskussionen lege ich bei jeder Forderung an die Politik Wert darauf, im gleichen Ausmaß die Eigenverantwortung, das Eigenverhalten in die Waagschale zu werfen. Jede Forderung muss, zumindest gedanklich, mit einer Eigenmaßnahme in Verbindung stehen. Von der Politik, und damit meine ich die Bundesregierung, die Landesregierungen und die Opposition, wünsche ich mir, dass das Thema Energiekrise und die damit verbundene Krisenbewältigung außer Streit gestellt wird und alle gemeinsam an den besten Lösungen arbeiten. Denn es ist eigentlich Aufgabe der gesamten Politik, schwerwiegende Krisen zu lösen – zumindest deren Auswirkungen so gering als möglich zu gestalten.
Josef Ortner (RC Spittal a. d. Drau), Geschäftsführender Gesellschafter Ortner
Chemie: „Brauchen kalkulierbare Energiepreise“
Bei der Worlée-Chemie liegen die besonderen Herausforderungen vor allem in den stark gestiegenen Energiepreisen und in der Rohstoffverfügbarkeit. So wurden bei uns für die Erzeugung unserer Bindemittel größere Erdgasmengen in Form von Prozesswärme eingesetzt. Vorausschauend haben wir bereits vor langer Zeit in unseren Werken Zweistoffbrenner einbauen lassen, mit denen wir frühzeitig vom Gas auf Heizöl umstellen konnten. In unserem Hauptwerk in Lauenburg/Elbe verfügen wir zur Sicherheit sogar über zwei Dieselaggregate, die wir jedoch nur im Testbetrieb oder bei Stromausfall nutzen dürfen. In Deutschland gibt es eine Vielzahl solcher Erzeugungskapazitäten, mit denen man Gas einsparen und die Netze stabilisieren könnte. Deshalb habe ich Staatssekretär Patrick Graichen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) bereits vor Wochen angeschrieben und darum gebeten, diesen Anlagen übergangsweise den Dauerbetrieb zu erlauben. Das liegt aber wohl nicht im Geschäftsinteresse der großen Stromerzeuger, die lieber ihre Gas- und Kohlekraftwerke auslasten wollen.
Wir haben bereits seit Jahren neben unserem Energiebezug auch unsere Rohstoffversorgung – mit Hilfe unserer Forschung – auf eine breitere Basis gestellt. Einzelrohstoffe haben wir durch alternative Lieferanten ergänzt. Dabei haben wir den Schwerpunkt auf den Einsatz von lokalen, nachwachsenden Rohstoffen gelegt, die jetzt in der Krise auch vielfältiger verfügbar sind. Da wir uns das Ziel gesetzt haben, spätestens bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu produzieren, haben wir in eine Biogasanlage investiert, mit der wir bereits heute einen guten Teil unseres Strom- und Wärmebedarfes abdecken. Und wir planen, diese auszubauen und auch weiterhin in Photovoltaik zu investieren. Meine älteste Tochter, Johanna, digitalisiert gerade unsere Geschäfts- und Produktionsprozesse in der Cloud. Sie hat zusammen mit unseren Mitarbeitern ein Leitbild entwickelt, das uns dabei hilft, die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Diese vorausschauende Organisations- und Investitionsbereitschaft ermöglicht es uns, diese Krise auch im 171. Jahr unseres Bestehens mit Zuversicht anzugehen und unser Familienunternehmen sicher in die sechste Unternehmergeneration zu überführen.
Wirtschaft und Verbraucher brauchen endlich wieder kalkulierbare Energiepreise, um kollektiv im Warmen und ohne existentielle Notlagen durch die kommenden Winter zu kommen. Daher muss die Bundesregierung jetzt aufs Tempo drücken und schnellstens die Preise für Energie stabilisieren, um nicht die Inflation weiter in die Höhe zu treiben. Hoffentlich wird die Regierung bei der Gaspreisbremse jetzt alles genau durchkalkulieren
und abwägen, damit diese ihre erhoffte Wirkung erzielen kann und uns nicht in einigen Wochen oder Monaten die Energiepreise weiterhin um die Ohren fliegen. Dafür ist es unabdingbar, dass die Strompreisbremse schnell auch auf die europäische Ebene gezogen wird, damit unsere national subventionierten Energiepreise nicht zu einer vermehrten Nachfrage aus dem Ausland führen.
Wir brauchen jetzt endlich einen klugen Energiemix. Dazu gehört der Weiterbetrieb aller noch sicher funktionsfähigen Kernkraftwerke und die Reaktivierung aller verfügbaren Kohlekraftwerke, um die verschwenderische Gasverstromung weitestgehend zu vermeiden und so auch unsere Strompreise zu stabilisieren. Auch die zahlreichen deutschen Gasfelder sollten endlich wieder angezapft werden. Das würde Unternehmern und Bürgern mehr helfen als schuldenfinanzierte Entlastungspakete des Bundes und der Länder zu Lasten kommender Generationen.
Reinhold von Eben-Worlée, geschäftsführender Gesellschafter von Worlée Chemie und Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer“
Statement von Reinhold von Eben-Worlée als Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer“ zur allgemeinen Lage der Mitgliedsbetriebe: „Die Situation ist dramatisch“
Die Situation ist bei vielen Unternehmen und auch Bürgern jetzt schon dramatisch! Insbesondere bei solchen, die mit der Unsicherheit kurzfristiger Energielieferverträge mit extrem hohen Energiepreisen umgehen müssen, ist die Lage direkt existenzbedrohend. Viele Unternehmen erhalten schon heute gar keine Energieangebote mehr. Wenn sie aber keine neuen Verträge zu finanzierbaren Kosten abschließen können, ist ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr gegeben. Dann drohen entlang der Wertschöpfungsketten Kaskadeneffekte in Form von gedrosselten Fabriken und Firmenkonkursen, die Arbeitsplätze, Vertrauen und Kaufkraft vernichten. Leider hat die Bundesregierung etwas Brauchbares wie das Konzept der Gas-Kommission erst jetzt mit Beginn der Heizperiode vorgelegt. Dabei hätte sie schon vor Monaten ins aktive Handeln kommen müssen. Nun müssen die neuen Pläne erst auch noch umgesetzt werden. Dies alles ist Verlust von wertvoller Zeit, denn Planungssicherheit ist in dieser fragilen Wirtschaftslage für Unternehmen überlebenswichtig. Für einige Firmen kommt die Rettung daher zu spät.
Durch das Wegbrechen von Lieferanten und dadurch das Fehlen von Rohstoffen oder Vorprodukten kommen übrigens auch Unternehmen in eine Schieflage, die von den hohen Energiepreisen unwesentlich betroffen sind oder die sich über Versorgungsverträge längerfristig abgesichert haben. Ungebremst würde sich dieser Prozess massiv weiter beschleunigen und die Inflation weiter anheizen. Wenn Deutschland seine soziale Marktwirtschaft erhalten und eine Industrienation bleiben will, müssen die Regierenden aus ihren Fehlern der Vergangenheit lernen und unsere Versorgung schnellstmöglich auf einen breiteren Energiemix umstellen. Denn auch die Erneuerbaren Energien werden es auf absehbare Zeit allein nicht schaffen, unser Industrieland sicher und ausreichend zu versorgen. Deshalb sollten sich unsere verantwortlichen Politiker endlich mit der harten Realität vertraut machen und von ihren hochtrabenden, aber unrealistischen Parteitagsbeschlüssen abrücken. Dann wird auch das Vertrauen in die Lösungskompetenz unserer staatlichen Institutionen wieder wachsen.
Handel: „Befürchte Ausfall von Produkten“
Die Preise sind durch eine Koppelung von Engpässen, Spekulation und technischen Rahmenbedingungen nach oben geschossen. Während beim Gas ein echter Engpass vorliegt, ist der Strom zwar vorhanden, es stellt sich hier aber die Frage nach der ausreichenden Stabilität der Netze, wenn im Winter auch Strom zum Heizen genutzt würde. Die Verwerfungen auf dem Energiemarkt betreffen ja nicht nur uns, sondern auch unsere Lieferanten. Insofern befürchte ich, dass es in den nächsten Monaten durchaus zu Ausfällen von Produkten kommen wird. Das kann seine Ursache in mangelnden Vorprodukten haben, aber auch zunehmend aufgrund eines Stopps der Produktion aus wirtschaftlichen Gründen. Daneben beeinflusst die Tatsache, dass das Budget der Bürger durch höhere Energiekosten stark eingeschränkt wird auch ihre Einkaufsverhalten negativ.
Für unsere Herzberger Bäckerei würde ein Wegfallen der Gasversorgung zu einem Produktionsausfall führen, der uns und damit die Versorgung unserer Kunden massiv treffen würde. Ein Zusammenbrechen der Netze und der damit verbundene Stromausfall, würde in den betroffenen Regionen unsere Märkte lahmlegen und hohe Warenschäden verursachen, da ohne Strom weder die Kühlung, noch das Kassieren der Ware möglich sind. Natürlich gibt es Notfallpläne, aber alle gehen mit einer eingeschränkten Leistungsfähig einher. Eine verlässliche Versorgung mit Energie in jeglicher Form ist für die Versorgung der Bürger mit Lebensmitteln unerlässlich, dass sollte der Hauptfokus sein. Wenn es nicht gelingt, die Energiepreise wieder zu normalisieren, wird auch eine staatliche Hilfe an vielen Stellen nötig werden. Für viele kleinere Einzelhändler und Produzenten ist eine finanzielle Unterstützung für ihre weitere Existenz unerlässlich. Wenn unsere kleineren Partner und die vieler anderer diese Krise nicht überstehen, wäre das eine extreme Einschränkung von Regionalität und Vielfalt. Bei vielen Ideen unserer Regierung und den einzelnen Ministerien und Politikern auf Landes- und Bundesebene wird meines Erachtens nicht gut ausgewogen, welche Konsequenz sie haben und entsprechend priorisiert. Zu oft bleibt es bei einem freundlichen Appell an unbestimmte Zielgruppen. Konkrete Vorschläge, wie zum Beispiel durch uns, die Ladenöffnungszeiten deutschlandweit am Modell Bayern zu orientieren, werden nicht aufgenommen, sondern es wird nur zurückverwiesen.
Thomas Gutberlet (RC Fulda), Geschäftsführer Tegut
Fitness/Sport: „Es fehlt an Klarheit und Führung“
Grundsätzlich sind eine große Verunsicherung, Irritation und Ärger in mir. Viele Fragezeichen begleiten mich täglich im Hinblick auf die zukünftigen Entwicklungen in unserer Gesellschaft, in der Wirtschaft und global betrachtet. Dies liegt darin begründet, dass die vielen Unsicherheitsfaktoren, Machtkämpfe und Postengerangel unserer Regierung in Verbindung mit dem Förderalismus sowie den wirtschaftlichen Einbußen und Liquiditätsengpässen, die Corona durch unsere Schließzeiten mit sich gebracht haben, sich jetzt durch die Energiekrise und deren Auswirkungen weiter potenzieren. Unsere Regierung macht vor, wie Uneinigkeit aussieht. Es fehlt an Klarheit und Führung. Ich sehe Widersprüchlichkeiten in der Gesetzgebung und zwischen den einzelnen Ministerien. Stellvertretend ein simples Beispiel: Der Arbeitsschutz sagt Lüften und Händewaschen, die Energieverordnung sagt, Fenster zu und Wasser sparen. Mir fehlt eine offene und erklärende Kommunikation der Politik, die mich als Bürgerin und unsere Gesellschaft einbezieht sowie mitnimmt.
1. Durch die Schließzeiten haben viele Kunden Ihre Motivation verloren, manche sind aus ihrem Sicherheitsbedürfnis heraus nicht mehr zum Training gekommen und wiederum andere wollten die Zutrittsauflagen nicht erfüllen. Alle drei Gruppen kündigten ihre Verträge. Damit waren die ersten wirtschaftlichen Einbußen und Abwertungen meines Unternehmens zementiert. Das Neukundengeschäft fing und fängt unter den Auflagen und Unsicherheitsfaktoren den Verlust nicht auf.
2. Es fehlen eine unternehmerische sowie wirtschaftliche Planungssicherheit, Verbindlichkeit und Vertrauen, da bis heute:
- keine Endabrechnungsformulare der Überbrückungshilfen November/Dezember 2020, Januar bis Juni 2021 sowie September 2021 bis April 2022 bereitstehen und man keine verbindlichen Aussagen dazu bekommt. Weil sich die Thüringer Aufbaubank hinter dem Bund versteckt, im Gegenzug die Finanzämter die Jahresabschlüsse beispielsweise für 2020 bis zum 31. August 2022 eingefordert haben und man im Ernstfall der Rückzahlung die Abschlüsse kostenpflichtig korrigieren muss.
- durch die fehlende Endabrechnung nicht sicher ist, ob etwas zurückgezahlt werden muss, wie bereits mit der November-Dezember-2020-Hilfe erfolgt, als die Förderbedingungen klammheimlich rückwirkend geändert wurden. Hier sind mir Vertrauen und Verbindlichkeit wichtig!
- keine Auszahlungstermine für die bereitstehenden und öffentlich kommunizierten zusätzlichen Eigenkapitalhilfezuschüsse im Rahmen der Überbrückungshilfen feststehen.
Das BGH-Urteil von Mai 2022 macht unserer Branche zu schaffen: Pandemiebedingte Schließzeiten verlängern nicht automatisch den Fitnessvertrag sowie dessen Kündigungsfristen. Das heißt, der Kunde entscheidet, ob er die nicht abgebuchten Beiträge kostenpflichtig nachtrainieren möchte oder nicht. Wir haben während der Schließzeit nichts abgebucht, was zur Folge hat, dass wir bis heute auf geplante Monatsmitgliedsbeiträge verzichten müssen, weil viele Kunden dieses Urteil als den perfekten wirtschaftlichen Ausstieg aus dem Vertrag, gerade im Zuge der Inflation, nutzen. Bei Kunden, die im Voraus bezahlt hatten, haben diese einen Anspruch auf bis zu 294 Tage kostenfreie Trainingszeit oder Rückzahlung der Beiträge und dies unter den jetzigen Bedingungen.
Das BGH-Urteil empfinden unsere Branche und ich persönlich im Rahmen des Sonderfalles der Pandemie als ungerecht. Es schiebt das wirtschaftliche Risiko komplett auf den Anbieter. Den von Politik und Regierung propagierten solidarischen Umgang der Gesellschaft untereinander findet sich in dem Urteil nicht wieder. Eine 50:50 Lösung wäre mehr als fair gewesen, da niemand für die Pandemie und deren Auswirkungen verantwortlich gemacht werden kann.
Darüber hinaus fehlen Aussagen zu den Energiepreisen. Bis Dezember 2022 habe ich Planungssicherheit, danach kommt die berühmte Glaskugel. Dazu kommt die Arbeitskräftesituation mit der Generation „New Work“, die in der Dienstleistungsbranche und Face-to-Face-Kundenkontakt nur schwer umsetzbar ist. Auch fehlen Planungssicherheit und Vertrauen, da
- ich als Unternehmerin die Auszahlung für meine Arbeitnehmer übernehmen muss, aber erst vier Monate später die Rückerstattung vom Staat erhalte.
- die Forderungen nach steuerfreien Zulagen für die Arbeitnehmer für kleine und mittlere Unternehmen nicht zu stemmen sind.
- in meiner Branche Preiserhöhungen, anders als in der Gastronomie oder im Einzelhandel, vertragsrechtlich nur mit Zustimmung des Kunden möglich sind. Das heißt, es ist unwahrscheinlich viel Erklär-, Rede- und Verhandlungsbedarf mit dem Kunden notwendig, um im Zuge der Inflation eine Erhöhung durchzusetzen. Der Kunde hat das Recht zur Kündigung oder Fortsetzung seines Vertrages zu den alten Bedingungen.
- das neue Verbraucherschutzgesetz seit dem 1. März 2022 dem Neukunden nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Erstlaufzeit die Möglichkeit gibt, monatlich zu kündigen. Für den Verbraucher eine sinnvolle Lösung, für uns Anbieter mit langfristig angelegten Verbindlichkeiten wie Kredit-, Miet- oder Leasingverträgen sichert es keine vernünftige Unternehmens-, Investitions-und Liquiditätsplanung mehr.
Ich versuche über meine Netzwerke Themen anzusprechen und kämpfe für Veränderungen. Die Erfolge, die die Wirtschaftsverbände rund um das Thema Gasumlage erreicht haben, ist ein gutes Beispiel dafür, das Aufgeben keine Option ist.
Entscheidend für mich ist, dass ich als Mensch und Unternehmerin in meiner Kraft und in meinem Urvertrauen zu meinen Fähigkeiten bleibe. Da geht es um Themen der Selbstfürsorge und -verantwortung, Selbstklärungs- und Empathieprozesse, die sich positiv auf mich und mein Team auswirken. Wir haben vereinbart, dass wir nur dort Energie und Kraft hineinstecken, wo wir etwas bewegen können, zuallererst in unsere tägliche Arbeit in jeglicher Form des empathischen Umganges untereinander, füreinander und vor allem mit zufriedenen Kunden, die unser medizinisch zertifiziertes Trainingszentrum schätzen und brauchen. Verschiedene Formen der Empathieprozesse führen wir regelmäßig und wenn Bedarf besteht, täglich miteinander durch. Finanzwirtschaftlich gesehen habe ich ein kontrolliertes Kostenmanagement, das höchste Priorität genießt.
Welche Wünsche und Forderungen ich an die Regierung habe? Sie sollte sich bei allen Handlungen, Erklärungen und Entscheidungen an der rotarischen Vier-Fragen-Probe sowie an Berechenbarkeit, Führung, Klarheit, Verbindlichkeit, Empathie und Entscheidungsfreudigkeit orientieren. Gleichzeitig ist es mir wichtig zu betonen, dass ich derzeit mit keinem Regierungspolitiker tauschen möchte. Aber ich möchte „Danke“ sagen, dass es bisher die verschiedenen Möglichkeiten der Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen gab, etwa Kurzarbeit und Überbrückungshilfen.
Silke Dombrowski (RC Jena-Ernst Abbe), Inhaberin Progesund Fitnessstudio
Werkzeugmaschinen: „Nicht die Zeit für Ideologien“
Zu den größten Herausforderungen für uns zählen aktuell immer noch die Störungen in der Lieferkette. Auch wenn sich diese Störungen im Lauf der letzten Monate deutlich verringert haben – es stellt unsere Logistik und Produktion immer noch vor große Probleme. Hinzu kommen die globalen Unsicherheiten insgesamt und eine nie gesehene Kostenexplosion bei Gas und Strom. Trumpf ist kein gasenergieintensives Unternehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen mittelständischen Firmen – etwa in der Chemieindustrie oder mit Schwerpunkt galvanischer Metallbearbeitung – trifft uns die Energiekrise wesentlich weniger hart. Gleichwohl nutzen wir Gas zum Heizen unserer Fabriken und viele Produktionsabläufe funktionieren nur bei gleichbleibender Umgebungstemperatur. Dementsprechend sind die steigenden Energiekosten auch für uns ein Thema. Schwerwiegender betreffen würde uns ein Stromausfall, weil er unmittelbar die Produktionsabläufe stören würde. Das gilt für unsere eigenen Maschinen und Hallen, bei denen die digitale Vernetzung mittlerweile Standard ist.
Für Notfälle haben wir mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen reagiert. Das gilt sowohl für die Störungen in der Lieferkette, die Absicherung bei Strommangel, aber auch Einsparungen beim Gas. Bei den Störungen in der Lieferkette haben wir unsere engen Lieferantenkontakte genutzt, um möglichst eine hohe Planbarkeit zu erreichen. Beim Energiethema haben wir unter anderem unsere Heizungen von Gas auf Öl umgestellt, wo das möglich und sinnvoll war. Im Sommer haben wir die Entfeuchtung in unseren Gebäuden heruntergefahren, um Energie zu sparen. Bereits im letzten Winter haben wir die Temperatur in den Büros, soweit es geht, gesenkt. Für Trumpf spielen dabei nicht nur die Kosten eine Rolle. Es war und ist für uns auch eine Frage der gesellschaftlichen Verantwortung, fossile Energie einzusparen.
Darüber hinaus haben wir verschiedenen Szenarien durchgespielt, so dass wir Risiken frühzeitig erkennen. Wir hoffen natürlich, dass wir unsere Pläne nicht aus der Schublade holen müssen. Um ein Beispiel zu nennen: Sollten wir gezwungen sein, unseren Gasverbrauch stark einzuschränken, würden wir zunächst Bürogebäude komplett schließen. Unser Ziel als Industrieunternehmen muss es immer sein, die Produktion so lange wie möglich aufrechtzuhalten. Unsere Wünsche und Forderungen an die Regierung? Es ist jetzt nicht die Zeit für politische Grabenkämpfe und Ideologien. Um die Wettbewerbsfähigkeit einer zentralen deutschen Industriebranche, dem Maschinenbau, im Angesicht der Herausforderungen international zu erhalten sind nun allerdings die richtigen Weichenstellungen nötig. Innovationen und Investitionen zu unterstützen ist einer unserer vordringlichsten Appelle an die Politik. Und natürlich setzen wir uns auch weiterhin dafür ein, dass Deutschlands und Europas Energieversorgung dauerhaft unabhängig von russischem Gas wird – durch den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien ebenso wie durch technologische Innovationen in der Nutzung aller Energieformen.
Mathias Kammüller (RC Stuttgart-Rosenstein), CDO und Vorstandsmitglied Trumpf
Schmuck: „Auf stabile Füße gestellt“
Unsere Firma wurde 1878 von meinem Urgroßvater Emil Sonntag in Leipzig gegründet. Das Unternehmen hat zwei Weltkriege, Weltwirtschaftskrisen und die Zeit des Sozialismus überstanden. Unserem Unternehmen geht es im Moment noch sehr gut. Unsere größte Sorge ist die Frage, ob die Regierung mit Ihrer Politik unser Land mit hoher Geschwindigkeit an die Wand fährt. Wir haben in der Zeit der Coronakrise unseren Internetauftritt neugestaltet und einen Onlineshop eingerichtet. Dies und die kompetente Beratung eines tollen Teams haben unser Unternehmen auf stabile Füße gestellt. Einen Notfallplan haben wir nicht, da wir nach Aussage von unserem Wirtschaftsminister Habeck nicht insolvent sind, wenn wir unser Unternehmen aus wirtschaftlichen Grüßen schließen müssen. Wir hoffen, dass die Regierung endlich anfängt, die Interessen seiner Bevölkerung zu vertreten und weiteren Schaden von unserem Land abhält.
Andreas Böttcher (RC Leipzig), Inhaber Sonntag & Sohn
Kunststoffe: „Gaspreise sieben- bis achtmal höher“
Die größten Herausforderungen sind zurzeit die gestiegenen Preise für Gas, die im August 2022 sieben- bis achtmal höher lagen als im August 2021, und diese an die Kunden weiterzugeben. Dasselbe gilt für die gestiegenen Rohstoffpreise, welche wir weltweit einkaufen. Aufgrund der vulnerablen Lieferketten kommt es ebendort auch immer wieder zu Verzögerungen, was auch für unsere Produktionsplanung nicht einfach ist. Seit Beginn des Jahres werden monatlich neue Preise kalkuliert und an die Kunden übermittelt. Der wohl größte Unterschied im strategischen Management zu „vor der Krise“ ist der, dass langfristige Strategien aufgrund der VUCA-Welt zurzeit nur sehr schwer möglich sind.
Unsere Strategie ist es, aufgrund unserer Unternehmensgröße weiterhin ein Maximum an Flexibilität an den Tag zu legen, um damit der Volatilität und den sich fast täglich ändernden Marktsituationen rasch und kundenorientiert entgegenzuwirken. Außerdem haben wir all unsere Gas-Brenner zur Herstellung von Prozessenergie wie Dampf, Heißwasser und Thermoöl auf Kombi-Brenner umgebaut, um im Notfall auch wieder Heizöl zur deren Befeuerung verwenden zu können, was in Zeiten der Dekarbonisierung eigentlich absoluter Nonsens ist. Dies ist aber notwendig, um kurz- und mittelfristig für unsere Kunden lieferfähig zu bleiben. Außerdem haben wir auf unserem Bürogebäude und dem Produktionsgebäude jeweils PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 370kWp installiert, um vom hohen Strompreis unabhängiger zu sein. So können wir rund 60 Prozent unseres Stromverbrauches selbst herstellen. Unsere Wünsche und Forderungen sind folgende:
• Endlich zu versuchen, einen europaweiten Schulterschluss bei der Energie-Preis-Problematik durchzusetzen (Preisdeckel)
• Langfristige Behördenverfahren zur Installierung von alternativer Energieversorgung zu verkürzen
• Arbeiten anstatt zu reden und
• nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern zielgerichtet Unterstützungsleistungen auszuschütten
Florian C. Schwarzl (RC Wolfsberg), CEO HOS-Technik
Spielwaren: „Kein hektisches Hin und Her“
Unser Unternehmen steht vor den gleichen Herausforderungen wie die meisten anderen: Steigende Energiepreise, steigende Inflationsraten, steigende Kosten im Allgemeinen, um nur einige zu nennen. Man versucht sich auf Notfälle vorzubereiten, hat entsprechende Pläne, verschiebt riskante, teure Projekte und steuert das Unternehmen weiter auf Sicht. Von den Regierungen wünscht man sich mittelfristig vorausschauende Pläne und kein hektisches Hin und Her. Es genügt zum Beispiel nicht, ein Datum bis zur Klimaneutralität festzulegen. Auch der Weg dorthin muss darstellbar sein.
Dieter Strehl (RC Wien-Gloriette), Geschäftsführer Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne
Drogeriemärkte: „Den Dialog intensivieren“
Die größte Herausforderung ist, richtig mit den sich sehr schnell ändernden Rahmenbedingungen umzugehen. Denn langfristige Planung ist derzeit schwieriger als sonst. Unser Ziel ist es, durch klare und aktuelle Information die Mitglieder unserer Arbeitsgemeinschaft in die Lage zu versetzen, möglichst gut vor Ort im jeweiligen Fachgebiet Entscheidungen treffen zu können. Dies gilt beispielsweise für den Einkauf von Energie, Sortimentsentscheidungen bei Lieferkettenproblemen, aber auch für die Organisation der Arbeit, bei kurzfristigem Ausfall von Kolleginnen und Kollegen wegen Krankheit oder Engpässen im außerberuflichen Umfeld. Mandatsträger unter Druck versäumen es oftmals, den engen Kontakt mit Menschen zu halten, die aus ihrer Praxis näher am Geschehen sind. Dadurch kommt es zu vorstellungsgetriebenen Entscheidungen, die nicht wirklich greifen und dann später mit unerwarteten Nebenwirkungen wieder auf die Füße fallen. Hilfreich ist es daher, den Dialog mit Menschen außerhalb der eigenen Blase aufrechtzuhalten und in Zeiten der Unsicherheit sogar zu intensivieren.
Christoph Werner (RC Karlsruhe-Fächerstadt), Vorstandsvorsitzender dm
Glockengießerei: „Die Zukunft und der anstehende Wandel sind spannend“
Wir haben uns bereits in den vergangenen Jahren Richtung Zukunft entwickelt. Daher geht es uns derzeit gut. Die Zukunft mit dem anstehenden Wandel ist auch in unserer Branche spannend. Wir haben schrittweise unsere Gasöfen auf Öl umgerüstet und sind nicht mehr so abhängig wie noch im Frühsommer. Unsere größten Herausforderungen sind die kulturellen Veränderungen bei den europäischen Kirchen und bei uns in Innsbruck die Konkurrenz zu öffentlichen Auftraggebern die Arbeitskräfte betreffend. Unsere Strategie sind Innovation und Qualitätsorientierung, als Notfallplan bereiten wir uns schrittweise auf Energieengpässe durch Umstellungen vor und haben notwendige Geräte bereits gekauft. Als kleines Unternehmen wären wir mit einem übergroßen und ineffizienten Verwaltungsapparat nicht konkurrenzfähig. Die Regierung müsste für die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen auch bei allen Einrichtungen Verwaltungseffizienz als Zielvorgabe mit einbauen. Beim künftigen Arbeitskräftemangel ist das Argument für einen aufgeblähten Verwaltungsapparat zur Arbeitsplatzsicherung nicht mehr gegeben. Letztendlich bleibt dann auch allen Mitarbeitern durch geringere Steuernotwendigkeiten mehr Netto vom Brutto und die Unternehmen können verstärkt in die Zukunft investieren. Aber ich möchte kein Politiker sein, denn es ist schon in einem kleinen Unternehmen herausfordernd, sich laufend zu wandeln.
Johannes Grassmayr (ehemaliger Rotarier), Geschäftsführer Grassmayr Glockengiesserei
Fotodienstleister: „Benötigen Gas nur zum Heizen“
Steigende Energiepreise, Rezessionssorgen und Personalknappheit treffen uns in der wichtigsten Zeit des Jahres: November und Dezember sind für die rechtzeitige Produktion von ganz persönlichen Foto-Geschenken für unsere Kundinnen und Kunden und somit auch für uns von größter Bedeutung. Gleichwohl sind wir überzeugt davon, dass wir alle Fotobuch- und Fotokalenderbestellungen bedienen können – Weihnachten kann kommen. Wir haben mehr Vorprodukte beschafft als in den Vorjahren, um eine kontinuierliche Lieferfähigkeit wirklich abzusichern. Da haben uns unsere langjährigen und fairen Lieferantenbeziehungen sicherlich geholfen. Wir benötigen Gas nur zum Heizen, brauchen für bestimmte fotochemische Prozesse aber eine steuerbare Innentemperatur. Deswegen haben wir uns an allen Produktionsstandorten eine Alternative zum Gas aufgebaut. Und wir unterstützen unsere Mitarbeitenden bestmöglich, beispielsweise durch eine einmalige freiwillige Sonderzahlung, damit auch jede Cewe-Familie möglichst gut durch den schwierigen Winter kommt. Selbstverständlich versuchen wir darüber hinaus, Energie – wo immer möglich – einzusparen, auch durch reduzierte Temperaturen in Büros und Produktionsstätten. Wir dürfen aber den Klimaschutz in der aktuellen Situation nicht vergessen. Im Gegenteil, nun müssen die vielfältigen bürokratischen Hürden für den Ausbau der Solar- und insbesondere der Windstromerzeugung (und -verteilung) endlich abgebaut werden. Nur so werden wir langfristig vom russischen Gas unabhängig. Gleichzeitig müssen wir in dieser schwierigen Phase pragmatisch denken und handeln. Das heißt für mich auch, Atomenergie so lange weiter zu nutzen, wie das die bestehenden Kernkraftwerke erlauben. Und schließlich müssen wir sehr sorgfältig darauf achten, dass es in diesem Winter nicht zu einer großflächigen De-Industrialisierung kommt. So wird etwa die Gefahr durch fehlende Kuppelprodukte aus reduzierten Industrieprozessen für viele Produktionsunternehmen unterschätzt. Da gibt es also große Aufgaben für unsere Regierung.
Christian Friege (RC Oldenburg), Vorstandsvorsitzender Cewe
Theater: „Sorge um Kaufzurückhaltung des Publikums“
Die Städtischen Theater Chemnitz als in GmbH-Form organisiertem großem Fünf-Spartenhaus, die zu 100 Prozent von der Stadt Chemnitz getragen sind, sehen große Herausforderungen in der künftigen Leistungsfähigkeit der Trägerkommune, wenn große Kostensteigerungen aus viele Richtungen drohen: Energiekosten, Steigerung des Mindestlohnes, hohe Tarifsteigerungen. Hinzu kommt die Sorge um die Kaufzurückhaltung des Publikums aus wirtschaftlichen oder sozial-psychologischen Gründen.
Es gilt strenge Sparpläne aufzustellen, sowohl was die Energie als auch die Kosten angeht. Stellenreduzierungen oder zumindest Nichtbesetzungen werden sich kaum umgehen lassen. Im Extremfall kann es aus energetischen Gründen zu Einschränkungen des Spielbetriebes kommen. Gleichzeitig darf das Werben um das Publikum nicht nachlassen. Zum einen stellt es das eigentliche Ziel unserer Arbeit, mit ihm entsteht die Relevanz unserer Arbeit. Völlig gleich, ob es dabei um Phantasie, Kreativität, Teilhabe, kulturelle Bildung der Jugend, Gemeinschaftsgefühl oder Unterhaltung geht. Zum anderen sind die Ticketeinnahmen wichtig für das wirtschaftliche Gesamtergebnis.
Die Kosten für die kommunalen Theater sind zum vorwiegenden Teil Personalkosten, die aber nur bedingt selbst erwirtschaftet werden können. Sie sind in der Regel gekoppelt an den öffentlichen Dienst. Wenn es entsprechende, durch die Inflation begründete, Tarifabschlüsse gibt, muss auch deren Finanzierung sichergestellt werden. Außerdem muss wie in allem Branchen von der Industrie bis zum Handwerk eine Regelung für die Energiekosten gefunden werden. Energetische Spar- und Ausbaumaßnahmen müssen im Sinn einer hohen Effizienz gefördert und unterstützt werden.
Christoph Dittrich (RC Chemnitz), Generalintendant Städtisches Theater Chemnitz
Möbel: „Zulieferer sind ein Problem“
Mein Sohn hat in vierter Generation das Geschäft übernommen, wir sind ein sehr kleiner Möbelhandel mit allen Sortimenten. Wir liefern Kompletteinrichtungen und nicht nur bis Berlin, Düsseldorf und in andere große Städte. Leider sind die Zulieferer ein absolutes Problem, es kommen die Möbel und das Zubehör spät oder gar nicht – der Verkauf ist schleppend bis mäßig.
Eberhard Blüthner (RC Leipzig), ehemaliger Geschäftsführer Möbel Blüthner
Museum: „Sehr angespannte Situation“
Die drastisch steigenden Kosten für Energie sowie wichtige Leistungen vom Bau bis zur Bewachung treffen im Kultur- und Bildungsbereich auf eine durch die Coronakrise bereits sehr angespannte Situation. Zwar hat sich das Besucheraufkommen nach dem Ende der Lockdowns in vielen Bereichen wieder stabilisiert und die Herausforderung einer verstärkten Nachhaltigkeit im Zeichen der Klimakrise sowie einer zunehmenden Digitalisierung kann sich auch als Innovationstreiber erweisen. Viele unserer Partner in der freien Kulturszene und Gastronomie sowie Tourismus- und Eventbranche stehen aber trotz diverser Förderprogramme nach wie vor unter existentiellem Druck und es stellt sich auch bei uns die Frage, ob wir in den Strukturen der öffentlichen Verwaltung personell und haushälterisch flexibel genug aufgestellt sind, um angemessen auf multiplen Krisen und die auch dadurch veränderten Publikumserwartungen reagieren zu können. Es ist nicht leicht, im dauernden Krisenmodus Raum für die nötigen strategischen Weichenstellungen zu behalten. Zudem spüren wir eine zunehmende konfrontative Unduldsamkeit in öffentlichen Debatten von der Kunstfreiheit bis zum „korrekten“ Wording und setzen uns daher entschieden für milieuübergreifendes Miteinander sowie die Erhaltung von Toleranz und kultiviertem Meinungsstreit ein – gerade in der Geschichts- und Erinnerungskultur.
Natürlich machen wir uns operativ so weit wie möglich fit, um auch in zugespitzten Situationen das Kulturgut sicher bewahren und wirksam vermitteln zu können. Museen und Gedenkstätten waren schon vor Corona Meister der projektbezogenen Improvisation, und wir haben es auch unter den Einschränkungen der letzten Jahre stets verstanden, unsere Themen an die Menschen zu bringen. Manche strukturelle Optimierung oder Ressourcenbündelung mag sinnvoll sein; eine Gesellschaft ganz ohne Kultur und Begegnung mit dem Erbe mag sich aber niemand vorstellen. Wir wirtschaften gewohnt sparsam und vermeiden jeden Chichi; die Kosten einer gut gemachten Ausstellung oder eines funktionierenden Digitalprojektes lassen sich aber nicht gegen Null senken. Unser größter Trumpf ist die hohe intrinsische Motivation unserer kompetenten Kolleginnen und Kollegen.
Ich nehme insbesondere bei unserem Leipziger städtischen Träger und auch auf Bundes- und Landesebene sehr viel guten Willen wahr, die Krise gemeinsam durchzustehen und auf eine tragfähige Zukunft zu setzen. Verlässliche Öffnungsgarantien auch bei neuen pandemischen Situationen und anderen Krisen würden dabei ebenso helfen wie eine größere Langfristigkeit sowie ein vereinfachtes Handling von Förderprogrammen. Unsere Angebote müssen auf Dauer für alle Menschen bezahlbar und zugänglich bleiben. Und letztlich braucht es immer noch mehr Flexibilität – gerade in den Bereichen Fundraising und Personalgewinnung, aber auch bei einem lebensnahen Umgang mit Themen wie Daten-, Brand- und Denkmalschutz. Wir sind die energischen Hüter historischer Bauzeugen – müssen sie aber auch in fünf oder zehn Jahren noch öffnen, heizen und bewerben können. Nicht zuletzt wünschen wir uns noch mehr Engagement in Ehrenamtsstrukturen und Fördervereinen – sollten dafür aber auch konsequenter Türen öffnen.
Anselm Hartinger (RC Leipzig), Direktor Stadtgeschichtliches Museum Leipzig