Über die Motivation eines Winzers
„Wein ist viel mehr als ein Agrarprodukt“
Weinbau ist Leidenschaft. Das weiß kaum jemand besser als Georg Prinz zur Lippe, der nach 1990 Stück für Stück den alten Familienbesitz in Sachsen zurückkaufte. Ein goldener Spätsommertag im Weinberg mit Blick zur Meißener Albrechtsburg. Ein wiedererwachtes Schloss und ein alter Gutshof im Nachbardorf Zadel. Mittendrin ein Besitzer, dem die Freude über das Erreichte allenthalben anzumerken ist.
Prinz Lippe, wie sind Sie Weinbauer geworden? In die Wiege gelegt war Ihnen der Beruf ja nicht.
Dr. Georg Prinz zur Lippe: Das waren im Prinzip drei Faktoren. Erstens die Wende. Ohne die deutsche Einheit hätte es für mich gar nicht die Möglichkeit gegeben, dort wieder anfangen zu können, wo meine Familie 1945 aufhören musste. Der zweite Punkt war und ist der Spaß an der Freude. Weinbau ist ein unglaublich spannendes Thema, da wir das Wetter nicht beeinflussen können und abhängig sind von allen klimatischen Launen. Und trotzdem ist dieses Metier sehr, sehr schön. Der dritte Faktor war meine Ausbildung. Obwohl ich später als Ökonom gearbeitet habe, hatte ich in meinem ersten Studium Landwirtschaft u.a. vier Semester Weinbau als Wahlprüfungsfach. Und mein Patenonkel hatte einen kleinen Weinbaubetrieb, so dass ich insoweit schon von ganz klein mit dem Thema Berührung hatte.
Was haben Sie „im Westen“ für den Weinbau in Sachsen aufgegeben?
Unter anderem einen kopfschüttelnden Freundeskreis, weil ich einen sehr gut dotierten Job und eine schöne Penthouse-Wohnung in Schwabing aufgab. Dafür bin ich dann zunächst in eine Brigade-Hütte im Weinberg gezogen …
… was hat Sie dazu getrieben?
Ein Grund war sicherlich die Familie. Im Zuge der Wiedervereinigung stellte ich mir Fragen wie: Woher kommt eigentlich diese Familie? Was hat sie früher in Sachsen gemacht? Gibt es dorthin noch irgendwelche Bezüge? Diese Stimmung traf auf den Umstand, dass ich relativ jung in der Unternehmensberatung und später als Geschäftsführer eines mittelständigen Unternehmens gut reüssiert hatte. Und nun überlegte ich, ob ich den Job mein ganzes Leben lang machen möchte – oder ob es nicht auch etwas ganz anderes gibt, was mich mehr erfüllt. Da war die Idee, unser altes Familiengut wieder zurück zu kaufen und zu rekultivieren, eine spannende unternehmerische Herausforderung.
Wie hat man in den klassischen südwestdeutschen Anbaugebieten reagiert, als Sachsen und Saale-Unstrut auf die gesamtdeutsche Wein-Landkarte zurückkehrten?
Man hat erst einmal gelächelt. Generell wussten im Westen nur ganz wenige, dass es überhaupt Weinbau im Osten gab. Aber auch hier in der Region – also im Osten – gab es Anfang der neunziger Jahre große Absatzprobleme, obwohl die einheimischen Weine zu DDR-Zeiten noch absolute „Bückware“ gewesen sind, und man sich anstrengen musste, um überhaupt ein Fläschchen davon zu bekommen. Mit der Wende kam die Lust auf das Neue, und die Sachsen, Anhaltiner und Thüringer haben erst einmal die Weine von der Mosel, vom Rheingau, von der Pfalz gekauft. Mittlerweile hat Sachsen als Weinbauregion jedoch schon wieder eine ordentliche Bedeutung zurückgewinnen können.
Und worin liegt diese?
In der Qualität – und Authentizität. Die Menschen erwarten von uns eben einen anderen Grauburgunder als den, den sie schon x-mal erlebt haben. Wir wollen einen authentischen Wein anbieten, der für sein Terroir, sein Kleinklima und die Menschen seiner Region steht. Andererseits soll er auch mehr sein als ein „Wein zur Landschaft“, an dem sich die Touristen erfreuen. Unsere Zielgruppe sind die Weingourmets in aller Welt, und deshalb wollen und müssen wir qualitativ im hohen und höchsten Level mitspielen, was uns glücklicherweise über die letzten Jahre auch gelungen ist.
Was unterscheidet den Weinbauern von anderen Landwirten?
Unsere Arbeit ist sehr viel komplexer. Der normale Landwirt erzeugt ein Produkt – z.B. Weizen oder Roggen – das weitgehend austauschbar ist. Als einzelner Produzent hat er auf den Markt kaum Einfluss und kennt seine Konsumenten nicht. Mit der Weiterverarbeitung hat er nichts zu tun. Der Winzer hingegen muss den Markt für seine Produkte erst einmal selbst schaffen; er muss nicht nur Trauben anbauen, sondern sie auch vinifizieren; in schöne Flaschen füllen und einladend etikettieren und, und, und. Er muss den Wein dann auch verkaufen!
Auch der Kapitalaufwand ist viel höher. Beim Getreideanbau bestellen Sie einen Acker, und am Ende der Saison ernten Sie. Wenn ich jedoch heute eine Rebe pflanze, dann hat sie nach drei Jahren die ersten Träubchen, nach vier Jahren den ersten vernünftigen Ertrag; und ein Jahr Keller dazu, das macht fünf Jahre. Wir finanzieren also fünf Jahre vor – und zwar die volle Mannschaft. Natürlich ist der Weinbau auch sehr personalintensiv. Im heutigen Ackerbau kann ich 1.000 Hektar mit drei, vier Leuten bearbeiten. In unserem Weingut – mit Obstbrennerei, Restaurant und kleinem Hotelbetrieb – sind es mehr als 70 Mitarbeiter, von denen rund ein Drittel im Weinberg nach wie vor mit der Hand eine Vielzahl von Arbeiten verrichten, z.B. gerade tausende von Blättchen um die Trauben abrupfen, damit diese für Ihre Reife ordentlich Licht erhalten. Das macht die Sache unternehmerisch extrem komplex und nicht zuletzt sowohl arbeits- als auch kapitalintensiv.
Wie können Sie bei diesem Aufwand wettbewerbsfähig sein, vor allem international?
Das geht nur über die Qualität. Der einfache Weinbergmitarbeiter in Südafrika oder in Chile kostet nur einen Bruchteil von dem, was ein solcher Mitarbeiter in Deutschland kostet. Den unspezifischen Kunden interessiert nicht unbedingt, wo der Wein herkommt, er will einfach einen ordentlichen Tropfen für kleines Geld erwerben. Unser Kundenklientel sind zumeist sehr kulturbewusste Menschen, die das Authentische und qualitativ Hochwertige suchen. Ein Wein muss meiner Meinung nach in hohem Maße das Terroir mit seinem Kleinklima und den Menschen der Region reflektieren, um wirklich unverwechselbar und unique zu sein.
Wie wirken sich die klimatischen Veränderungen der letzten Jahre aus?
Soweit wir das bisher absehen können, gibt es eine Tendenz zu extremeren Wetterereignissen, und dies ist nicht sehr angenehm. Das bedeutet härtere Winterfröste, trockenere Sommer und sogar Hagel, den es bis vor drei Jahren hier seit Menschen Gedenken nie gegeben hatte.
Im langfristigen Mittel werden wir aber auch profitieren, weil wir bei einer weiteren Erwärmung des Klimas eine der zwei oder drei Regionen in Deutschland sein werden, die sich dann noch auf feinfruchtige, filigrane Weine spezialisieren können. Andere Anbaugebiete werden wahrscheinlich darunter leiden, dass der Alkoholgehalt ihrer Weine sehr schnell hochgeht, und dass die Weine dann eventuell einen Teil ihre Fruchtigkeit verlieren könnten.
Und wie kann man dem unsteten Wetter begegnen?
Wir haben hier z.B. ein relativ breites Rebspektrum, einfach um ein wenig Sicherheiten hinsichtlich vor allem der Frostgefahr zu schaffen. Wir sind im ständigen Austausch mit vielen Forschungseinrichtungen in der ganzen Welt und arbeiten auch eng mit der Weinbauhochschule in Geisenheim zusammen.
Wesentlich ist jedoch der direkte Austausch von Erfahrungen durch Mitarbeiter, Austauschstudenten und Praktikanten aus der ganzen Welt – von Russland bis Südafrika.
Wie steht es um die gesellschaftliche Dimension des Weinbaus – der Winzer als Landschaftsgärtner?
Der Wein ist für seine Region viel mehr als ein Agrarprodukt! Weinbau wird hier in Sachsen und auch in unserem Betrieb seit mehr als 8oo Jahren betrieben. Der Weinbau prägt nicht nur das Landschaftsbild, sondern auch die Mentalität der Menschen. Gerade diese unverwechselbare, durch den Wein geprägte lebensfrohe Kulturlandschaft hat über Jahrhunderte unzählige Künstler und lebensbejahende Menschen nach Dresden, Meißen und Radebeul gelockt. Wirtschaftlich gesehen ist unsere Weinkulturlandschaft damit auch ein immenser Marketing- und Wirtschaftsfaktor. Aus meiner Erfahrung als Honorarkonsul der Niederlande weiß ich, wie viele Investoren ihre Ansiedlungen deshalb gerade hier getätigt haben, weil ihnen die Kulturlandschaft und die damit einhergehende Lebensfreude hier besonders gefallen hat. Aber ich weiß nicht, ob der Politik dies immer bewusst ist.
Was sagen denn Ihre alten Münchener Freunde zu dem, was Sie hier in den letzten zwanzig Jahren erreicht haben?
Die, die mich zuvor für verrückt gehalten haben, finden es nun herrlich hier. Manchmal halten sie mir aber vor, dass ich in meinem Leben doch viel mehr hätte verdienen können, wenn ich in meinem alten Metier geblieben wäre. Manche sitzen mittlerweile in Dax-Vorständen und sagen: Das hättest Du doch auch haben können. Dann schmunzele ich in mich hinein und genieße mit einem köstlichen Proschwitzer Grauburgunder die Aussicht von meinem Weinberg auf das mittelalterliche Meißen!
Hat Weinbau Zukunft?
Mir ist natürlich bewusst, dass unser Betrieb – mit dem Hof, dem Schloss, den Weinbergen, dem Wald, der Landwirtschaft, die wir alle zurückgekauft haben – eigentlich ein Modell von Vor-Vorgestern ist. Und doch ist Proschwitz meiner Meinung nach – in der Sprache der Berater – eine perfekte Mischung aus New und Old Economy: Unser Betrieb ist getragen von Werten aus einer längst vergangenen Zeit, aber auch erfüllt von höchster Innovation im Qualitätsmanagement sowie „Hightech“ in Weinberg und Keller. Ein Betrieb, der auf Nachhaltigkeit angelegt ist, braucht auch nicht unbedingt Riesen-Gewinne abzuwerfen. Mir geht es vielmehr darum, hier ein Stück Kulturerbe unserer Region zu erhalten. Mich freut es, wenn Menschen über dieses Weingut Schloss Proschwitz staunen, das vor zwanzig Jahren noch in einem desolaten Zustand war, oder wenn ich in den Weinguts-Hof in Zadel komme, und da sitzen Menschen unter den Maroni-Bäumen und lassen es sich gut gehen. Das mag manchen kitschig erscheinen – für mich ist dies einfach nur schön.
Das Gespräch führte René Nehring
Dr. Georg Prinz zur Lippe: Das waren im Prinzip drei Faktoren. Erstens die Wende. Ohne die deutsche Einheit hätte es für mich gar nicht die Möglichkeit gegeben, dort wieder anfangen zu können, wo meine Familie 1945 aufhören musste. Der zweite Punkt war und ist der Spaß an der Freude. Weinbau ist ein unglaublich spannendes Thema, da wir das Wetter nicht beeinflussen können und abhängig sind von allen klimatischen Launen. Und trotzdem ist dieses Metier sehr, sehr schön. Der dritte Faktor war meine Ausbildung. Obwohl ich später als Ökonom gearbeitet habe, hatte ich in meinem ersten Studium Landwirtschaft u.a. vier Semester Weinbau als Wahlprüfungsfach. Und mein Patenonkel hatte einen kleinen Weinbaubetrieb, so dass ich insoweit schon von ganz klein mit dem Thema Berührung hatte.
Was haben Sie „im Westen“ für den Weinbau in Sachsen aufgegeben?
Unter anderem einen kopfschüttelnden Freundeskreis, weil ich einen sehr gut dotierten Job und eine schöne Penthouse-Wohnung in Schwabing aufgab. Dafür bin ich dann zunächst in eine Brigade-Hütte im Weinberg gezogen …
… was hat Sie dazu getrieben?
Ein Grund war sicherlich die Familie. Im Zuge der Wiedervereinigung stellte ich mir Fragen wie: Woher kommt eigentlich diese Familie? Was hat sie früher in Sachsen gemacht? Gibt es dorthin noch irgendwelche Bezüge? Diese Stimmung traf auf den Umstand, dass ich relativ jung in der Unternehmensberatung und später als Geschäftsführer eines mittelständigen Unternehmens gut reüssiert hatte. Und nun überlegte ich, ob ich den Job mein ganzes Leben lang machen möchte – oder ob es nicht auch etwas ganz anderes gibt, was mich mehr erfüllt. Da war die Idee, unser altes Familiengut wieder zurück zu kaufen und zu rekultivieren, eine spannende unternehmerische Herausforderung.
Wie hat man in den klassischen südwestdeutschen Anbaugebieten reagiert, als Sachsen und Saale-Unstrut auf die gesamtdeutsche Wein-Landkarte zurückkehrten?
Man hat erst einmal gelächelt. Generell wussten im Westen nur ganz wenige, dass es überhaupt Weinbau im Osten gab. Aber auch hier in der Region – also im Osten – gab es Anfang der neunziger Jahre große Absatzprobleme, obwohl die einheimischen Weine zu DDR-Zeiten noch absolute „Bückware“ gewesen sind, und man sich anstrengen musste, um überhaupt ein Fläschchen davon zu bekommen. Mit der Wende kam die Lust auf das Neue, und die Sachsen, Anhaltiner und Thüringer haben erst einmal die Weine von der Mosel, vom Rheingau, von der Pfalz gekauft. Mittlerweile hat Sachsen als Weinbauregion jedoch schon wieder eine ordentliche Bedeutung zurückgewinnen können.
Und worin liegt diese?
In der Qualität – und Authentizität. Die Menschen erwarten von uns eben einen anderen Grauburgunder als den, den sie schon x-mal erlebt haben. Wir wollen einen authentischen Wein anbieten, der für sein Terroir, sein Kleinklima und die Menschen seiner Region steht. Andererseits soll er auch mehr sein als ein „Wein zur Landschaft“, an dem sich die Touristen erfreuen. Unsere Zielgruppe sind die Weingourmets in aller Welt, und deshalb wollen und müssen wir qualitativ im hohen und höchsten Level mitspielen, was uns glücklicherweise über die letzten Jahre auch gelungen ist.
Was unterscheidet den Weinbauern von anderen Landwirten?
Unsere Arbeit ist sehr viel komplexer. Der normale Landwirt erzeugt ein Produkt – z.B. Weizen oder Roggen – das weitgehend austauschbar ist. Als einzelner Produzent hat er auf den Markt kaum Einfluss und kennt seine Konsumenten nicht. Mit der Weiterverarbeitung hat er nichts zu tun. Der Winzer hingegen muss den Markt für seine Produkte erst einmal selbst schaffen; er muss nicht nur Trauben anbauen, sondern sie auch vinifizieren; in schöne Flaschen füllen und einladend etikettieren und, und, und. Er muss den Wein dann auch verkaufen!
Auch der Kapitalaufwand ist viel höher. Beim Getreideanbau bestellen Sie einen Acker, und am Ende der Saison ernten Sie. Wenn ich jedoch heute eine Rebe pflanze, dann hat sie nach drei Jahren die ersten Träubchen, nach vier Jahren den ersten vernünftigen Ertrag; und ein Jahr Keller dazu, das macht fünf Jahre. Wir finanzieren also fünf Jahre vor – und zwar die volle Mannschaft. Natürlich ist der Weinbau auch sehr personalintensiv. Im heutigen Ackerbau kann ich 1.000 Hektar mit drei, vier Leuten bearbeiten. In unserem Weingut – mit Obstbrennerei, Restaurant und kleinem Hotelbetrieb – sind es mehr als 70 Mitarbeiter, von denen rund ein Drittel im Weinberg nach wie vor mit der Hand eine Vielzahl von Arbeiten verrichten, z.B. gerade tausende von Blättchen um die Trauben abrupfen, damit diese für Ihre Reife ordentlich Licht erhalten. Das macht die Sache unternehmerisch extrem komplex und nicht zuletzt sowohl arbeits- als auch kapitalintensiv.
Wie können Sie bei diesem Aufwand wettbewerbsfähig sein, vor allem international?
Das geht nur über die Qualität. Der einfache Weinbergmitarbeiter in Südafrika oder in Chile kostet nur einen Bruchteil von dem, was ein solcher Mitarbeiter in Deutschland kostet. Den unspezifischen Kunden interessiert nicht unbedingt, wo der Wein herkommt, er will einfach einen ordentlichen Tropfen für kleines Geld erwerben. Unser Kundenklientel sind zumeist sehr kulturbewusste Menschen, die das Authentische und qualitativ Hochwertige suchen. Ein Wein muss meiner Meinung nach in hohem Maße das Terroir mit seinem Kleinklima und den Menschen der Region reflektieren, um wirklich unverwechselbar und unique zu sein.
Wie wirken sich die klimatischen Veränderungen der letzten Jahre aus?
Soweit wir das bisher absehen können, gibt es eine Tendenz zu extremeren Wetterereignissen, und dies ist nicht sehr angenehm. Das bedeutet härtere Winterfröste, trockenere Sommer und sogar Hagel, den es bis vor drei Jahren hier seit Menschen Gedenken nie gegeben hatte.
Im langfristigen Mittel werden wir aber auch profitieren, weil wir bei einer weiteren Erwärmung des Klimas eine der zwei oder drei Regionen in Deutschland sein werden, die sich dann noch auf feinfruchtige, filigrane Weine spezialisieren können. Andere Anbaugebiete werden wahrscheinlich darunter leiden, dass der Alkoholgehalt ihrer Weine sehr schnell hochgeht, und dass die Weine dann eventuell einen Teil ihre Fruchtigkeit verlieren könnten.
Und wie kann man dem unsteten Wetter begegnen?
Wir haben hier z.B. ein relativ breites Rebspektrum, einfach um ein wenig Sicherheiten hinsichtlich vor allem der Frostgefahr zu schaffen. Wir sind im ständigen Austausch mit vielen Forschungseinrichtungen in der ganzen Welt und arbeiten auch eng mit der Weinbauhochschule in Geisenheim zusammen.
Wesentlich ist jedoch der direkte Austausch von Erfahrungen durch Mitarbeiter, Austauschstudenten und Praktikanten aus der ganzen Welt – von Russland bis Südafrika.
Wie steht es um die gesellschaftliche Dimension des Weinbaus – der Winzer als Landschaftsgärtner?
Der Wein ist für seine Region viel mehr als ein Agrarprodukt! Weinbau wird hier in Sachsen und auch in unserem Betrieb seit mehr als 8oo Jahren betrieben. Der Weinbau prägt nicht nur das Landschaftsbild, sondern auch die Mentalität der Menschen. Gerade diese unverwechselbare, durch den Wein geprägte lebensfrohe Kulturlandschaft hat über Jahrhunderte unzählige Künstler und lebensbejahende Menschen nach Dresden, Meißen und Radebeul gelockt. Wirtschaftlich gesehen ist unsere Weinkulturlandschaft damit auch ein immenser Marketing- und Wirtschaftsfaktor. Aus meiner Erfahrung als Honorarkonsul der Niederlande weiß ich, wie viele Investoren ihre Ansiedlungen deshalb gerade hier getätigt haben, weil ihnen die Kulturlandschaft und die damit einhergehende Lebensfreude hier besonders gefallen hat. Aber ich weiß nicht, ob der Politik dies immer bewusst ist.
Was sagen denn Ihre alten Münchener Freunde zu dem, was Sie hier in den letzten zwanzig Jahren erreicht haben?
Die, die mich zuvor für verrückt gehalten haben, finden es nun herrlich hier. Manchmal halten sie mir aber vor, dass ich in meinem Leben doch viel mehr hätte verdienen können, wenn ich in meinem alten Metier geblieben wäre. Manche sitzen mittlerweile in Dax-Vorständen und sagen: Das hättest Du doch auch haben können. Dann schmunzele ich in mich hinein und genieße mit einem köstlichen Proschwitzer Grauburgunder die Aussicht von meinem Weinberg auf das mittelalterliche Meißen!
Hat Weinbau Zukunft?
Mir ist natürlich bewusst, dass unser Betrieb – mit dem Hof, dem Schloss, den Weinbergen, dem Wald, der Landwirtschaft, die wir alle zurückgekauft haben – eigentlich ein Modell von Vor-Vorgestern ist. Und doch ist Proschwitz meiner Meinung nach – in der Sprache der Berater – eine perfekte Mischung aus New und Old Economy: Unser Betrieb ist getragen von Werten aus einer längst vergangenen Zeit, aber auch erfüllt von höchster Innovation im Qualitätsmanagement sowie „Hightech“ in Weinberg und Keller. Ein Betrieb, der auf Nachhaltigkeit angelegt ist, braucht auch nicht unbedingt Riesen-Gewinne abzuwerfen. Mir geht es vielmehr darum, hier ein Stück Kulturerbe unserer Region zu erhalten. Mich freut es, wenn Menschen über dieses Weingut Schloss Proschwitz staunen, das vor zwanzig Jahren noch in einem desolaten Zustand war, oder wenn ich in den Weinguts-Hof in Zadel komme, und da sitzen Menschen unter den Maroni-Bäumen und lassen es sich gut gehen. Das mag manchen kitschig erscheinen – für mich ist dies einfach nur schön.
Das Gespräch führte René Nehring
Dr. Georg Prinz zur Lippe (RC Meissen) ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler und Diplom-Agraringenieur. Nach 1990 kaufte er Schritt für Schritt das alte Weingut Schloß Proschwitz in Meißen zurück, das heute ca. 87 ha Weinberge bewirtschaftet und hochwertige Rot- und Weißweine sowie Sekte erzeugt. Das Weingut wurde 1996 als erstes sächsisches Weingut in den Verband Deutscher Prädikatsweingüter e.V. (VDP) aufgenommen. Das einstige Schloss der Familie konnte Prinz Lippe erst 1996 zurückerwerben. Es ist heute Standort für mehrere Musikfestspiele der Region und wird für Hochzeiten, Tagungen und Feiern genutzt. Die dazugehörige Eventagentur wird von Ehefrau Alexandra (RC Dresden-Blauer Reiter) geleitet. Zum Weingut gehört außerdem ein kleines Restaurant und eine Pension im Weingutshof in Zadel. schloss-proschwitz.de