Zeitgeist
Die vergessene Klimaforscherin

Als erster Mensch erkannte die Amateurforscherin Eunice Foote 1856, welchen Einfluss ein erhöhter CO2-Gehalt in der Erdatmosphäre auf das Klima haben würde. Dennoch gerieten ihre Ergebnisse für mehr als ein Jahrhundert in Vergessenheit.
August 1856 in Albany, New York: Auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science tritt der Physiker Joseph Henry ans Rednerpult. In einem kurzen Vortrag präsentiert er die Ergebnisse einer Versuchsserie zum Einfluss des Sonnenlichts auf verschiedene Gase in geschlossenen Glasbehältern. Es sind nicht seine Ergebnisse, sondern die einer Frau. Mit ihren Experimenten hat Eunice Foote gezeigt, dass CO2 die Luft stärker erwärmt als andere Gase. Ihre weitsichtige Schlussfolgerung: Mehr CO2 in der Atmosphäre führt zu höheren Temperaturen auf der Erde.
Eunice Foote wurde am 17. Juli 1819 als Eunice Newton in Connecticut geboren. Aus wohlhabenden Verhältnissen stammend, besuchte sie das "Troy Female Seminary" — eine der wenigen Schulen, an denen junge Frauen Zugang zu naturwissenschaftlicher Bildung erhielten. Besonders die Chemie faszinierte Eunice: Sie eignete sich chemische Grundkenntnisse an und lernte, Experimente durchzuführen.
Mit 22 Jahren heiratete sie den Juristen, Mathematiker und Hobby-Erfinder Elisha Foote. Gemeinsam brachten sie mehrere Erfindungen hervor, für die sie Patente anmeldeten, darunter nicht-quietschende Gummisohlen für Schuhe.
Im 19. Jahrhundert begann die Wissenschaft, die Erdatmosphäre zu erforschen. Erstmals wurden Hinweise untersucht, die darauf hindeuteten, dass das Klima keine Konstante war, sondern sich im Laufe der Geschichte bereits mehrfach verändert hatte.
Davon inspiriert, führte Eunice Foote 1856 verschiedene Experimente durch: Sie füllte zwei 75 Zentimeter hohe Glaszylinder mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern mit verschiedenen Gasen, darunter Wasserdampf, trockene Luft und Kohlenstoffdioxid (CO2).

Beide Zylinder ließ sie in der Sonne stehen. Nach einiger Zeit maß sie die Temperaturen in beiden Zylindern — mit einem eindeutigen Ergebnis: Der mit CO2 gefüllte Behälter erhitzte sich nicht nur am stärksten, er brauchte auch am längsten, um wieder abzukühlen.
Als eine der ersten Frauen überhaupt konnte Eunice Foote ihre wissenschaftlichen Ergebnisse in einer Fachzeitschrift publizieren. Im American Journal of Science and Art schlussfolgerte sie vorausschauend: "Eine Atmosphäre aus diesem Gas würde unserer Erde eine hohe Temperatur verleihen."
Im selben Jahr wurden Footes Ergebnisse auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science (AAAS) präsentiert — allerdings nicht von ihr, sondern vom Physiker Joseph Henry. Frauen durften der AAAS zwar beitreten, ihre Forschungsergebnisse selbstständig zu präsentieren, galt jedoch als "unüblich".
Trotz ihrer wichtigen Entdeckung geriet Eunice Foote in Vergessenheit. Als Frau und Amateurforscherin hatte sie keine Anbindung an den professionellen Wissenschaftsbetrieb. Ihre Arbeitsbedingungen waren entsprechend wenig professionell. Zudem lag das Zentrum der wissenschaftlichen Forschung damals in Europa — für eine Amerikanerin ein weiterer Nachteil.
1859 — und somit drei Jahre nach Eunice Foote — gelang es dem irischen Physiker John Tyndall mit präzisen Messmethoden, den Treibhauseffekt zu erklären. Von Footes Vorarbeit wusste er laut Tyndall-Biograf Roland Jackson wahrscheinlich nicht.
Rund 150 Jahre lang war vor allem der Name Tyndall eng mit den Ursprüngen der Klimaforschung verbunden — bis der Wissenschaftler Raymond Sorensen Eunice Footes Ergebnisse 2011 wiederentdeckte und eine öffentliche Debatte um Footes Platz in der Geschichte der Klimaforschung auslöste.
Heute gilt Eunice Foote als die erste Forscherin, die den Zusammenhang von CO2 und der Erwärmung der Erdatmosphäre beschrieb. Sie schuf damit die Grundlage für das Verständnis des Treibhauseffekts.
Über das weitere Leben von Eunice Foote ist nur wenig bekannt. Sie setzte sich für die Gleichberechtigung der Frau in der amerikanischen Gesellschaft ein. Mit ihrem Ehemann hatte sie zwei Töchter. Eunice Foote starb am 30. September 1888 im Alter von 69 Jahren in Massachusetts.
Seit 2022 verleiht die American Geophysical Union die "Eunice Newton Foote Medal" für außergewöhnliche Leistungen auf dem Gebiet der Geo- und Lebenswissenschaften.

Leonhard Dihlmann widmet sich in seinem historischen Newsletter "Zeitsprung" jeden Sonntag einer historischen Persönlichkeit, an die sich nur wenige Menschen erinnern. Die prägnanten Lebensgeschichten überraschen, inspirieren und bewegen.
Copyright: A. Hufnagl
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