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Interview mit Schliemann-Nachfahre

"Unbestritten, er hatte ein besonderes Talent, sich zu vermarkten"

Interview mit Schliemann-Nachfahre - "Unbestritten, er hatte ein besonderes Talent, sich zu vermarkten"
Heinrich Schliemann nach seiner Rückkehr aus Mekka. Nachfahre Klaus Sellschopp bewundert die Geschäftstüchtigkeit des großen Archäologen. © American School of Classical Studies at Athens/Archives/Heinrich Schliemann Papers

Eine Ausstellung zum 200. Geburtstag rückt den Archäologen Heinrich Schliemann wieder ins allgemeine Bewusstsein. So auch bei seinem Nachfahren Klaus Sellschopp, der mit Interesse das Titelthema der Mai-Ausgabe des Rotary-Magazins las.

14.06.2022

Sie sind ein Nachfahre des großen Archäologen Heinrich Schliemann. In welcher verwandtschaftlichen Beziehung stehen Sie genau zu ihm?

Heinrich ist mein Urgroßonkel. Meine Großmutter väterlicherseits, Elisabeth, ist eine geborene Schliemann, geboren im August 1874 und gestorben im Dezember 1953. Ihr Vater ist Friedrich Wilhelm und ihr Großvater Friedrich Christian Ludwig. Und dieser wiederum ist der Bruder von Ernst, der wiederum Vater vom berühmten Heinrich Schliemann ist.

Wie präsent ist Ihr Vorfahre heute innerhalb Ihrer Familie und bei Ihnen im Speziellen?

Wenn mir etwas, was mit Heinrich Schliemann zu tun hat, über den Weg läuft, ist mein Interesse sofort geweckt. Ich denke, dass ich in diesem Sinne auch für meine Schwester, meine Frau und meine Kinder sprechen darf.

Eine Präsenz kann sogar ohne Erstbezug zu Heinrich Schliemann entstehen, wenn es gilt, bestimmte Ereignisse unter die Lupe zu nehmen. Dann können auch Prinzipien von ihm zur Anwendung kommen. Ein Motto von Heinrich Schliemann, das ich verinnerlicht habe, ist mir sehr präsent:

„Nicht morgen! Heute!!

Nicht dort! Hier!!

Nicht ungefähr! Genau!

Nicht bei Gelegenheit! Jetzt!“

Auch ein Prinzip meiner Großmutter möchte ich an dieser Stelle erwähnen:

„Will ich nicht“ ist tot und liegt begraben auf dem Friedhof und „kann ich nicht“ liegt gleich daneben.

Wo Sie gerade Ihre Großmutter erwähnen, gab es denn früher regelmäßige Treffen der Familie Schliemann?

Ja, die Familie hat sich alle drei Jahre an einem Wochenende getroffen. 2012 war es hoffentlich nicht das letzte Mal.

Vermissen Sie die Kontakte?

Ja, irgendwie schon.

Haben Sie in den abgedruckten Artikeln des Rotary Magazins eigentlich noch Neues erfahren?

Das meiste war mir natürlich bekannt. Was mir nicht so bewusst war, das war die Rolle seiner zweiten Ehefrau Sophia und ihr starkes gesellschaftliches Engagement

Wenn Vieles Ihnen schon bekannt war, mutmaße ich, dass Bücher über ihn in Ihrem Bücherregal stehen.

Das hält sich in Grenzen. In meinem Bücherregal stehen „Götter, Gräber und Gelehrte“ von C.W. Ceram und „Der Traum von Troja“ von Heinrich Alexander Stoll. Die Neuerscheinung „Schliemann und das Gold von Troja“ von Frank Vorpahl, wird sich in Kürze dazu gesellen. Die diversen Sendungen über Heinrich Schliemann im Fernsehen fand ich sehr spannend.

Was fasziniert Sie persönlich am meisten an der Person?

Mir fällt zu der Frage der Song „My Way“ von Frank Sinatra ein: Ein erfülltes Leben, vielfältige Erfahrungen, getan, was getan werden musste, durchhalten bis zum erfolgreichen Ende, sorgfältige Planung bis ins Detail, ertragend und standhaft, Niederlagen wegsteckend, alles auf meine Art.

Und: Wie er es aus dem damals rückständigen Mecklenburg und einfachen und zerrütteten Verhältnissen geschafft hat, auf internationaler Bühne so erfolgreich zu werden, das imponiert mir.

Seinen Erfolg als Archäologe verdankte er ja auch der gelungenen Vermarktung seiner Funde, womit er vielen Zeitgenossen seiner Wissenschaft weit voraus war.

Unbestritten, er hatte ein besonderes Talent, sich zu vermarkten

Haben Sie die Ausstellung zum 200. Geburtstag von im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin schon besucht?

Ich war noch nicht da, aber ich werde sie mir auf jeden Fall ansehen.

Waren Sie selbst auch schon an den früheren Ausgrabungsstätten?

Ja, in Hisarlik Tepe, wo Heinrich Schliemann den sogenannten Schatz des Priamos fand. Der Ort selbst ist nicht sehr spektakulär, aber das Bewusstsein, dass hier der Urgroßonkel gewirkt hat, hat mich doch sehr berührt

War es bei Ihnen mal Thema, Archäologie zu studieren und in die Fußstapfen von H.S. zu treten?

Bei mir nicht, aber bei meiner jüngeren Schwester. Die hat sich eine Zeitlang intensiv mit Archäologie beschäftigt und Interesse daran gezeigt.

Heinrich Schliemann hat bis zu 13 Sprachen beherrscht. Sind Sie auch ein Sprachtalent oder gibt es andere Parallelen zwischen Ihnen und Ihrem berühmten Vorfahren?

Als markante Parallele das Schwimmen. Er ist ja fast jeden Tag am frühen Morgen zum Schwimmen gegangen und hat jede Gelegenheit genutzt, sich so fit zu halten. Seit über 70 Jahren halte ich es ebenso.

Auch morgens?

Nein, das nicht. Ich schwimme lieber tagsüber oder abends.

Wie steht es um Ihr Sprachtalent?

Ich spreche zwar einigermaßen gut Englisch und Französisch, aber mit den Sprachfähigkeiten von Heinrich Schliemann ist das nicht zu vergleichen. Er hat ja eine Sprache nach der anderen erlernt.

Blicken wir mal auf eine gegenwärtige Diskussion. Es tobt ein Streit darüber, wem der sogenannte Schatz des Priamos gehört. Russland will ihn nicht an Deutschland zurückgeben, Griechenland und die Türkei haben sich ebenfalls zu Wort gemeldet. Wem gehört Ihrer Meinung nach der Schatz? 

Bezüglich zumindest eines Teils des Schatzes gibt es eigentlich eine klare Vereinbarung.  Heinrich Schliemann hatte ja den sogenannten Schatz des Priamos außer Landes gebracht und wurde daraufhin vom Osmanischen Reich verklagt und in der Folge wurde ein Vergleich geschlossen. Dabei zahlte er eine Menge Geld an den osmanischen Staat. Nach meinem Verständnis müsste der Schatz doch dann demjenigen gehören, der ihm nach dem Vergleich zu gesprochen wurde. Und das war Heinrich Schliemann.

Schliemann schenkte ihn ja später dem deutschen Volke und er wurde im Berliner Völkerkundemuseum ausgestellt. Wäre aus Ihrer Sicht also ein Berliner Museum der richtige Ausstellungsort?

Ja. Ich würde mir wünschen, wenn er künftig wieder in Berlin zu sehen wäre, wie er es gewünscht hat.

Das Interview mit Klaus Sellschopp führte Florian Quanz.


Klaus Sellschopp ist promovierter Wirtschaftsjurist, verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und ein Enkelkind. Er ist Gründungsmitglied des RC Hamburg-Haake.