Titelthema
Wer war Eduard Hernsheim?
Die Rolle des deutschen Südsee-Kaufmanns ist für die Untersuchung der Eigentumsverhältnisse am Luf-Boot wesentlich.
Eduard Hernsheim (1847–1917) war einer der wenigen deutschen Kaufleute, denen es gelang, familienfinanziert ein Südsee-Unternehmen zu gründen, das schwarze Zahlen schrieb. Seinen ersten großen Schoner verlor Hernsheim im Juli 1873 vor der Insel Miyako im Süden Okinawas. Zusammen mit sechs anderen Überlebenden rettete ihn die Bevölkerung aus dem Wrack. Kaiser Wilhelm I. erwies den „braven Insulanern“ seinen „allerhöchsten Dank“ und ließ auf Miyako ein Denkmal errichten. Von Hongkong aus, unterstützt durch seinen Bruder Franz (1845–1909) und seinen Vetter Henry, spannte Hernsheim in den folgenden Jahren ein Handelsnetz, das bald den gesamten Westpazifik umfasste. Gemeinsam mit dem britischen Kommissar Hugh Hastings Romilly (1856–1892) setzte er sich 1883 gegen Zwangsrekrutierungen von Südsee-Insulanern für Arbeiten auf Zuckerrohrplantagen in den Kolonien Queensland (Australien) und Fidschi (Polynesien) ein. Mithilfe von Berichten und Eingaben nach Berlin bewirkte Hernsheim ein Verbot solcher Menschenraube durch die Besatzung britischer Schiffe.
Nach den ersten deutschen Flaggenhissungen in der Südsee 1884/85 kämpfte Hernsheim mit Zeitungsbeiträgen und Flugschriften gegen einen Missbrauch der Kaiserlichen Marine als Exekutive der „Neuguinea-Kompagnie“, die das deutsche Schutzgebiet in Melanesien bis 1899 verwaltete. In diesen Jahren entwickelte sich Hernsheim zum versiertesten Kritiker des Berliner Bankiers Adolph von Hansemann (1826–1903), der mit Gerson Bleichröder (1822–1893) und dem Berliner Disconto-Ring, einer frühen Bankenvereinigung, die deutsche Kolonialpolitik wesentlich mittrug.
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Weltanschaulich war Hernsheim der griechischen Stoa verpflichtet. Er glaubte an ein universales Naturrecht, vor dem alle Menschen gleichgestellt sind. Hugh Hastings Romilly bescheinigte, dass Hernsheim im Umgang mit Südsee-Insulanern zwar „hin und wieder etwas streng“ verfuhr, aber doch die „genaueste Gerechtigkeit“ übte. Im Hauptstrom seiner Zeit hielt Hernsheim einen Welthandel, wie ihn im 19. Jahrhundert vor allem die Großmächte vorantrieben, für etwas unhinterfragbar Gutes. Ein natürliches Paradies gab es für Eduard Hernsheim nicht – auch nicht in der Südsee, sondern alles, was an Schönheit, Bequemlichkeit und Faszination von Menschen erfahren wurde, musste durch Erfindungsgabe und Arbeit erst geschaffen werden.
In der Herstellung materieller Güter und ihrem Handel zeigte sich für Hernsheim deshalb ein vielfältiges Geschick verschiedenster Menschen und Kulturen, das auf jeweils eigene Art zum Fortschritt beitragen konnte. Dieser Fortschritt schuf für Hernsheim idealerweise ein besseres und erfüllteres Leben für alle Menschen.
Kein Erfolg von Dauer
In Hamburg, wo Hernsheim sich nach seinen Jahren in der Südsee niederließ, galt er als „gewordener Hanseat im besten Sinne“. Nüchterne Kalkulation, harte Verhandlungen und eine saubere Buchführung standen für ihn nicht im Widerspruch zu einem werteorientierten Unternehmertum. Denn genauso galten Hernsheim soziales und kulturelles Engagement als Selbstverständlichkeit. Ohne sie konnte ein Geschäft, das zwischen so unterschiedlichen Menschen wie Südsee-Insulanern, ihm selbst und seinen Nachfolgern geführt werden sollte, nicht gelingen.
Hernsheims Hoffnung auf eine solche generationenübergreifende Geschäftsbeziehung wurde noch zu seinen Lebzeiten enttäuscht. Um 1916 war Hernsheim von der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg bereits überzeugt und sah auch das Ende der deutschen Südsee-Kolonien klar voraus.
Buchtipp
Jakob Anderhandt
Eduard Hernsheim, die Südsee und viel Geld – Biografie in zwei Bänden
Tredition 2021, 584 und 620 Seiten,
je 27,50 Euro
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Jakob Anderhandt Der gebürtige Deutsche lebt als freier Schriftsteller im Großraum von Sydney.