Anmerkungen zu den jüngsten Bildungsreformkonzepten
Lasst die Schulen endlich in Ruhe arbeiten
In Deutschland geht erneut eine schulpolitische Reformitis um. Zwar ist bislang noch kein schulisches Reformmodell für gescheitert erklärt worden, schließlich sind solche Modelle ja zum Erfolg verurteilt. Die am größten angelegte Reform freilich ist gescheitert: Die Gesamtschule in Deutschland hat trotz üppiger Personal- und Sachausstattung eine durchschlagende Erfolglosigkeit hinter sich, das bestätigen alle Leistungstests. Nun haben sich einige deutsche Länder auf den Weg gemacht, die Hauptschule und die Realschule als die bislang stabilste deutsche Schulform abzuschaffen. Man will ein sogenanntes zweigliedriges System errichten: mit einem Gymnasium und einer Oberschule – letztere als Mini-Gesamtschule mit oder ohne Oberstufe. Einer Steigerung der Studierberechtigtenquote in Richtung 60 Prozent ist damit wohl Tür und Tor geöffnet, Hauptsache die Quote stimmt. Verwunderlich ist daran allerdings, dass diesen Weg mittlerweile auch die CDU mitmacht. Zumindest proklamiert sie auf Bundesebene jetzt eben dieses Zweisäulenmodell. Offenbar glaubt sogar die CDU, dass mit der Abschaffung der Hauptschule die Hauptschüler abgeschafft seien. In NRW hat sich die Union jetzt jedenfalls von der rot-grünen Minderheitsregierung dafür gewinnen lassen, die für die Hauptschule verankerte Bestandsgarantie aus der NRW-Landesverfassung zu streichen. „Schulfrieden“ heißt das nun. Die CDU – so verlautet – habe sich für dieses Konzept erwärmt, weil damit von Rot-Grün der Bestand der Gymnasien zugesichert worden sei. Freilich wissen wir seit langem, dass das ständige Herumdoktern an Strukturen meist nur die Illusion von Fortschritt erweckt. Deshalb wäre die Politik gut beraten, sich endlich einem anderen Grundsatz zu verpflichten: Mal keine Reform, das wäre doch mal eine Reform! Unsere Schulen brauchen endlich Zeit zur Konsolidierung. Wer die Schulen von einem Durchlauferhitzer in den nächsten jagt, wer Schüler wie Versuchskaninchen behandelt, der vergisst, dass junge Leute eben nur eine Bildungsbiographie haben. Was hier schiefläuft, ist irreversibel oder nur mit größten Anstrengungen korrigierbar. Es gäbe Maßnahmen, die wirklich helfen würden: Erstens ein Reformstopp in Sachen Schulstruktur! Zweitens: Man gebe den Schulen bitte 105 Prozent Lehrerstunden! Mit diesem Plus könnten Schulen Segensreiches bewirken: zum Beispiel Unterrichtsausfall vermeiden und/oder Zusatzkurse für schwache und für Spitzenschüler einrichten. Schließlich kommt es vor allem auf die Quantität und die Qualität von Unterricht an.
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