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Standpunkt

Bitte nicht unsere Sprache verhunzen!

Standpunkt - Bitte nicht unsere Sprache verhunzen!
Josef Kraus, RC Vilsbiburg © Privat

Gender-Sprache erregt die Gemüter. Also wie damit umgehen? Und bei Rotary?

Josef Kraus01.10.2020

Da geht ein Sprachgespenst um. Oder ist es ein Sprachvirus? Gender-Sprache ist angesagt. Was ist der Hintergrund? Geschlecht gebe es zweifach, so heißt es: biologisch als Sex und sozial als Gender. In der Ideenwelt des (De-)Konstruktivismus ist Gender unabhängig von Sex ein Konstrukt, das aufgebaut oder – auch sprachlich – gesprengt werden muss.

Folge? Maskulina und Neutra – ob semantisch und grammatisch korrekt oder nicht – sollen durch Feminina ergänzt oder ersetzt werden. Um „frau/Frau“ sichtbar zu machen, so heißt es. Hier eine kleine Auswahl an entsprechenden Genderkonstruktionen, die durch die Lande gehen: Besonders beliebt ist das Binnen-(Majuskel)-I. Von VerbrecherInnen ist zwar eher selten die Rede, aber BürgerInnen gibt es zu Millionen. Der Star ist das Gender-Sternchen: Rotarier*innen – angeblich aussprechbar mit einem Glottisschlag, einer Art Zungenschnalzer. „Der“ Mensch soll nicht mehr sein, auch wenn es „die“ Menschheit gibt. „Jemand“, „niemand“ dürfen ebenfalls nicht mehr sein. Aus dem Fragewort „wer“ soll „wex“ werden, weil diese Wörter männlichen Ursprungs seien. Professix oder Studerix könnte es geschlechterneutral heißen, so leibhaftige Linguisten. Um wie viel witziger sind da doch Asterix, Obelix, Miraculix und Troubadix! Wieder woanders wird – auch aus Minister- oder Talklady-Munde – ein Publikum als „Mitglieder und Mitgliederinnen“ oder „Gästinnen und Gäste“ angeredet.

239-mal „Schülerinnen und Schüler“ in einem Text

Wir haben aber – siehe „das“ Mitglied, „der“ Gast – nun einmal Nomina, die sich nicht in die weibliche Form umwandeln lassen, etwa auch „der“ Flüchtling. Umgekehrt gibt es „die Geisel“ nicht als Maskulinum. Und auch die permanente Doppelnennung ist – außer in einer Anrede – Unfug. Was dabei herauskommt, belegt das neue Schulgesetz von Rheinland-Pfalz: „Schüler und Schülerinnen“ stehen dort – textverlängernd – 239-mal.

Wo führt das „nicht-sexistische“ Sprachvirus noch hin? Es werden – selbst in amtlichen Broschüren – Konstruktionen empfohlen wie: statt Bäckerhandwerk „Backenden-Handwerk“, statt Fußgängerbrücke „Fußgehenden-Brücke“. Demnächst statt „Bankräuber“ eine „eine Bank ausraubende Person“? Sogar am grammatisch-semantischen Verständnis mangelt es hier. Denn ein Radfahrender ist einer, der aktuell Fahrrad fährt. Partizip Präsens! Ein Radfahrer indes kann auch im Bett schlafen, der Radfahrende nicht.

Für die „Erforschung“ des Gendervirus leistet sich der deutsche Steuerzahler mittlerweile über 200 Professuren. (Zum Vergleich: Es gibt 120 Professuren für „alte“ Sprachen“ und 190 für Pharmazie.) So richtig international wird die Sache übrigens, wenn man in die EU schaut. Die EU möchte „parent 1/parent 2“ haben. Schließlich soll es 0,1 Prozent gleichgeschlechtliche Elternpaare geben. In Deutschland greift das mittlerweile als „Elternteil 1/Elternteil 2“ um sich. Die Reihung 1 oder 2 ist indes nicht diskriminierend, oder?

Apropos Diskriminierung: Das Deutsche Universalwörterbuch mit seinen rund 88.000 Hauptwörtern weist mit einem Anteil an Feminina mit 42,2 Prozent gegenüber 37 Prozent Maskulina und 20,8 Prozent Neutra ohnehin schon die Mehrheit aus. Und: Der Plural-Artikel „die“ ist weiblich: „die“ Männer. Jedenfalls sind mit dem generischen (männlichen) Plural als dem „genus collectivum“ seit Jahrtausenden in allen indogermanischen Sprachen alle – ob Männlein oder Weiblein – mitgemeint. An manchen Universitäten bekommt man trotzdem Punktabzüge in Examensarbeiten, wenn man keine gendergerechte Sprache verwendet. Im Übrigen erlauben wir uns die Frage: Was ist sprachlich mit den „Diversen“ der dritten Geschlechter: lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, transsexuell, Transfrau/Transmann, cisgender usw.?

Nein, die „gendergerechte“ Sprache erzeugt lächerliche Sprachgebilde, und sie ist konsequent gar nicht durchzuhalten. Zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht besteht kein Zusammenhang. Siehe der Löwe, die Giraffe, das Pferd. Zudem tragen Gender-Verzerrungen der Sprache eben nicht dazu bei, Frauen zu mehr Rechten zu verhelfen. Auch im Grundgesetz gibt es dafür kein Indiz: In 13 Artikeln spricht es 20-mal vom Bundeskanzler; die Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin hat dies nicht behindert.

Liebe Rotierende, achten Sie auf den Gender-Gaul

Also, rotarische Freundinnen und Freunde, wie möchten Sie angesprochen werden? Mit Rotierende, RotarierInnen, Rotarier*innen, Rotarier:innen, Rotarier_innen, Rotarier/innen, Rotarier•innen. All diese Varianten sind im Gespräch. In Frankreich übrigens war bis 2017 der „point median“ (Beispiel: professeur•e•s) angesagt. Dann untersagte die Regierung ihn für den amtlichen Gebrauch, also auch für Schulen und Hochschulen. Kompromiss: In der Anrede beide Formen, im Textcorpus aus Gründen der Lesbarkeit nur der generische maskuline Plural: die Rotarier! Passen wir auf, dass uns nicht „der“ Gender-Gaul durchgeht.

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Josef Kraus
Josef Kraus war Lehrer und Schulleiter und von 1987 bis 2017 Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Er hat mehrere Bücher zum Thema Bildung verfasst, zuletzt „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt. Und was Eltern jetzt wissen müssen“, (Herbig Verlag, 2017) und „50 Jahre Umerziehung: Die 68er und ihre Hinterlassenschaften“, (Manuscriptum, 2018). lehrerverband.de