Standpunkt
Holt die Frauen an Bord
So kann es mit dem Tempo bei der Aufnahme von Frauen in unsere Clubs nicht weitergehen. Das Mitgliedschaftsteam ruft deshalb die „1:1-Challenge“ aus.
In den 20 Distrikten aus Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein und Österreich startet das Rotary-Mitgliedschaftsteam im rotarischen Jahr 2024/25 die sogenannte „1:1-Challenge“: Die gemischten Clubs werden gebeten, im Verhältnis 1:1 Männer und Frauen neu aufzunehmen. Hier schreibe ich, warum die Challenge so wichtig für die Zukunft von Rotary ist.
Vorweg eine Klarstellung: Die Autonomie der Rotary Clubs ist wichtig. Dass es bei uns rund zehn Prozent Clubs gibt, bei denen noch keine Frauen Mitglieder sind, ist eine individuelle Entscheidung, in die ich mich nicht einmische. Veränderung sollte von innen heraus entstehen. Perspektivisch wird ohnehin der Tag kommen, an dem es keinen reinen Männer- und auch keinen reinen Frauenclub (ja, die gibt es bei Rotary tatsächlich auch) mehr gibt. Bis dahin bewahre ich die Ruhe und erzähle lieber einmal, warum wir meiner Meinung nach unbedingt viel mehr Frauen aufnehmen sollten. Nicht wegen einer Quote, sondern aus einem ganz einfachen Grund: weil Frauen uns sehr guttun.
Hoher Frauenanteil in Führungspositionen
Rotary ist bemüht, dass die Clubs mehr und mehr ein Abbild der Gesellschaft werden, in der sie sich befinden. Frauen übernehmen in unserer Gesellschaft, in Wirtschaft und Institutionen viel Verantwortung. 2022 lag der relative Frauenanteil in den Führungsetagen der EU bei 38 Prozent. Doch wissen Sie was? Bei Rotary sind wir schon viel weiter. Die folgenden Statistiken, mit deren Bereitstellung ich das Rotary-International-Büro Zürich in den vergangenen Wochen ziemlich auf Trab gehalten habe, beziehen sich teilweise auf die deutschsprachigen Distrikte, teilweise auf die ganze Rotary-Welt. Die Kernaussage in einem Satz: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein neues Mitglied bei Rotary Führungsverantwortung übernimmt, ist höher, wenn es sich dabei um eine Frau handelt.
Das betrifft alle Führungsebenen. Bei den verschiedenen Clubvorständen ist es aufgrund der heterogenen Vorstandsstruktur nicht einfach, vergleichbares Zahlenmaterial zu generieren, aber Stichproben sprechen eine eindeutige Sprache. Für die Clubleitung liegen die Zahlen vor: Der Anteil der Präsidentinnen ist im deutschsprachigen Raum 30 bis 50 Prozent höher als der Anteil der weiblichen Mitglieder. Auch bei den Distrikt-Führungskräften zeigt sich dasselbe Bild, jedoch abermals verstärkt: Die Prozentzahl der Assistant Governors ist mehr als doppelt so hoch wie der Anteil der Frauen aller Clubs. Bei den Governors sehen wir ebenfalls eine klare Tendenz zu einer überdurchschnittlichen Repräsentanz der Frauen: Der Frauenanteil der Governor-Jahrgänge 2021/22 bis 2025/26 der deutschsprachigen Distrikte liegt im Durchschnitt 60 Prozent höher als der Anteil der Frauen der Distrikte.
Ohne gläserne Decke
Diesen Blick können wir auch über die Grenzen unserer Distrikte ausweiten. Die Anzahl der weiblichen Koordinatoren und Assistant Koordinatoren ist in der Fünf-Jahres-Betrachtung ebenfalls 50 Prozent höher als der Anteil weiblicher Mitglieder unserer Zonen. Und im Zentralvorstand von Rotary, dem Board of Directors, sitzen auch rund 50 Prozent mehr Frauen, als der weltweite Anteil es erwarten ließe. Wir sind bei Rotary in unseren Köpfen also bereits viel weiter, als es die Mitgliederzahlen der Clubs vermuten lassen.
Ist damit alles bestens? Nein. Denn auch wenn bei Rotary von einer „gläsernen Decke“ wirklich keine Rede sein kann, so haben wir schlicht viel zu wenig weibliche Mitglieder: Gerade einmal rund 15 Prozent der Mitglieder im deutschsprachigen Raum sind Frauen. Damit liegen wir 40 Prozent unter dem weltweiten Durchschnitt von 26 Prozent. Das ist in meinen Augen inakzeptabel. Wir benötigen einen richtigen Boost, um hier endlich mal von der Stelle zu kommen. Doch das wird nicht von allein funktionieren. Wir müssen uns schon etwas einfallen lassen. Und hier kommt die „1:1-Challenge“ ins Spiel, mit der wir die Distrikte und Clubs für 2024/25 in einen konstruktiven Wettstreit schicken wollen.
In meinem eigenen Club sind Berufsanfänger, Menschen mit alternativen Lebensmodellen, Geschäftsleute und auch Rentner. Wir sind zur Hälfte weiblich – mit Ausnahme der Projektteams: Denn wenn es darum geht, bei Projekten meines Clubs Verantwortung zu übernehmen und mitzumachen, sind immer viel mehr Frauen am Start als Männer. An dieser Einsatzbereitschaft können sich die Männer im Übrigen ruhig ein Vorbild nehmen. Frauen packen an bei Rotary – in Projektteams genau wie bei Führungsaufgaben. Womit wir wieder bei meiner Ausgangsthese wären: Wir brauchen mehr weibliche Neumitglieder. Denn sie tun uns gut.
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