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Private Förderer sind unverzichtbar

Neue Chancen durch neue Stipendienkultur

Annette Schavan03.06.2011

Schon heute haben viele Unternehmen mit den Folgen des demografischen Wandels zu kämpfen. Der globalisierte Wettbewerb – auch um die Besten – stellt uns beinahe täglich vor neue Herausforderungen. Das gilt für die Wirtschaft und für die Wissenschaft. Für Deutschland sind Wissen und Kreativität die entscheidenden Ressourcen. Sie machen die international anerkannte Stärke des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Deutschland aus und festigen damit die gute Marktposition vieler Unternehmen.

Begabung, Leistungswille und eine exzellente Ausbildung sind die Voraussetzung dafür. Hoch motivierte und begabte Menschen zu verlieren, können wir uns nicht leisten. Bildung, und gerade auch die Spitzenförderung, zählt daher zu den wichtigsten Gemeinschaftsaufgaben des 21. Jahrhunderts. Mit der Einführung des Deutschlandstipendiums haben wir den Grundstein zu einer Stipendienkultur gelegt, die viele Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Stiftungen ermutigt, sich an der Spitzenförderung und damit an der Ausbildung der Führungskräfte von morgen zu beteiligen. Das Deutschlandstipendium fördert Studierende an deutschen Hochschulen mit 300 Euro monatlich.

Attraktiv auch für private Förderer

Erstmals setzt der Bund dabei auf die systematische Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft. Zu den 300 Euro monatlich steuern private Förderer jeweils eine Hälfte bei, die andere Hälfte finanziert der Bund. Der monatliche Betrag von 150 Euro macht die Beteiligung auch für Förderwillige mit kleinem Budget und für Privatpersonen attraktiv. Das Deutschlandstipendium ist damit Anstoß für eine neue Form gelebter Solidarität, die allen zugutekommt: Studierende können sich auf ihre Ausbildung konzentrieren und wichtige Kontakte für ihre spätere berufliche Zukunft knüpfen. Hochschulen erhöhen ihre Attraktivität für begabte Studierende, schärfen ihr fachliches Profil und knüpfen Kontakte in ihr Umfeld. Private Geldgeber erhalten frühzeitig Zugang zu talentiertem Nachwuchs. Schon jetzt zählen neben großen Konzernen wie der Allianz, der BASF oder der Deutschen Telekom zahlreiche Mittelständler zu den Förderern; viele vertiefen ihren Austausch mit den Stipendiaten durch Praktika, Weiterbildungs- und Informationsveranstaltungen. Von der engen Zusammenarbeit mit Hochschule und Absolventen versprechen sich auch kleinere Handwerksbetriebe, wie die Fliesen-Schreiber GmbH aus Rieder in Sachsen-Anhalt, Vorteile für Region und Wettbewerb. Auch für Alumni, die das Bedürfnis haben, ihrer Hochschule „etwas zurückzugeben“, kann das Deutschlandstipendium ein attraktives Instrument sein – sozusagen ein Baustein in einem akademischen Generationenvertrag zwischen aktiven und ehemaligen Studierenden. Einige Hochschulen, wie die Ruhr-Universität Bochum, bieten daher spezielle Fördermodelle für Geldgeber mit kleinerem Budget. Auch beim nationalen Stipendienprogramm kann sich der private Anteil aus den Spenden verschiedener Förderer zusammensetzen – die Hochschulen können die Mittel zu einem Deutschlandstipendium zusammenführen.

Das Deutschlandstipendium steht Studierenden aller Nationalitäten offen, wird einkommens­unabhängig ausgezahlt und nicht auf das BAföG angerechnet. Damit ist das neue Stipendium Auszeichnung und Ansporn gerade für jene, die ihr Studium selbst finanzieren müssen. Gute Noten und Studienleistungen sind dabei nur eine Voraussetzung. Das Stipendium honoriert auch die Bereitschaft, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Die Überwindung von Hindernissen in der eigenen Bildungsbiografie ist ebenfalls ein Kriterium bei der Auswahl.

Viel Luft nach oben

Schon jetzt wird ein Prozent der Studierenden durch die zwölf vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Begabtenförderungswerke gefördert. Gut ein weiteres Prozent erhält Förderung aus privater Tasche. Hier ist im internationalen Vergleich viel Luft nach oben. Mit einem Anteil privater Mittel an der Finanzierung der Bildungsausgaben im Tertiärbereich von 15 Prozent bewegt sich Deutschland weit unter dem Durchschnitt der OECD-Länder von 27,4 Prozent. Das muss anders werden, wenn sich Deutschland im härter werdenden internationalen Wettbewerb um die Besten behaupten will. Neben der Stärkung der Forschung und dem Ausbau der Breitenförderung gilt es jetzt, in der Spitzenförderung aufzuholen. Mit dem Deutschlandstipendium sollen daher mittelfristig bis zu 160.000 Studierende gefördert werden. Das entspricht acht Prozent aller Studierenden an deutschen Hochschulen. Die Förderbereitschaft Hunderter kleiner und großer Unternehmen, von Stiftungen, Vereinen und Privatleuten stärkt bereits in diesem Jahr die Förderung von Tausenden begabten Studierenden. Die neue Stipendienkultur wächst – nicht zuletzt mit großzügiger Unterstützung durch die Rotarier, die mit ihren eigenen Stipendienprogrammen längst zu den großen Bildungsförderern weltweit zählen. Von einer breit aufgestellten Förderergemeinschaft profitieren dabei auch strukturschwache Regionen. Das zeigen neben den Fördererzahlen an der Ruhr-Universität Bochum auch die Fördererzahlen etwa an der Universität Magdeburg. Die gemeinsame Spitzenförderung muss sich dabei keineswegs auf die derzeit stark nachgefragten späteren Führungskräfte aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik beschränken. Mit rund 400 Hochschulen ist die deutsche Hochschullandschaft so vielseitig wie kaum eine zweite. In der oftmals fächerübergreifenden Kooperation von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft entstehen heute auch im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern an zahlreichen Hochschulstandorten zukunftsweisende Projekte. Auf frisches Denken, auf Innovation und Spitzenleistung wird es künftig mehr denn je ankommen. Das Deutschlandstipendium soll das befördern – nicht zuletzt indem es unsere Anschlussfähigkeit im internationalen Wettbewerb um kluge Köpfe stärkt. Sie sind herzlich eingeladen, sich mit Gewinn daran zu beteiligen.

Annette Schavan
Dr. Annette Schavan ist eine deutsche Politikerin (CDU). Von 2005 bis 2014 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2013 war sie Bundesministerin für Bildung und Forschung. Von diesem Amt trat sie nach der Aberkennung ihres Doktorgrades zurück. Von 1995 bis 2005 war sie Ministerin für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg.