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Zwischen Goethe und Google

Uni ist nicht alles

Wichtig ist beim Einstieg in den Beruf auch die Persönlichkeit. Worauf die Absolventen der Hochschulen sonst noch achten sollten.

Jochen Kienbaum02.05.2016

Deutschlands Studierende sind drauf und dran, die Drei-Millionen-Marke zu knacken: Heute streben mehr junge Menschen denn je einen akademischen Abschluss an – und fragen sich: Was kommt danach? So wichtig Prüfungen, Seminare und Vorlesungen sind – für die Frage, was danach kommt, ist es mindestens genauso wichtig, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was man nach dem Studium machen möchte und in welchem Rahmen das möglich ist. Dieses Gefühl erhält man nur in der Berufspraxis.

Faktoren, die zählen

Wer sich nach dem Studium auf dem Arbeitsmarkt wagt, ist abhängig von  einer Kombination aus persönlichen und externen Faktoren. Das persönliche Profil bedeutet, welchen Abschluss man in der Tasche hat, was man studiert und welche Praktika man gemacht hat. Wichtig ist aber auch, welche Persönlichkeit man hat und wie man als Mensch auf andere wirkt – besonders hierzu sollte man sich ehrlichen Rat von außen holen. Äußere Faktoren, die man nicht beeinflussen kann, sind die wirtschaftliche Lage, welchen Branchen es gut geht, welche Berufsbilder gefragt sind und wo eine Vakanz besteht, die passt.

Welche Abschlüsse was wert sind

Der Bachelor gewinnt an Akzeptanz, hat in der öff entlichen Wahrnehmung positiv hinzugewonnen und die Lücke zum Master beziehungsweise Diplom verringert. Das verbessert die Einstellungsmöglichkeiten für Bachelor-Absolventen dauerhaft. In Studiengängen, in denen eine fünfjährige Ausbildung normal war und ist, hängt der Bachelor hingegen weiter hinterher. Hier orientieren sich die Personal-abteilungen an früheren Studienzeiten, und es ist empfehlenswert, den Master anzuschließen. Was die Einstiegschancen mit Doktortitel betrifft, lässt sich sagen: Generell zählen Titel heute weniger – vor allem international spielen sie keine große Rolle. Aber gerade im deutschsprachigen Raum ist ein Doktortitel in einzelnen Branchen weiterhin ein Türöffner für lukrative Stellen. So ist beispielsweise in der Chemie oder Pharmabranche ein Doktortitel auch heute noch eine wichtige Voraussetzung, um Karriere zu machen.

Wie ein gutes Studium aussieht

Viele Unternehmen legen beim Studium Wert auf einen Dreiklang: erstens eine sehr gute fachliche Ausbildung auf aktuellem wissenschaftlichen Forschungsstand, zweites ein starker Anwendungsbezug und viele Foren der studentischen Zusammenarbeit und drittens vielfältige Möglichkeiten, während des Studiums immer wieder über den Tellerrand zu schauen – sei es durch das Studieren im Ausland, internationale Wettbewerbe oder außeruniversitäres soziales Engagement, das die Persönlichkeit der jungen Menschen reifen lässt und formt. Der Netzwerk-Faktor während des Studierens ist ebenfalls sehr wichtig.

Fachrichtungen mit guten Chancen

Der Arbeitsmarkt ist letztlich eine Agglomeration vieler individueller Job-Profile. Hier pauschal von Aufsteigern oder Absteigern zu sprechen, ist schwierig. Denn letztlich kann jemand eine nachgefragte Fachrichtung studiert haben, sich aber durch andere Faktoren nicht für einen Job eignen und andersherum. Deshalb kann man auch grundsätzlich nicht von bestimmten Studienfächern abraten, weil sie schlechte Jobchancen versprechen – die Wahl der Fachrichtung, in der man sich qualifizieren will, ist die richtige, wenn man sie aus Überzeugung trifft.

Auf persönliche Interessen achten

Junge Menschen sind schon immer gut damit gefahren, den eigenen Neigungen und Interessen zu folgen. Sie sollten sich fragen: Was treibt mich an? Und nicht: Wo verdiene ich das meiste Geld? Denn nur wer das, was er tut, auch gern macht, macht es richtig gut. Natürlich sollte man im Blick haben, wie sich die Branche entwickelt, in der man die berufliche Karriere starten möchten. Auch der Rat eines professionellen Karriereberaters kann bei der Studienentscheidung sehr gut weiterhelfen, weil er die gesamte Situation sehr viel objektiver analysieren kann, als es etwa Eltern oder Freunde tun.

Was, wenn nicht alles klappt

Schnurgerade Lebensläufe sind nicht das Nonplusultra. Wenn man nur über Umwege an das Studienziel gelangt, sollte man aber die einzelnen Stationen seines Werdegangs – im Fall von Berufseinsteigern seine Studienwahl, Praktika und so weiter – plausibel begründen können. Ziellosigkeit schreckt Personalverantwortliche und Führungskräfte zu Recht ab. Ein Hetzen von Abschluss zu Abschluss, um möglichst früh in den Beruf einsteigen zu können, ist hningegen ebenfalls kontraproduktiv. Denn neben mangelnden fachlichen Fähigkeiten fehlt es solchen Bewerbern häufig noch an Lebenserfahrung und an Persönlichkeit. Diese können sie zum Beispiel durch Reisen ins Ausland erlangen: Daraus entstehen neue Ideen und neue Interessen – denn auch das gehört zu einer umfassenden Bildung dazu.

Auslandserfahrung als Pluspunkt

Im Falle von Nachwuchsführungskräften mit Karriereambitionen wird Internationalität immer wichtiger. Denn das Management vieler wichtiger Unternehmen ist zunehmend multikulturell besetzt. Deshalb sollte man schon früh Auslandserfahrung sammeln: in der Schule, der Universität, in Business Schools oder bei privaten Reisen. Und im Job dann über eine oder mehrere hochkarätige Auslandsstationen. So zeigt der aufstrebende Manager: Ich bin flexibel, ich bin bereit, neue Herausforderungen anzugehen, zu lernen und mich weiterzuentwickeln. Die interkulturelle Kompetenz, die man sich bei diesen Auslandsstationen aneignet, hilft den Nachwuchsführungskräften in der späteren Karriere immer wieder weiter. Denn die Unternehmen werden immer internationaler: Wer hier mit Auslandserfahrung punkten kann, hat gute Aufstiegschancen. Sehr gutes, verhandlungssicheres Englisch ist heute in so gut wie jedem Job ein Muss. Und das erlangt man nun mal am besten über eine Zeit im englischsprachigen Ausland.

Nach Werten handeln

Neben fachlichen Qualifikationen ist es auch bedeutend, auf welcher Wertegrundlage ich als junger Mensch handle. Fleiß, Mut und Verantwortung sind beispielsweise drei Komponenten, die heute mehr denn je zählen – sowohl beim Berufsstart als auch im späteren Job. Absolventen stehen hinsichtlich dieser drei Werte unter besonderer Beobachtung. Denn indem sie tagtäglich beweisen, dass sie diese drei Anforderungen erfüllen, zeigen sie, dass sie für weitere Karriereschritte bereit und geeignet sind. Unter Fleiß fasst man den Willen zu absoluter Top-Leistung und die intrinsische Motivation, auch einmal die Aufgaben zu übernehmen und gewissenhaft zu erledigen, die sich Andere vielleicht lieber sparen. Mut bedeutet, auch einmal unbequeme Meinungen zu vertreten, wenn man von seiner Auffassung überzeugt ist und diese nachvollziehbar belegen kann. Außerdem bedeutet Mut, innovative Wege zu gehen – zum Beispiel bei neuen Produkten, Dienstleistungen oder auch im internen Austausch mit den Kollegen. Verantwortung als dritter zentraler Wert, der heute von Absolventen erwartet wird, heißt, schon früh für eigene Projekte und die eigene Arbeit einzustehen, sich nicht hinter Anderen zu verstecken und im unternehmerischen Sinne Verantwortung für die Organisation zu übernehmen.

Branchen mit Zukunft

Wie bereits angedeutet, ist man als Absolvent davon abhängig, wie es der Branche geht, in der man sich seine berufliche Zukunft vorstellen kann. Aktuell ist davon auszugehen, dass der Gesundheitssektor und die Green- Tech-Industrie in naher Zukunft weiter stark wachsen und erhöhten Fachkräftebedarf haben werden. Außerdem hat die IT-Branche vor dem Hintergrund der Digitalisierung aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Dagegen ist zu erwarten, dass sich die Banken und Lebensversicherer weiter schwer tun, ihre Geschäftsmodelle zukunftsfest zu machen. Unabhängig von der Branchenzuordnung wird es auch 2016 Unternehmen geben, die sich besonders innovativ und an neue Märkte angepasst zeigen werden und andere, die die Zeichen der Zeit zu spät erkannt haben, obwohl sie in einer Branche zu Hause sind, der es eigentlich gut geht.

Raus ins Leben

Studieren allein hat noch nie ausgereicht, um erfolgreich in den Beruf starten zu können. Das Studium ist die Zeit im Leben, in der man sich ausprobieren sollte und in der man erste Karriere-Akzente setzen kann und muss. Am Ende des Studiums sollte man über Praktika oder andere berufliche Engagements einen guten Eindruck von der Arbeitswelt erlangt und erstes Praxiswissen gesammelt haben, um zu wissen, wo man als Absolvent eigensteigen will und worauf es im ersten Job ankommt. Zum Gesamtpaket gehört sicherlich auch eine soziale Komponente, sei es im Sport oder im karitativen Bereich. Erstens tut es der Persönlichkeitsbildung gut, sich nicht nur allein auf seine Studienleistungen zu fokussieren; man wird zum besseren Teamplayer. Und zweitens ist es auch ein Vorteil, wenn Personaler sehen, dass das Leben des Bewerbers oder der Bewerberin auch neben dem Studium weitergeht.


 

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Jochen Kienbaum
Jochen Kienbaum (RC Gummersbach) leitet die Personal- und Managementberatung Kienbaum Consultants International. Nach seiner Bankausbildung studierte er Wirtschaftswissenschaften, absolvierte mehrere Industriepraktika und trat 1979 als geschäftsführender Gesellschafter in die Leitung der Kienbaum-Unternehmensgruppe ein, die sein Vater gegründet hatte. kienbaum.de