Sebald hilft Sebald
Üppige Schönheitskur

Die Sebalduskirche ist als älteste Pfarr- und Ratskirche in der Nürnberger Altstadt präsent – der RC Nürnberg-Sebald trägt den Stadtpatron im Namen und hat gerade eine üppige Schönheitskur spendiert.
Zufälle gibt es ja bekanntlich nicht und dies zugrunde gelegt, ist leicht zu erklären, dass Peter Fleischmann im Jahr 2025/26 Präsident des RC Nürnberg-Sebald ist, ausgerechnet jenem Jahr also, in dem die Heiligsprechung des Stadtpatron in ihr 600. Jubiläumsjahr geht.
Peter Fleischmann war bis zu seiner Pensionierung 2021 Leiter des Staatsarchivs Nürnberg, als Historiker hat er sich in die Geschichte des Sebaldus geradezu hineingekniet, ist sie doch wie ein Spiegel Nürnbergs.
Es ist der 11. September 2025, der RC Nürnberg-Sebald trifft sich zu einem Meeting in der Kirche in der Nürnberger Altstadt. Es ist ein besonderes Meeting und es ist gut besucht. Die Mitglieder drängen sich in den Kirchenbänken, noch stehen zwei Baugerüste in dem herausragenden Kirchenbau mitten in der Stadt. Kantor Alexander Rebetge lässt in der stillen, allmählich dunkel werdenden Sebalduskirche die Orgel erklingen.
11.000 Euro haben die Mitglieder des RC Nürnberg-Sebald gespendet, um zwei Figuren des Sebaldus restaurieren zu lassen – und so erläutern Christina Verbeek und Susanna Brinkmann vom Atelier für Restaurierung Köln ihren Zuhörern in der Kirche fachkundig, was sie an den beiden Skulpturen von 1340 und 1380 gemacht hatten. Sie schildern erhebliche Verkrustungen, sorgfältige Reinigung und beschreiben ältere Farbschichten der Figuren. So galt es beispielsweise im Barock als modern, Figuren vollständig weiß zu gestalten, allein die Säume der Mäntel wurden häufig vergoldet.
Damit die Restauratorinnen ihre Arbeit in schwindelerregender Höhe machen konnten, waren die beiden Gerüste nötig – Christoph Fuchs (RC Nürnberg-Sebald), Geschäftsführer des gleichnamigen Bauunternehmens, ließ sie auf eigene Kosten kurzerhand aufbauen.
Wie Sebaldus als katholischer Heiliger in eine evangelische Kirche gekommen ist, beschäftigt auch Pfarrer Martin Brons (RC Nürnberg, 1. Pfarrstelle für St. Sebald und St. Egidien) schon länger. Die Gebeine des Sebaldus liegen in einem Prunkgrabmal, einem der größten Grabmäler Nordeuropas, in der evangelischen Kirche.
Sebaldus wurde in Nürnberg bereits im 11. Jahrhundert verehrt, vormals befand sich an der Stelle von St. Sebald eine dem Heiligen Peter geweihte Kapelle – doch die Menschen pilgerten zu Sebaldus, heute würde man von einem "Hype" sprechen. Und dieser Hype, die Verehrung des Sebaldus hielt ungebremst über die Generation an.
Schon im 13. Jahrhundert war die Sebalduskirche in aller Munde, obwohl die Kirche noch immer Petrus geweiht war. Über diesen ungeheuerlichen Vorgang, wie sozusagen der Ortsheilige Sebaldus den Apostelfürsten Petrus vertreiben konnte, spricht Peter Fleischmann in der Kirche. Zu erfahren ist, dass diese mittelalterliche Markenbildung mit dem Neubau des heutigen Ostchors abgeschlossen wurde und die Kirche tatsächlich Sebaldus geweiht worden ist.
Die päpstliche Bulle vom 26. März 1425 samt Heiligsprechung bildet den Höhepunkt dieser Entwicklung – die Nürnberger hatten nun ihr römisches Gütesiegel. Als freie Reichsstadt wollte man den direkten Draht nach Rom, so wurde Sebaldus als mitverantwortlich für den Aufstieg und Erfolg der Reichsstadt gemacht. Heute lagert die originale Bulle der Heiligsprechung im Staatsarchiv.
Wer war nun dieser Sebald, zu dessen Grab in Nürnberg bereits im Jahr 1072 Wallfahrten stattgefunden haben sollen? Es gibt zahlreiche Anekdoten, die seinen Ruf begründen – eine ist heute am Sebaldusgrab in der Kirche dargestellt: Demnach hatte er an einem kalten Wintertag an der Werkstatt einer Wagnerei um Einlass gebeten, das Handwerker-Ehepaar wärmte sich am Ofen, doch schickte ihn weg. Sebaldus soll zwei Eiszapfen ins Feuer geschleudert haben und sie wurden zu lodernden Holzscheiten.
Im Detail berichtet Peter Fleischmann: Wahrscheinlich sei Sebald der erste Priester der von ihm begründeten Peterskapelle gewesen, er dürfte dem Umfeld Kaiser Heinrichs III. († 1056) angehört haben. Nach Gründung des Bistums Bamberg 1007 durch Kaiser Heinrich II. († 1024) war Poppenreuth (heute ein Stadtteil der Nachbarstadt Fürth) Mutterkirche der 1275 in Nürnberg errichteten romanischen Kirche mit den markanten Doppeltürmen.
Die Kirche war doppelchörig mit Patrozinium des St. Peter (Ostchor) und der heiligen Katharina (Westchor). Das Wachstum der Reichsstadt Nürnberg förderte Anbauten und Erweiterungen der Peterskirche.
Peter Fleischmann hat eine Urkunde aus dem Jahr 1359 im Scheurl-Archiv entdeckt, verwahrt wird das Familienarchiv im Nürnberger Stadtteil Fischbach bei Freund Berthold Zeltner (RC Nürnberg-Sebald). Auf der Urkunde findet sich das Siegel des Pfarrers Albrecht Krauter (1355-1372). Es zeigt den heiligen Sebald mit Pilgerstab, Muschel und – das ist das Sensationelle – einem Kirchenmodell in der rechten Hand. In der romanischen Kirche befanden sich stets die Gebeine des Sebald; die Verehrung an ihn verdrängte den eigentlichen Kirchenheiligen Petrus.
Zur Ausschmückung ist um 1340 das Langhaus nach dem Vorbild der Saint Chapelle in Paris und des Kölner Doms mit Apostel-Figuren an den Säulen versehen worden. Am Chor stand rechts Petrus und links davon Sebald. Dies war das erste imaginäre Bild des Nürnberger Lokalheiligen, dessen Skulptur der RC Nürnberg-Sebald von überkrustendem Schmutz fachkundig reinigen ließ. Diese Skulptur und eine zweite aus der Zeit um 1380 bildeten den Auftakt für die Umwidmung der ursprünglichen Peterskirche.
1361 ließen die Nürnberger den gewaltigen Ostchor errichten, wie es schon auf dem programmatischen Siegel von Pfarrer Krauter angedeutet war. Als er 1379 fertiggestellt war, weihte der Bischof von Bamberg erstmals einen völlig neuen Sebaldus-Altar. Die dauernde Anhänglichkeit der Nürnberger führte zur Umwidmung der Kirche. Der ursprüngliche Heilige wurde zwar nicht vergessen, aber seinen Altar rückte man an den Chorscheitel, also ganz in den Osten der neuen "Sebalduskirche".
Für die Gebeine Sebalds wurde 1397 ein kostbarer Schrein geschaffen, der 1424 Vorbild wurde für das Behältnis zur Aufbewahrung der Reichskleinodien, und der 1519 von Peter Vischer und seinen Söhnen mit einem gewaltigen Bronze-Denkmal umfangen wurde. Die Heiligsprechung in Rom erfolgte erst am 26. März 1425 durch Papst Martin V.
Die Reform der Glaubenslehre 100 Jahre danach durch Martin Luther ließ den Heiligen-Kult verblassen. Dennoch ist St. Sebald so etwas wie das Herz Nürnbergs geblieben.

Ulrike Löw (RC Nürnberg-Reichswald) ist seit 20 Jahren als Journalistin tätig. Ihr Schwerpunkt liegt bei rechtlichen Themen: Aktuelle Rechtsnews interessieren sie ebenso wie juristische Hintergründe, regelmäßig sitzt sie in Gerichtssälen und berichtet über Strafprozesse. Ab August 2021 ist sie Berichterstatterin des Distrikts 1880.
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