Vermächtnis eines Denkmalpflegers (Gottfried Kiesow)
»Der Dank an die Vergangenheit«
Gottfried Kiesow
Am 7. November 2011 verstarb Professor Dr. Gottfried Kiesow (RC Wiesbaden). Als Gründer und jahrzehntelanger Kopf der Deutschen Stiftung Denkmalschutz hat er zahlreichen Städten, Dörfern und Landsitzen ihr historisches Gesicht bewahrt. Als Würdigung für einen Mann, ohne den viele Orte unserer Heimat heute anders aussähen, zitieren wir nachstehend Auszüge aus seiner - frei gehaltenen - Schlussrede zum Backsteinbaukunstkongress am 2. September 2011 in Wismar
Unser Thema betrifft ja hauptsächlich die Architektur zwischen den beiden Weltkriegen. Besonders stark war der Einschnitt der Kriege ja nicht. Es gibt keinen Punkt Null, auch nicht nach 1945. Es sind ja dieselben Architekten: Hans Scharoun baut weiter. Erst hat er in Breslau gebaut, dann die Villa Schminke in Löbau und dann baut er nach dem Krieg die Berliner Philharmonie. Hier ist Kontinuität zu spüren. Auch Mies van der Rohe wirkt weiter, wenn auch nicht in Deutschland, sondern hauptsächlich in Amerika. Der Einfluss der neuen Sachlichkeit ist von den vier Strömungen der 20er Jahre der stärkste, weil er nach 1945 in die Massenproduktion aufgenommen wird. Es ist jetzt unsere große Aufgabe, uns schützend vor die Bauten der 50er Jahre zu stellen. Gera.de die Stiftung hat sich das zum Ziel gesetzt, weil es allzu schnell passieren kann, dass die wesentlichen Leistungen verloren gehen. Das ist immer so. Im Frankfurter Villengebiet haben wir die besten historistischen Villen verloren, denn das waren die größten Grundstücke, sie wurden zuerst als Spekulationsobjekte genutzt. Außerdem entstehen die besten Leistungen meist doch von der öffentlichen Hand. Das ist der Bund, das sind die Länder, das sind die Kommunalbauten. Die Versicherungen, das sind die Banken, die können sich die besten Architekten leisten, aber die sind auch diejenigen, die am ehesten versuchen, ihre Gebäude wieder loszuwerden, wenn der Bau abgeschrieben ist. (…)
Wir Denkmalpfleger haben nun einmal die Aufgabe auszuwählen. Das ist bei den 50er Jahren schwer, aber auch schon bei den 20er Jahren. Dazu brauchen wir Kriterien, die vor Gericht standhalten. Dabei dürfen sich die Kunsthistoriker nicht gegen Architekten ausspielen lassen oder umgekehrt. Wir lernen von den Architekten, dass ein Denkmal eben auch eine gestalterische Einheit ist, die man nicht sezieren kann in verschiedene Baustile, sondern immer wieder als Einheit des Kunstwerks beachten muss. Auch den technischen Umgang mit den Denkmälern haben wir von den Architekten gelernt.
Zu sagen, Architektur ist nur Statik, Funktion usw., das ist natürlich völlig primitiv. Denn auch ein Architekt kann sich nicht seiner Zeit entziehen. Er ist Kind seiner Zeit. Es gibt keinen wahreren Spiegel der Verhältnisse in der menschlichen Gesellschaft als Architektur und Städtebau. Sie können den Geist der Zeiten, auch zum Beispiel des Dritten Reiches, dort am allerbesten sehen.
Da fällt mir übrigens ein, dass es einen Bautyp gibt, der wirklich universal zu nutzen ist und der das 20. Jahrhundert sehr geprägt hat, nämlich die Baracke. Was waren die Baracken nicht schon alles: Reichsarbeitsdienstlager, Unterkunft für Kriegsgefangene, KZ-Gebäude, dann nachher Notaufnahmequartier für die ganzen Flüchtlinge. Ein Bautyp, den es nicht mehr gibt, der aber das Jahrhundert vielleicht mehr bestimmt hat als manches andere. (…)
GELD UND POLITIK
Ich fürchte, dass die Schuldenbremse, die in der Verfassung untergebracht wird, gerade der Kultur das Wasser abgraben und die Luft abdrücken wird. Denn wenn gespart wird, geschieht das ja immer zuerst bei der Kultur. Umgekehrt ist die Kultur die letzte, deren Etat erhöht wird. Dann muss man wirklich volle Kassen haben, ehe man für die Kultur etwas zulegt. Wie schnell verpuffte das europäische Denkmalschutzjahr 1975! Es bewirkte eine kurze Blüte der Denkmalpflege. Da wurden die Denkmalämter ausgebaut, da wurden die Etats erhöht, da wurden die Denkmalgesetze neu geschaffen und zwar sehr gute, wirksame Gesetze. Sie sind inzwischen fast alle entstellt worden und die Freiheit der Denkmalämter wurde eingeschränkt, indem sie in andere Verwaltungen eingebunden werden und selber immer weniger verlautbaren dürfen.
Wir haben manche Beispiele dafür, deswegen haben wir mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz diese Rolle übernommen, nicht, weil wir uns in irgendeiner Weise als Bundesdenkmalpfleger empfinden, nein, wir sind froh, dass wir eine reine Service-Organisation sind, die den Denkmalen hilft. Wir sind froh, dass wir eine Stiftung privaten Rechts sind, ohne Einfluss der Politik, aber mit Einfluss auf die Politik. Wenn die behördliche Denkmalpflege nicht für den Erhalt von Denkmalen kämpfen darf, dann müssen wir das eben tun.
Die Blütezeit der Denkmalpflege, die mit dem Denkmalschutzjahr 1975 begann, in der ein Denkmalbewusstsein aufblühte, das zur Gründung vieler
– auch oftmals streitbarer – Fördervereine für Denk.male führte, wo aus der Bevölkerung und der Politik der große Auftrag an uns Denkmalpfleger kam, die.se Blütezeit ist längst vorbei. Sie hatte auch 1985 die Gründung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zur Folge. Ein Glück, denn das war eine gute Voraussetzung für die Aufgaben, die die Wiedervereinigung an die Denkmalpflege stellte. Die Wiedervereinigung führte in den 1990er Jahren zu einer Blüte der Denkmalpflege in den neuen Bundesländern und zu dem großen Engagement der Bevölkerung und der privaten Spender, denen wir nicht genug danken können. Auch der Bund hat sich in den 90er Jahren stark für die Denkmalpflege engagiert mit den Programmen des Innenministeriums und der Städtebauförderung des Bauministeriums. Jetzt entwickelt es sich in vielen Bundesländern leider so, dass man sich Sorgen um die Zukunft der Denkmale machen muss.
KAMPF MIT INVESTOREN
Wir brauchen zur Rettung von Denkmalen tatsächlich immer eine ganz stichhaltige Begründung um den kulturellen Wert gegen Investorenpläne vor allem in den Innenstädten mit hohem Grundstücks-wert zu verteidigen. Denkmalpfleger müssen streit.bar und variationsreich in ihren Lösungsansätzen sein. Wir müssen den Denkmalschutz vor den Verwaltungsgerichten vertreten können. Dabei müssen wir in unserer Betrachtung differenzieren.
Das Chilehaus in Hamburg zum Beispiel, das ist ungefährdet, weil es eine so hohe Grundflächen- und Geschossflächenzahl hat. Das wird niemand abreißen wollen, denn dieselbe Grundstücksausnutzung bekommt man heute nicht wieder. Dieses Grundstück ist hoffnungslos überbaut, das Denk.mal schützt sich selbst.
So ein Beispiel haben wir in Wiesbaden auch, am Dern‘schen Gelände, einen Bau von Herbert Rimpl. Zu seinem Werk gehören erstaunliche Bauten, die noch tatsächlich den Geist des internationalen Stils in sich tragen. Dieser Herbert Rimpl hat ein viel zu hohes Haus am Dern´schen Gelän.de gebaut. Als man es abreißen wollte, wurde fest.gestellt, dass der Neubau drei Geschosse niedriger sein müsste. Das wollte man natürlich in dieser Innenstadtlage nicht und dadurch blieb der Rimpelbau stehen. Es ist manchmal schon merkwürdig, manchmal spricht tatsächlich auch die Entwicklung für uns Denkmalpfleger. (…)
VERMÄCHTNISSE
Mit der Entwicklung in der Stiftung und hier in Wismar bin ich zufrieden. Es ist wunderschön, dass wir mit Frau Dr. Wilcken als meiner Nachfolgerin Kontinuität haben.
Wichtig sind auch die Treuhändischen Stiftungen für St. Georgen. Dieses Instrument der treu.händischen Stiftungen betrachte ich als sehr wichtig für die Zukunft, vor allem für die Jugend, denn es gilt ja, der nächsten Generation den Denkmalschutz als Erbe zu hinterlassen, sie aber auch in die Lage zu versetzen, dieses Erbe auch anzunehmen. Denn die finanzielle Lage wird ja sehr viel kritischer werden.
Die Treuhandstiftungen für St. Georgen sind auch ganz wesentlich, denn an die Bauunterhaltung wird oft nicht gedacht. Kämmerer und Finanzminister benutzen die Etats die für Bauunterhaltung gern als Steinbruch. Wenn irgendwo Geld fehlt, ziehen sie das ab. Das Ergebnis war die Situation der DDR. Ruinen schaffen ohne Waffen. Da.durch, dass man einfach nichts daran machte. Der Chor, der hier noch ganz intakt war und auch benutzt worden ist, verkam nachher zur Ruine. Wenn wir nicht für die laufende Bauunterhaltung Sorge tragen, indem wir, wenn ein Orkan einen einzigen Ziegel vom Dach gefegt hat, dies wieder dicht machen, dann werden wir erleben, dass beim nächsten Orkan schon ein großes Loch entsteht und am Ende ist dann wieder alles so teuer, dass es fraglich ist, ob man es erhalten kann.
Diese Nachhaltigkeit ist vor allem mein Anliegen; die Nachhaltigkeit dessen, was wir bisher er.reicht haben. Zusammengefasst habe ich es in den Sätzen: Denkmalschutz ist der Dank an die Vergangenheit, die Freude an der Gegenwart und das Ge.schenk an die Zukunft.
Wir Denkmalpfleger haben nun einmal die Aufgabe auszuwählen. Das ist bei den 50er Jahren schwer, aber auch schon bei den 20er Jahren. Dazu brauchen wir Kriterien, die vor Gericht standhalten. Dabei dürfen sich die Kunsthistoriker nicht gegen Architekten ausspielen lassen oder umgekehrt. Wir lernen von den Architekten, dass ein Denkmal eben auch eine gestalterische Einheit ist, die man nicht sezieren kann in verschiedene Baustile, sondern immer wieder als Einheit des Kunstwerks beachten muss. Auch den technischen Umgang mit den Denkmälern haben wir von den Architekten gelernt.
Zu sagen, Architektur ist nur Statik, Funktion usw., das ist natürlich völlig primitiv. Denn auch ein Architekt kann sich nicht seiner Zeit entziehen. Er ist Kind seiner Zeit. Es gibt keinen wahreren Spiegel der Verhältnisse in der menschlichen Gesellschaft als Architektur und Städtebau. Sie können den Geist der Zeiten, auch zum Beispiel des Dritten Reiches, dort am allerbesten sehen.
Da fällt mir übrigens ein, dass es einen Bautyp gibt, der wirklich universal zu nutzen ist und der das 20. Jahrhundert sehr geprägt hat, nämlich die Baracke. Was waren die Baracken nicht schon alles: Reichsarbeitsdienstlager, Unterkunft für Kriegsgefangene, KZ-Gebäude, dann nachher Notaufnahmequartier für die ganzen Flüchtlinge. Ein Bautyp, den es nicht mehr gibt, der aber das Jahrhundert vielleicht mehr bestimmt hat als manches andere. (…)
GELD UND POLITIK
Ich fürchte, dass die Schuldenbremse, die in der Verfassung untergebracht wird, gerade der Kultur das Wasser abgraben und die Luft abdrücken wird. Denn wenn gespart wird, geschieht das ja immer zuerst bei der Kultur. Umgekehrt ist die Kultur die letzte, deren Etat erhöht wird. Dann muss man wirklich volle Kassen haben, ehe man für die Kultur etwas zulegt. Wie schnell verpuffte das europäische Denkmalschutzjahr 1975! Es bewirkte eine kurze Blüte der Denkmalpflege. Da wurden die Denkmalämter ausgebaut, da wurden die Etats erhöht, da wurden die Denkmalgesetze neu geschaffen und zwar sehr gute, wirksame Gesetze. Sie sind inzwischen fast alle entstellt worden und die Freiheit der Denkmalämter wurde eingeschränkt, indem sie in andere Verwaltungen eingebunden werden und selber immer weniger verlautbaren dürfen.
Wir haben manche Beispiele dafür, deswegen haben wir mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz diese Rolle übernommen, nicht, weil wir uns in irgendeiner Weise als Bundesdenkmalpfleger empfinden, nein, wir sind froh, dass wir eine reine Service-Organisation sind, die den Denkmalen hilft. Wir sind froh, dass wir eine Stiftung privaten Rechts sind, ohne Einfluss der Politik, aber mit Einfluss auf die Politik. Wenn die behördliche Denkmalpflege nicht für den Erhalt von Denkmalen kämpfen darf, dann müssen wir das eben tun.
Die Blütezeit der Denkmalpflege, die mit dem Denkmalschutzjahr 1975 begann, in der ein Denkmalbewusstsein aufblühte, das zur Gründung vieler
– auch oftmals streitbarer – Fördervereine für Denk.male führte, wo aus der Bevölkerung und der Politik der große Auftrag an uns Denkmalpfleger kam, die.se Blütezeit ist längst vorbei. Sie hatte auch 1985 die Gründung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zur Folge. Ein Glück, denn das war eine gute Voraussetzung für die Aufgaben, die die Wiedervereinigung an die Denkmalpflege stellte. Die Wiedervereinigung führte in den 1990er Jahren zu einer Blüte der Denkmalpflege in den neuen Bundesländern und zu dem großen Engagement der Bevölkerung und der privaten Spender, denen wir nicht genug danken können. Auch der Bund hat sich in den 90er Jahren stark für die Denkmalpflege engagiert mit den Programmen des Innenministeriums und der Städtebauförderung des Bauministeriums. Jetzt entwickelt es sich in vielen Bundesländern leider so, dass man sich Sorgen um die Zukunft der Denkmale machen muss.
KAMPF MIT INVESTOREN
Wir brauchen zur Rettung von Denkmalen tatsächlich immer eine ganz stichhaltige Begründung um den kulturellen Wert gegen Investorenpläne vor allem in den Innenstädten mit hohem Grundstücks-wert zu verteidigen. Denkmalpfleger müssen streit.bar und variationsreich in ihren Lösungsansätzen sein. Wir müssen den Denkmalschutz vor den Verwaltungsgerichten vertreten können. Dabei müssen wir in unserer Betrachtung differenzieren.
Das Chilehaus in Hamburg zum Beispiel, das ist ungefährdet, weil es eine so hohe Grundflächen- und Geschossflächenzahl hat. Das wird niemand abreißen wollen, denn dieselbe Grundstücksausnutzung bekommt man heute nicht wieder. Dieses Grundstück ist hoffnungslos überbaut, das Denk.mal schützt sich selbst.
So ein Beispiel haben wir in Wiesbaden auch, am Dern‘schen Gelände, einen Bau von Herbert Rimpl. Zu seinem Werk gehören erstaunliche Bauten, die noch tatsächlich den Geist des internationalen Stils in sich tragen. Dieser Herbert Rimpl hat ein viel zu hohes Haus am Dern´schen Gelän.de gebaut. Als man es abreißen wollte, wurde fest.gestellt, dass der Neubau drei Geschosse niedriger sein müsste. Das wollte man natürlich in dieser Innenstadtlage nicht und dadurch blieb der Rimpelbau stehen. Es ist manchmal schon merkwürdig, manchmal spricht tatsächlich auch die Entwicklung für uns Denkmalpfleger. (…)
VERMÄCHTNISSE
Mit der Entwicklung in der Stiftung und hier in Wismar bin ich zufrieden. Es ist wunderschön, dass wir mit Frau Dr. Wilcken als meiner Nachfolgerin Kontinuität haben.
Wichtig sind auch die Treuhändischen Stiftungen für St. Georgen. Dieses Instrument der treu.händischen Stiftungen betrachte ich als sehr wichtig für die Zukunft, vor allem für die Jugend, denn es gilt ja, der nächsten Generation den Denkmalschutz als Erbe zu hinterlassen, sie aber auch in die Lage zu versetzen, dieses Erbe auch anzunehmen. Denn die finanzielle Lage wird ja sehr viel kritischer werden.
Die Treuhandstiftungen für St. Georgen sind auch ganz wesentlich, denn an die Bauunterhaltung wird oft nicht gedacht. Kämmerer und Finanzminister benutzen die Etats die für Bauunterhaltung gern als Steinbruch. Wenn irgendwo Geld fehlt, ziehen sie das ab. Das Ergebnis war die Situation der DDR. Ruinen schaffen ohne Waffen. Da.durch, dass man einfach nichts daran machte. Der Chor, der hier noch ganz intakt war und auch benutzt worden ist, verkam nachher zur Ruine. Wenn wir nicht für die laufende Bauunterhaltung Sorge tragen, indem wir, wenn ein Orkan einen einzigen Ziegel vom Dach gefegt hat, dies wieder dicht machen, dann werden wir erleben, dass beim nächsten Orkan schon ein großes Loch entsteht und am Ende ist dann wieder alles so teuer, dass es fraglich ist, ob man es erhalten kann.
Diese Nachhaltigkeit ist vor allem mein Anliegen; die Nachhaltigkeit dessen, was wir bisher er.reicht haben. Zusammengefasst habe ich es in den Sätzen: Denkmalschutz ist der Dank an die Vergangenheit, die Freude an der Gegenwart und das Ge.schenk an die Zukunft.
Prof. Dr. Gottfried Kiesow (RC Wiesbaden) war Gründer und jahrzehntelanger Kopf der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Zu seinen zahlreichen Büchern gehören u.a. „Denkmalpflege in Deutschland. Eine Einführung“ (Theiss, 2000) und „Kulturgeschichte sehen lernen“ (5 Bde., Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2000–2011). Er ist 2011 gestorben. denkmalschutz.de