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Weimarer Malerschule

Christian Rohlfs: Kopfweiden © Jürgen und Maria Elisabeth Rasmus Stiftung/Sönke Ehlert
Ausflugstipp für Schnellentschlossene: Bis zum 24. August läuft noch die Ausstellung "Die Entdeckung der Natur. Landschaftsmalerei der Weimarer Malerschule" in der Sammlung Rasmus im Kulturforum Schleswig-Holstein-Haus Schwerin.

Wer über Weimar spricht und nicht jene Epoche meint, der dieser Ort den Namen gab, denkt wohl sofort an die Weimarer Klassik, als die kleine Residenzstadt an der Ilm zu einer der Geistesmetropolen Europas wurde. Aber Weimar war auch mit der künstlerischen Moderne und den Anfängen des Bauhauses verbunden.
Auf die von Carl Alexander 1860 gegründete Großherzogliche Sächsische Kunstschule wird man dabei kaum als erstes stoßen. Dabei war die später sogenannte Weimarer Malerschule zu ihrer Zeit eine der führenden Kunstakademien, deren Schüler im Geiste von Barbizon die Ateliers und Zeichensäle verließen und vor der freien Natur zu malen begannen. Wer Anschluss an die künstlerischen Strömungen des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts halten wollte, hat diese Akademie zumindest zeitweilig besucht. Große Namen waren darunter wie Max Liebermann, Christian Rohlfs, Paul Baum oder Hans Olde. Aber auch Arnold Böcklin oder Franz Lenbach kamen in jungen Jahren nach Weimar, kehrten der Enge der kleinen Residenzstadt aber bald wieder den Rücken. Viele der jungen Künstler, die man heute zur Weimarer Malerschule zählt, stammten aus der näheren Umgebung, kamen aus einfachen Verhältnissen und blieben Weimar oft ein Leben lang treu. Heimatmalerei in ihrer edelsten Form.
1871 war Theodor Hagen aus der Düsseldorfer Schule des berühmten Oswald Achenbach auf Bitten des Großherzogs nach Weimar gekommen und wurde dort bald einer der prägenden Lehrer der neuartigen Landschaftsmalerei. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Weimarer Kunstakademie zu einem bevorzugten Ort des deutschen Impressionismus, und die später sogenannte Weimarer Schule galt zu ihrer Zeit als "Hochburg einer wirklichkeitsorientierten Landschaftsmalerei, die in vertrauter heimischer Umgebung ihren Ausgangspunkt hatte", wie es der Kunsthistoriker Ulrich Schulte-Wülwer im lesenswerten Katalog zu einer Ausstellung der Sammlung Rasmus formuliert hat, die jetzt im Schleswig-Holstein-Haus in Schwerin zu sehen ist.

Die Auswahl der Künstler dort beschränkt sich auf die bekannteren Namen wie Karl Buchholz, Franz Bunke oder Paul Baum, deren Nachruhm nicht allein mit Weimar verbunden ist. Bunke wurde vor allem mit seinen mecklenburgischen Landschaftsmotiven bekannt und gründete seine eigene Künstlerkolonie in Schwaan, seinem Geburtsort südlich von Rostock. Auch wenn Schwaan heute in einem Atemzug mit Ahrenshoop oder Worpswede genannt wird, so kann man doch genauso gut von einem Außenposten Weimars im Norden sprechen. Denn etliche der Schwaaner Maler hatten in Weimar ihre Ausbildung erfahren und blieben der Akademie treu. Aber das Wissen über solche Zusammenhänge ist verblasst und die deutsche Teilung hatte das Ihrige dazu getan, dass die Weimarer Mal- und Radiertradition aus dem Blickfeld der westdeutschen Kunstgeschichte verschwand. Walther Scheidigs zu DDR-Zeiten erschienene Geschichte der Weimarer Malerschule war lange Zeit überhaupt die einzige greifbare Gesamtdarstellung dazu.
Überhaupt: Wer die Stadt an der Ilm zu Wendezeiten besuchte, traf auf viele solcher Zeitkapseln, die alle Umbrüche des vorigen Jahrhunderts überdauert hatten. Wenn man von der Autobahn aus Richtung Gelmeroda kam, wo Feininger eines seiner berühmtesten Thüringer Motive fand, und am Friedhof mit den Klassikergräbern vorbeifuhr, stieß man auf ein (heute saniertes) Eckgebäude, das 1905 errichtete städtische Atelierhaus, wo so eigenwillige Künstler wie der Radierer Otto Paetz unverdrossen ihrer Arbeit nachgingen. Es lagen noch alte Druckstöcke von Alfred Brendel herum, dem „Schafebrendel“, wie man ihn nannte, der zeitweilig der Leiter der Kunstschule war. Und Paetz zog, wenn man ihn darum bat, ein druckfrisches Blatt auf einer uralten Presse ab, auf der noch Paul Klee gearbeitet hatte. Unweit davon lag das jahrzehntelang unberührte Atelier des feingliedrigen Alexander Olbricht, das dann aber bald dem Anspruch eines Alteigentümers zum Opfer fiel. Und in den Kellern des Stadtmuseums lagerte ein Großteil der Werke Bartold Asendorpfs, eine der tragischsten Figuren der klassischen Moderne in Deutschland. Diejenigen, die nach der Wende in Weimar kulturpolitisch das Sagen hatten, haben sich freilich kaum um solche Schätze bemüht.

Insofern stellt der jetzt in Schwerin gezeigte Teil der Sammlung Rasmus eine späte Verbeugung vor einer Generation deutscher Landschaftsmaler dar, die ihren Platz in der Kunst der klassischen Moderne heute ganz selbstverständlich behaupten. Ein Besuch lohnt sich!
Für alle, die es nicht rechtzeitig nach Schwerin schaffen: Der vorzügliche Katalog von Ulrich Schulte-Wülwer kostet 29,95 Euro, zu erwerben über imhof-verlag.de

© Antje Berghäuser rotarymagazin.de
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