https://rotary.de/kultur/thoma-neu-entdecken-a-24948.html
Salon Möller

Thoma neu entdecken

Salon Möller - Thoma neu entdecken
„Der Wanderer“ (1906) © Axel Killian

100 Jahre nach seinem Tod widmet das Augustinermuseum Hans Thoma eine große Werkschau. Im Fokus steht dabei sein grafisches Werk, ergänzt durch Gemälde und kunsthandwerkliche Objekte.

Johann Michael Möller01.03.2025

Es gibt den alten Bierbrauerspruch, der da heißt: Bier braucht Heimat. Dasselbe gilt für die Landschaftsmalerei. Auch deren Vertreter gaben der Region, in der sie heimisch waren, ein Gesicht. Wie Landschaft überhaupt erst durch den künstlerischen Blick entsteht. Viele dieser ihrer Landschaft eng verbundenen Künstler sind nie aus ihrer engeren Welt herausgekommen, andere, die Bedeutenderen, ragten weit darüber hinaus. Was wäre Nolde ohne die See, Hodler ohne die Berge, Ludwig Dill ohne das Dachauer Moos? Aber ihre künstlerische Qualität hat mit diesen Motiven nicht ihr Bewenden.

Damals der magische Realismus …

Auch der von seinen Künstlerkollegen einst als Schwarzwälder Bauernmaler verspottete Hans Thoma erlebte seinen künstlerischen Durchbruch so richtig erst in seinen großstädtischen Frankfurter Jahren, wo der Direktor des weltberühmten Städel, Henry Thode, zu seinem Förderer wurde; manche sagen auch zu seinem Fluch. Denn Thodes Vorstellungen von deutscher Kunst hatten nicht unwesentlichen Anteil daran, dass der Blick auf Thoma sich auf ein antimodernes, mithin völkisches Weltbild verengte, das nicht frei von antisemitischen Invektiven war. Was die baden-württembergische Kulturministerin Petra Olschowski vor einem Jahr dazu veranlasste, den Namen des Kunstpreises des Landes zu ändern.

Noch vor dieser Kontroverse widmete das Frankfurter Städel unter Max Hollein dem einstigen „Lieblingsmaler des deutschen Volkes“ 2013 eine repräsentative Ausstellung. Sie befreite Hans Thoma vom Odium des sentimentalen Heimatmalers und wies ihm seinen gebührenden Platz in der deutschen Kunstgeschichte zu. Nicht zufällig präsentiert das Umschlagbild des damaligen Katalogs auch ein Werk aus der weniger bekannten Welt von Thomas Fabelwesen, die man für eine Spielart des magischen Realismus halten könnte.

… heute ein bedachtsamer, mutiger Weg

Dagegen hat jetzt das Freiburger Augustinermuseum zum 100. Todestag des Künstlers den Akzent wieder auf das grafische Werk gelegt, wozu der Erwerb eines großen Konvoluts von Blättern sicher den Anstoß gab. Die Ausstellung restauriert auf behutsame Weise das Bild des bodenständigen, des volkstümlichen und handwerklich experimentierfreudigen Malers seiner Schwarzwälder Heimat. Das ist umso mutiger, als die Debatten um das reaktionäre Treibgut bei Thoma noch in bester Erinnerung sind.

Aber dieses vergleichsweise kleine und unter seiner neuen Leitung herzerfrischend agile Museum weicht den erwartbaren ideologischen Kontroversen schon deshalb nicht aus, weil es den niederländischen Zeichner und Maler Marcel van Eeden in einem Addon zu Wort kommen lässt, dessen Dankesrede bei der Preisverleihung des baden-württembergischen Landespreises für Kunst 2013 die politische Debatte um Hans Thoma ausgelöst hatte. Ein geschickter Zug, der die Ausstellungsmacher freilich nicht von der Frage entlastet, wie wir heute mit einem zweifellos bedeutenden Werk umgehen sollen, zu deren Motivwahl, deren Gestaltungsformen und deren Grundüberzeugungen wir überhaupt erst wieder einen neuen Zugang finden müssen.

Die Freiburger Ausstellung wählt den bedachtsamen Weg zu diesem „biblischen Weisen“ vom Berge, als der sich Thoma im Alter verstand. Und sie zieht das Leinentuch von einem ziemlich vergessenen Werk, ohne es mit neuen Gebrauchsanweisungen wieder verstellen zu müssen. Deshalb darf man aus Überzeugung sagen: Kommet und schauet. Ihr werdet belohnt!

Ausstellung
Hans Thoma – Zwischen Poesie und Wirklichkeit
Freiburg, bis zum 30. März 2025.
Der Katalog zur Ausstellung (256 Seiten) kostet 34,95 Euro


Auf der Pirsch

Ein neues opulentes Buch zur Geschichte der Jagd überträgt ein uraltes Kulturphänomen in die Gegenwart

2025, salon möller, buchtipp,
© BeBra Verlag 2024

Wie lange galt die Jägerei als reine Männersache mit zunehmendem Rechtfertigungsbedarf? Wer wollte sich angesichts eines gewandelten Verhältnisses zur Natur überhaupt noch zu einer solchen Passion bekennen, ohne nicht wenigstens die Hege und Pflege der Tiere und ihres Lebensraums in den Vordergrund zu stellen? Das hat sich inzwischen längst gewandelt. Immer mehr junge Menschen zieht es zur Jagd, und auch sehr viele, zumeist junge Frauen, sind heute darunter. Von der neuen Lust an der Pirsch ist mittlerweile die Rede; von der uralten Freude am Jagen, ja sogar von der Jägerprüfung als dem grünen Abitur. Es ist eine alte Erkenntnis: In der Geschichte der Jagd spiegelt sich die Geschichte der Menschheit, was den Gießener Agrar- und Kulturhistoriker Werner Rösener bewogen hat, die jahrtausendealte Passion des Jagdwesens von den ältesten Formen menschlicher Nahrungsgewinnung bis in unsere Zeit ökologischen Denkens hinein aufzuschreiben. Entstanden ist ein beeindruckend opulentes Buch, das in der höfischen Jagdkultur des Mittelalters genauso schwelgen lässt wie in den fürstlichen Prunkjagden der Renaissance. Der Autor ist eben Historiker und ihn beeindruckt der kulturelle und geistige Widerhall des Jagdwesens zu verschiedenen Epochen nicht weniger als die praktische Seite des Waidwerks.

Wer sich also vor allem an Bildern und Geschichten begeistern will, wird in diesem Buch reichhaltig belohnt. Wer sich dagegen eine etwas kritischere Auseinandersetzung mit den weniger schönen Seiten dieses Themas gewünscht hätte, wird nicht ganz auf seine Kosten kommen. Da schreibt eben ein Autor, der sich selbst viel zu sehr in sein Thema verliebt hat, als dass er eine allzu kritische Distanz einzunehmen vermag. Aber das wiegt dieser prachtvolle Band allemal durch die Vielzahl der behandelten Themen und Aspekte auf, in der weder das frühe landesherrliche Jagdrecht fehlt noch der oberste Jägermeister der Nazis, Hermann Göring. Wer die Jagd bisher als Naturerlebnis begreift, lernt durch dieses Buch auch die reiche kulturelle Seite des Jagens kennen. Eine lohnende Lektüre nach einem Tag auf der Pirsch.

Werner Rösener: Die Geschichte der Jagd. Kultur, Gesellschaft und Jagdwesen im Wandel der Zeit
BeBra Verlag 2024, 320 Seiten, 49 Euro