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Atemlose Stille bei Buchvorstellung
Hermann Schäfer stellte sein Werk „Die Rotary Clubs im Nationalsozialismus. Die ausgeschlossenen und diskriminierten Mitglieder. Ein Gedenkbuch“ Ende November im Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin vor – und 120 Besucher waren 30 Minuten lang totenstill.
Eine solche Buchpremiere haben die meisten sicher noch nie erlebt: Absolute Stille während der Buchvorstellung von Hermann Schäfer zu rotarischen Freundinnen und Freunden, die in der Nazi-Zeit diskriminier und vertrieben wurden. Vielleicht hing es damit zusammen, dass viele der Gäste vorher die erschütternde neugestaltete Ausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte am Wannsee besucht hatten.
Hermann Schäfer ging auch auf Einzelschicksale ein, denn das ist das zentrale Ziel des Buches: 323 deutsche und 26 (von Oliver Rathkolb verfasste) österreichische Kurzbiografien von Rotarierinnen und Rotariern, die nach 1933 aus den damaligen Clubs auf nicht selten perfide und schamlose Weise hinausgeworfen wurden. Schäfer zitierte den Berliner Rotarier Heinrich Grünfeld, der den "Kündigungsbrief" seines Clubs bis zu seinem Tod in der Brieftasche aufbewahrt haben soll – "wegen der feigen, niedrigen Gesinnung, mit der sich alle dem Ungeist beugen". Der Dresdner Rotarier Friedrich Salzburg nannte das Verhalten seiner Clubfreunde nicht nur "unrotarisch, sondern unmenschlich".
Thomas Mann, der den Rotary-Brief mit seiner "Streichung von der Mitgliederliste" am 8. April 1933 erhielt, notierte in seinem Tagebuch "Erschütterung, Amüsement und Staunen über den Seelenzustand dieser Menschen, die mich … ausstoßen, ohne ein Wort des Bedauerns, des Dankes, als sei es ganz selbstverständlich". Karl Wolfskehl, wie Thomas Mann Gründungsmitglied des RC München und zu der Zeit leitender Redakteur der Zeitschrift "Der Rotarier", war schon Ende Februar 1933 nach dem Reichstagsbrand in die Schweiz emigriert und reagierte auf sein Ausschluss-Schreiben nur noch mit Sarkasmus. Er emigrierte 1934 weiter nach Italien und 1938, als Mussolini sich mit Hitler verbündete, nach Neuseeland.
Die sehr grundsätzlichen Debatten auf der Rotary-Distriktkonferenz im April 1933 in München wurden von Schäfer ausführlich analysiert. Ein Schaubild seiner Präsentation fasste eine Reihe von kontroversen Aussagen der Konferenz zusammen:
Schäfer kritisierte die Anbiederungsversuche von Rotary Deutschland an die NS-Regierung, die Anpassung aus Opportunismus, Furcht und Faszination sei aber nicht nur bei Rotary zu beobachten gewesen. Das völlige Versagen von Rotary International kommentierte Schäfer mit den Worten: "Die Aufrechterhaltung der Clubs war für Rotary International wichtiger als der Schutz jüdischer Mitglieder." Ebenso kritisch sah Schäfer die aus seiner Sicht skandalöse Nichtaufarbeitung der Rotary-NS-Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg – im Grunde bis hin zu der rotarischen Initiative von 2015, die zur Bildung der Forschungsgruppe, 2019 zum Auftritt auf der World Convention in Hamburg und letztendlich zu dem jetzt veröffentlichten Buch führte.
Die atemlose Stille endete am Wannsee dann sehr abrupt mit einem nicht enden wollenden Beifall – für den Autor, aber auch für den Berliner Initiator dieser Veranstaltung und Distriktgovernor nominee Prof. Torsten Becker, den Koordinator und Spiritus rector der Forschungsgruppe Prof. Carl-Hans Hauptmeyer, den Verleger und rotarischen Freund Thedel von Wallmoden und für die Gastfreundschaft der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz.
Kurt-Jürgen Maaß
RC Stuttgart-Wildpark