Rotary Aktuell
Beeindruckende Forschung
Im Jahr 1923 ging der Nobelpreis für Chemie an Fritz Pregl. Vier Jahre später wurde der renommierte Wissenschaftler Gründungsmitglied im RC Graz.
Als im Jahr 1927 in Graz der erste Rotary Club gechartert wurde, war dies nach Zürich (1924), Wien (1925) und nahezu zeitgleich mit Salzburg die dritte beziehungsweise vierte Gründung im deutschsprachigen Raum, wo Rotary, anders als in den Siegerstaaten des ersten Weltkrieges, verspätet Fuß fasste. Im neuen Grazer Club waren 17 der 25 Gründungsmitglieder Unternehmer und fünf Wissenschaftler, der renommierteste unter ihnen war Fritz Pregl. Er war höchstwahrscheinlich der erste Nobelpreisträger in der rotarischen Gemeinschaft des deutschsprachigen Raumes. Sein rotarisches Wirken blieb kurz, denn schon 1930 starb er im Alter von 61 Jahren.
Pregl kannte einige der Gründungsmitglieder vom „Automobil Club Graz“, dem er als Autobesitzer angehörte. Allen Neuerungen zugetan, in seiner Jugend begeisterter Radfahrer, hatte er auch Fußball gespielt und stand in einer der beiden Mannschaften, die aus den Angehörigen des „Akademisch-Technischen Radfahr-Vereins“ gebildet worden waren und die am 18. März 1894 das erste von der Öffentlichkeit weithin registrierte Fußballspiel austrugen.
Hochgestecktes Ziel
Im Jahr 1923 ging der Nobelpreis für Chemie an Fritz Pregl für die Entwicklung der organischen Mikroanalyse. Sechs Jahre zuvor, 1917, war sein bahnbrechendes Werk Die quantitative organische Mikroanalyse erschienen, und noch im selben Jahr war er für diese hohe Auszeichnung vorgeschlagen worden. Um 1900 hatte die große Zeit der Isolierung und Aufklärung der Bau- und Wirkstoffe von Lebewesen begonnen, man entdeckte das erste Vitamin. Auch der Biochemiker Pregl schloss sich diesem Trend an und beschäftigte sich mit Gallensäuren und Cholesterin. Für diese Untersuchungen waren gewaltige Massen an Ausgangsmaterial notwendig. Sowohl die Aufarbeitung als auch die Analysen im Makrobereich waren teuer und unerhört zeitraubend. So begann Pregl nach neuen Lösungsmöglichkeiten zu suchen und kam auf den Gedanken, Ähnliches im Bereich der organischen Chemie zu versuchen wie Friedrich Emich, Professor an der Technischen Hochschule in Graz, der eine Methode zur Analyse kleiner anorganischer Substanzmengen entwickelt hatte, die verlässliche Ergebnisse erbrachte. Als Pregl 1908 mit Einverständnis Emichs seine Forschungen begann, konnte er nicht ahnen, wie viele Schwierigkeiten zu überwinden waren. Er hatte eigene Geräte zu entwickeln, was ihn zwang, bei einem Glasbläser und bei einem Tischler in die Lehre zu gehen. Zusammen mit der Hamburger Firma Kuhlmann entwickelte er eine Mikrowaage. Jahrelang war nicht gewiss, ob sein Ziel nicht zu hochgesteckt war. Hatte sich wieder einmal ein Forschungsansatz als nicht zielführend herausgestellt, brach er in Phasen psychischer Erschöpfung zu einer Bergtour auf.
In welche Bereiche die organische Elementaranalyse vordrang, veranschaulicht am besten das von ihm selbst gegebene Beispiel der Mikrowaage, die er für seine Untersuchungen benötigte. Pregl hatte eine ähnlich hochempfindliche Waage bei Friedrich Emich an der Grazer Technischen Hochschule gesehen. Die Waage, die er brauchte, war aber noch zu entwickeln: Sie musste mit 20 Gramm belastbar sein und trotzdem auf ein Mikrogramm (ein Millionstelgramm) genau wägen. Er selbst erklärte die für Laien nicht ganz anschauliche Empfindlichkeit an größeren Maßstäben: Ein Fuhrmann fährt seinen Wagen mit einem Gewicht von circa 1000 Kilogramm auf eine Brückenwaage und lässt ihn wägen. Kurze Zeit später fährt er wieder auf die Waage, und man beobachtet, dass das Gewicht sich verringert hat. Dem erstaunten Fuhrmann fällt ein, sich inzwischen eine Pfeife angezündet und die leere Zündholzschachtel weggeworfen zu haben. – Eigentlich hätte die Mikrowaage, in die Größenordnung des Gleichnisses übertragen, schon auf das Wegwerfen des angebrannten Streichholzes reagieren müssen.
Nach der Veröffentlichung seines Buches im Jahr 1917 war alsbald klar, dass diese Methode der organischen Elementaranalyse ein Tor zu einer neuen, bislang nicht gekannten Forschungswelt aufstieß. Kleinste Mengen organischer Substanzen wurden der Untersuchung zugänglich und konnten damit in Medizin und Chemie zum Nutzen des Menschen eingesetzt werden. Von den 1920er Jahren an strömten aus allen Erdteilen Chemiker und Mediziner nach Graz, um die neue Methode zu erlernen. Einer der Assistenten Pregls, Oskar Wintersteiner, verbreitete die Methode in den USA.
Stadtbekannte Persönlichkeit
Fritz Pregl wurde am 3. September 1869 in Laibach/Ljubljana geboren, besuchte dort die deutsche Volksschule und das deutsche Gymnasium und bezog im Herbst 1887 die Universität Graz zum Studium der Medizin. Noch als Student 1890 zum Assistenten bestellt, wurde er 1894 zum Doktor der gesamten Heilkunde promoviert und studierte zudem Chemie an der Philosophischen Fakultät. 1899 habilitierte er sich für Physiologie, wurde 1904 zum außerordentlichen Professor ernannt und unternahm im folgenden Studienjahr eine Reise, die ihn in die bedeutendsten Laboratorien Kontinentaleuropas führte. Mit 1. Oktober 1905 wechselte er als Assistent vom Physiologischen an das Institut für angewandte medizinische Chemie, wurde 1910 Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck und drei Jahre später, 1913, wieder nach Graz berufen, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1930 blieb, mit Ehrungen, Ehrendoktoraten, Auszeichnungen und Preisen überhäuft. Berufungen an andere Universitäten lehnte er ab.
Pregl war eine stadtbekannte Persönlichkeit. Als Rektor des Studienjahres 1920/21 ließ er in dieser Zeit größter Lebensmittelknappheit und galoppierender Inflation an der Universität eine Ausspeisungsküche einrichten, an der Studierende, heimkehrende Soldaten und Notleidende für wenig Geld ein Mittagessen bekommen konnten.
Zahlreiche köstliche Anekdoten kursierten bis vor wenigen Jahrzehnten über diesen klein gewachsenen, mit langen, raschen Schritten dahineilenden Mann. So sah er es gar nicht gern, wenn sich ein Assistent verehelichte und damit die ausschließliche Fixierung auf die Wissenschaft aufgab. Er selbst blieb zeitlebens Junggeselle, war aber mit einer Ärztin liiert. Allen schönen Dingen des Lebens zugetan, wusste er puritanisches Engagement für die Wissenschaft mit fröhlichen Erholungsphasen zu verbinden.
Alois Kernbauer