Standpunkt
Club mit Doppelspitze
Was beruflich funktioniert, könnte auch bei der Leitung eines Rotary Clubs klappen – und sogar Vorteile bieten, dachten sich zwei Freunde des RC Wolfach.
Club Herbert Kumpf und Thomas Waldenspuhl führen seit Juli 2018 als zwei gleichberechtigte Präsidenten den RC Wolfach im Schwarzwald. Da beide beruflich und ehrenamtlich sehr eingespannt sind sowie ihre Arbeitsplätze weit von ihrem Wohnort entfernt liegen, wäre die Präsenz als Präsident nicht ausreichend – zumindest nicht so, wie sie es gerne wollen.
Herbert Kumpf Tja, aktuell weiß ich gar nicht, ob das mit der Doppelspitze eine gute Idee ist. Wir schicken uns in der letzten Zeit dauernd E-Mails hin und her, und das meistens am frühen Morgen, um alles abzusprechen und uns zu informieren. Manchmal denke ich: Wir hätten weniger Arbeit gehabt, wenn nur einer Präsident gewesen wäre.
Thomas Waldenspuhl Nein, das meine ich nicht. Anders wäre es gar nicht möglich. Im Übrigen haben wir immer jemanden, mit dem wir uns auf kurzem Weg beraten können. Da klärt sich manches schneller, als wenn man alleine überlegt und grübelt, ob irgendetwas eine gute Idee ist. Und außerdem haben wir uns zugestanden, dass einer auch immer alleine entscheiden kann, der andere trägt das dann mit.
Herbert Kumpf Richtig. Und wir haben genug Vertrauen, dass wir das können, weil wir oft ähnlich denken.
Thomas Waldenspuhl Es ist aber unbedingt nötig, damit leben zu können, wenn nicht alles genau so läuft, wie man es selbst gern hätte. Eine Doppelspitze ist halt keine „Einpersonenspitze“. Ich finde aber, die Vorteile überwiegen deutlich.
Herbert Kumpf Eine „Einpersonenspitze“ ist eine Präsidentin oder ein Präsident bei Rotary sowieso nie. Das rotarische Jahr wird in der Zusammenarbeit vieler Freunde gestaltet. Auch wenn einer oder zwei als Präsidenten vorne stehen. Das Jahr wird ganz entscheidend vom Team geprägt.
Thomas Waldenspuhl Wenn man denn andere auch tatsächlich was machen lässt! Wenn man abgeben kann und nicht alles alleine unter Kontrolle halten will. Wie sagte der Papst Johannes XXIII.: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig.“
Herbert Kumpf Der Nationalpark Schwarzwald wird ebenfalls von einer Doppelspitze geleitet – und eine davon bist du. Wie funktioniert das denn so im Alltag?
Thomas Waldenspuhl Sehr gut. Und mittlerweile habe ich viel Übung. Im Übrigen sind Doppelspitzen ja nicht selten. Bei dir ist es doch ähnlich, oder?
Herbert Kumpf Wir sind der einzige Kirchenbezirk der evangelischen Landeskirche in Baden mit einer Vielfachspitze, weil der Kirchenbezirk Ortenau so groß ist. Wir sind zwei Schuldekane und vier Gemeindedekane. In anderen Bezirken gibt es immer nur eine/n Schuldekan/in und eine/n Gemeindedekan/in. Die nötigen Absprachen sind manchmal mühsam und anstrengend. Aber es hat auch Vorteile: Wir haben einen großen Ideenreichtum und können uns Aufgaben aufteilen. Wir sind weniger „einsam“ und vielleicht auch nicht so festgefahren.
Thomas Waldenspuhl Und was muss man deiner Erfahrung nach beachten, damit es gut läuft?
Herbert Kumpf Über gemeinsame Angelegenheiten hinaus braucht jeder seine eigenen Zuständigkeiten.
Thomas Waldenspuhl So wie wir für jedes Meeting festlegen, wer die Präsidentenrolle wahrnimmt.
Herbert Kumpf Dabei hoffen wir ja auch, dass dieser Modus für ein abwechslungsreicheres Clubleben sorgt.
Thomas Waldenspuhl Das Amt des Präsidenten zu bewältigen, während man sich gerade in einer intensiven Familien- und Berufsphase befindet, kann eine zu große Belastung sein. Aber vielleicht gibt es andere Freunde im Club, denen es ähnlich geht, und man tut sich in solchen Phasen zusammen. Der große Vorteil wäre, dass dann auch mehr jüngere Freunde einen Club leiten könnten.
Herbert Kumpf Wichtig finde ich bei einer Doppelspitze auch, dass man nicht so schnell ein schlechtes Gewissen hat, wenn man bei relativ vielen Meetings aus beruflichen Gründen nicht dabei sein kann. Klar: Es gibt auch im herkömmlichen Modell die Möglichkeit, sich vertreten zu lassen. Aber bei einer Doppelspitze ist es „normaler“, dass man ab und an verhindert ist. Auch das könnte für manche die Entscheidung erleichtern, eine Präsidentschaft zu übernehmen.
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